Frühling 1944

21. März 1944

Sonnentag, Frühlingsahnen.

Hermann ist Ortskommandant, macht’s sich bequem, nimmt aus der Abteilung – vor allem von mir – alles, was er braucht, und das ist viel und macht mir so die Arbeit schwer.

Mittagsbummel an den Dnjestr. Die Rumänen räumen. Gerüchte: Ungarn soll Italien nachgeahmt haben. Rumänen haben Nordsiebenbürgen wiedergeholt, deutsche Truppen in Budapest. – Im Nachrichtendienst kam nichts davon.

Die Trosse rollen langsam und lahm an. – Von der Schweinerei von Uman fehlen mir noch 45 Mann. Fast die ganze 8. fehlt noch.

23. März 1944

Aus dem Regiment werden Kampfgruppen aufgestellt. Die infanteristische übernimmt Seidel, die Werferkampfgruppe bekomme ausgerechnet ich. Wie muss ich doch tüchtig sein. Gibt’s wenigstens wieder Arbeit. – Außerdem bin ich Kommandant der Ostfront der „Festung Hotin“. Entsprechende Erkundung. Bericht bei Grothe. Der weiß auch nicht, was er will, tut, als hätte er nichts befohlen.

24. März 1944

Zusammenstellung der Kampfgruppe. Sie kommt auf 100 Mann. 6 Werfer mit invaliden Maschinen. – Die Rumänen verlassen die Stadt.

25. März 1944

4 Uhr Alarm. Der Russe hat Kamenez Podolsk angegriffen, wurde abgeschmiert, umging es westlich, stieß nach Süden und steht uns nun vor der Tür. Die Dnjestr-Brücke wird ausgefahren, weil sie unter Panzerbeschuss liegt. Drüben steht eine 10 km lange Wagenkolonne. Die Fahrer gingen stiften, z. T. sprengten sie. Übersetzung mit Fähre, Schwimmwagen und Sturmbooten. Panisierte Landser versuchen zu schwimmen. Ein Teil säuft ab. Am schlimmsten ist das Verwundetenelend. Aus K.-Pr. kamen nur die Gehfähigen heraus. Die anderen fielen dem Russen in die Hand, nebst großer Beute.

In der Stadt Heldengreifkommando. Alles, was stiftend durchkommt, wird aufgefangen, verpflegt und in die Stellungen gesteckt. Ein Teil reißt aus. – Heldengreifen, eine der ekligsten Beschäftigungen.

26. März 1944

Aufklärungsauftrag: Fahren in nächsten Ort nach Westen (Rucsin), zu Fuß weiter westlich, dann nach Norden an den Dnjestr, 10 km stromauf nachsehen, ob Russe schon herüber, ob Brücke geschlagen, ob Anstalten dazu gemacht.

Planmäßig durchgeführt, anfangs sehr vorsichtig, abseits der Wege, querwald, hügelauf und -ab. Vom Russen noch keine Spur. Bevölkerung sehr gastfreundlich. Hinweg noch ungefrorener Boden, Rückweg Schmiere. Schlechtes Laufen. Muskelkater. Schließlich aber nahrhaftes Ergebnis.

Nun sind 4 Generale im Ort! Wenn das man nicht schiefgeht. Man hört, der Russe steht vor Czernowitz. Da komm ich also kaum noch in meinen Geburtsort.

Capileuca, 27. März 1944

Winter. Es friert durch alle Knochen, als bekämen wir heuer wie­der einen frühen Winter. Meine Werferkampfgruppe macht Küchendienst zur Versorgung von 5000 Mann des “festen Punktes Hotin”. Ich soll eine neue Eingreif­gruppe infanteristischer Art aufstellen. Wie ich beginnen will, muss ich zu Grothe. 50 Minuten später rolle ich schon mit ihr in den Einsatz: Zwei MG, zwei 2-cm-Flak, 15 Mann von mir und 60 von den gegriffenen Helden, dazu Lück und Hager. Im Dämmern Erkundung einer Stellung nach Osten, Zusammenarbeit mit einem Marschbataillon alter Knacker unter verkalkten, ahnungslosen Offizieren. Russe ist schon 10 km ostwärts von uns. Wenig Schlaf und heftige Zahn­schmerzen.

Capileuca, 28. März 1944

Von Röhr, dem Abschnittsführer, werde ich geweckt. Das ist erfreu­lich, denn die Vorgesetzten hier waren bisher biedere Herren, aber Weihnachtsmänner. Wir machen Helden- und Waffenklau, bewaffnen die bisher gewehrlosen alten Knacker vom Marschbataillon und errichten eine Linie vom Dnjestr 5 km nach Süden. Die Lücks’sche Aufklärung ergibt Peina im nächsten Ort. Es friert Stein und Bein und schneit. Der Boden ist fest, und die Pfützen haben dickes Eis. Meine Kampfgruppe hat 4 Züge, drei MGs und zwei 2-cm-Flak und 160 Mann. 60 geklaute Helden und 60 Weihnachtsmänner, die noch keinen scharfen Schuss gehört haben. Die Nacht ist kritisch. Höchste Alarmbereitschaft, die Hälfte der Besatzung ist in den Stellungen.

Capileuca, 29. März 1944

Ungestörter Schlaf, herrlicher Tag. Fahre durch den Abschnitt, verbessere die Stellungen, bringe den Beutenwein. Dabei treffe ich Röhr, fahre mit ihm weiter, nach links, da sehen wir 15 Sturmge­schütze aus Osten kommen, eigene. Die mussten bis hierher auch erst jedes Dorf freikämpfen. Bück kommt mit dem Panzerspähwagen zurück und bringt den Ord. Offz. der 75. J.B. mit. Die sitzen im nächsten Ort und haben dort den Iwan, ein Regiment, hinausgeschmissen. Damit wird die Lage etwas günstiger. Die große Lage ist ungünstig genug. Die Heeresgruppe Süd befindet sich in einer noch nicht dagewesenen Auflösung. Der Russe hat den Pruth überschritten und sitzt tief in Alt-Rumänien. Damit ist der Weg nach Südwesten versperrt. Er sitzt auch beiderseits Czernowitz, damit können wir auch nicht nach Westen. Nach Norden und Nordwesten können wir sowieso schon lange nicht. Fazit: Wir befinden uns in einem riesigen Kessel, der wohl die ganze 1. Armee beherbergt.

Rusca, 30. März 1944

Offenbar gefallen unsere wirklich schönen Stellungen der 75. I.D., denn sie zieht ein, und wir wandern hierher. Großes Dorf, recht freundliche Leute. Jeder, der sich bemüht, hat im Nu 100 Eier zusammen. Die Stellungen, Sicherung nach Westen, für Hotin, sind ungünstig. Vorderhangstellung mit parallel verlaufendem Talgrund, der im toten Winkel ist und nur aus 1500 m flankiert werden kann. Dort stehen drei 2-cm-Flak. Arbeit am Ausbau der Stellung. Mittags plagt mich mein Zahn so, dass ich mich bei Röhr nach Hotin abmelde. Hauptverbandsplatz hat drei Zahnärzte, aber keiner hat Gerät. Mit dem einen gehe ich zum Truppenarzt. Alles ist da, nur der Zahnsatz nicht. Wir fahren in das geräumte russische, bzw. rumänische Krankenhaus. Das wird von uns als den W.W.2. durchstöbert. Dort finden wir ein paar Zangen. Eine Stunde später ist der Zahn raus.

Abends gibt’s auf meinem Hof große Kete, anschließend Abendbrot. Einladung bei Röhr. Nette Unterhaltung.

Ruda, 31. März 1944

Ganz früh herausgezogen nach Hotin. Dort wirbelt es. Die meisten Herren sind besoffen. Kleine Weltuntergangsstimmung. Trümmer verschiedenster Divisionen, Korps usw. treten an und schlagen sich nach Westen durch. Wir mit. Die Verpflegungslager werden geräumt, unnötige Fahrzeuge und Werfer, bisher mit Mühe mitgeschleppt, werden gesprengt. Wir werden in Bataillon und Kompanie eingeteilt. Ich führe die 4. Kompanie, Seidel, der ewige Spieß, das Bataillon. Großentrümpelung. Viele vertraute Gegenstände sehe ich brennen. In einem Zimmer sitzen die Zahlmeister und dürsten. Sie essen Käsescheiben mit Butter bestrichen. Trinken Sekt. Plöger ist zu faul zum Flaschenöffnen. Er schießt ihnen mit der Pistole den Hals ab. 13:30 Uhr Abmarsch über den Dnjestr, dann nach Nordosten. Viel, viel unterwegs. Am nördlichen Dnjestr-Ufer stehen tausende Panjetfahrzeuge verlassen da. Stahlhelme, Munition, Sanitätsgerät und unsagbar viel anderes Zeug liegt verkommen herum. Straßen sind im Ganzen trocken. Es läuft sich gut. In Ruda sind die Leute ganz nett. Guter Schlaf. Gas sprengt in Hotin Tag und Nacht.

Michalowka, 1. April 1944

9:30 Uhr Abmarsch. Gestern Abend hat es zu schneien begonnen. Es schneit noch immer. Es weht ganz schön, friert nicht stark. Durch frisch zerschossene Dörfer, an frischen Gräbern vorbei, zwischen toten Russen hindurch und abgeschossenen russischen Panzern stapfen wir unseren Weg mühsam durch den Dreck. 25 km. Zwei Kilometer vor dem Ziel holen wir Fußgänger den berittenen Quartiermacher ein. Tolle Sache. Die Gruppen kommen ganz gut unter. Ich hab das schlechteste Quartier. Kleiner Raum mit 5 Polen, dazu wir drei. Die Leute brechen sich etwas ab in Freundlichkeit. Wir haben nichts zu essen, nichts zu waschen. Die Fahrzeuge kommen nicht heran. So werden wir gut bewirtet. Speck mit Eiern, Tee; unsere Socken werden gewaschen usw. Hübsches Polenmädchen da mit entzückender 12-jähriger Schwester. Dieser lasse ich durch Dolmetscher sagen, sie hätte schöne Zähne. Jedes Mal, wenn sie lachte, hielt sie daraufhin die Hand vor den Mund. Dann stellte ich schöne Augen fest, Reaktion prompt ebenso.

Korolowka, 2. April 1944

5 Uhr Abmarsch. Schneesturm. Kälte, schwere Verwehungen wie kaum im Winter. Harter Wind aus Nord. Sehr mühsam stapfen wir nach Mjelnice. Kurze Rast. Iwanje Puste, kurze Rast. Germakowka, stundenlang Gegenwind, wenig im Magen, ich kann nicht mehr. Außerdem knüllen sich die Strümpfe im Stiefel. Ich lasse weiterlaufen und ziehe in einem Haus die Stiefel aus. Der Herr des Hauses bewirtet mich mit Speckeiern. Das gibt Kraft. Im nächsten Ort rastet die Kompanie. Dort hole ich sie ein, wir warten noch, denn im nächsten Ort wird noch gekämpft. Krzywcse. Alles ist hundemüde. Noch 10 km. Eisiger Sturm hält an. Noch ein Dorf. Auf dem Wege dorthin 10–15 frisch tote Russen, von Kosaken erschlagen. Grässlich. Dann noch ein Dorf, und dann noch 3 km, die schlimmsten, tiefer Schnee, Sturm wird noch heftiger, ganz, ganz mühsam, langsam, Schritt für Schritt gegen den Wind treffen wir bei einbrechender Dunkelheit ein. Schnelle Quartiermache, und dann hebt ein großes Einheizen, Trocknen und Pflegen an. - Gef.std. bei Polen. Netter, blonder Mann, nettes blondes Frauchen mit Schminkelippen. Die geben ihr Letztes. Selbst ihre Betten.

3. April 1944

Seidel noch immer nicht da. Wir können uns nur aus dem Bande ernähren. Tut mir leid, muss sein. – Lageinformation bei Hauptmann Bödicker, Bi. Bewirtet mich mit Schinken. In dieser Situation sehr willkommen. Entschließe mich mit Müller zu bleiben und zu warten. Mittag ein Hühnchen im Topf. Dann gabelt uns Ia 18. A.D. auf. Befehl, sofort nach Suriampol, 3 km. Noch immer Sturm aus Nord, aber warme Sonne.

Suriampol, 3. April 1944

Nun haben wir unsere schönen Quartiere verlassen, liefen 4 km durch den Schnee hierher und müssen uns in überbelegte Häuser quetschen. Ich schlafe mit 22 Mann in einem kleinen Raum. – Wir haben alle keine Becken, keine Verpflegung, kein gar nichts. Alles ist auf dem Banje-Fahrzeug, und das ist noch immer nicht da. Die drei MGs sind auch drauf. Das setzt noch einen Anschiss.

4. April 1944

Am frühen Morgen ab, 10 km hierher. Kalter Gegenwind, Schnee, Verwehungen, aber herrliche Sonne. Wir laufen über eine endlos scheinende Ebene. In einer flachen Mulde liegt das Dorf, dahinter ein Wald, darin der Russe. Dort schießt es auch: Panzer-, MG-, Schützenfeuer. Das Dorf ist frei. Ich sorge sofort für Quartiere. Müller bummelt wieder und will nach Stunden von meinen 5 Häusern noch eines, weil die anderen indessen belegt sind. Da langt’s mir, und ich sage nein. Immer dasselbe mit ihm. Problem über Problem hat er dort, wo es gar keine gibt. Zur Erbauung liest er in der Bibel. Er raucht nicht, trinkt nicht, Sekt nur, wenn er alkoholfrei ist. Wir sichern ihm es zu, so trinkt er auch das Beste, was Frankreichs Boden bringt, “Veuve Clicquot”. Humor hat er keinen. Witze versteht er weder, noch macht er welche. Er ist muffig, aber sonst nett. Er ist Berner und hat’s bei Rank verschissen wie ich.

Quartier “Karosch”. Beleben einen guten Tag, da endlich wieder mal die Fahrzeuge auftauchen. – v. Kluge wundert sich Grothe gegenüber. Grothe saust Rank an, Rank Seidel, Seidel wundert sich mir gegenüber, weil wir keine MGs haben. Da ist’s!

Für morgen ist uns ein Marsch von 45 km angesagt. Er soll uns die Freiheit wiedergeben. Wir sind noch immer im Kessel. Bis jetzt ließ sich’s aber an.

Tjurte Miarte, 5. April 1944

Hat sich was mit der Freiheit. Die ganze Nacht sicherten wir die Rollbahn gegen den Russenwald. Von 21 bis 5 Uhr. Langweilig, kalt und strapaziös, sause die ganze Nacht die 2000 m lange Stellung auf und ab, gliedere die Truppen um, je nach Lage und Notwendigkeit. 1 Uhr Gefechtsberührung am linken Flügel mit einem Spähtrupp, der an die Rollbahn will. Kurzes, heftiges Geschieße, und er geht wieder. Dennoch abermals Umbau der Stellung, die ja gar keine ist. Löcher oder so etwas gibt’s nicht. Die Leute liegen im Schnee oder stehen im Gelände herum. 5 Uhr sollen wir lösen. Ich kann es aber nicht, weil noch 30 LKW passieren wollen, Verwundete. Wie ein Wunder, Iwan schießt nicht. Offenbar ist er schwach und will es nicht zeigen.

17 km Marsch. Beginnender Frühling. Todmüde. Arg zerschossenes Nest, wenig Zivilisten. An den meisten Häusern der Zivilisten der Zionsstern. Mäßige Quartiere, freundliche Beute. Polen. Ohne Andeutung fragen sie, ob ich ein Huhn will. Ich will gerne eines. Sie bewirten uns gut. Schwerer Schlaf am Nachmittag. Liege mit Kompanie in Reserve, stelle nur drei Doppelposten.

Bauen wiedermal Radio auf. Bei schönster Musik Alarm. Iwan steht 4 km nördlich mit T-34, Infanterie, Pak und Granatwerfern.

Capowce, 6. April 1944

Aus dem Alarm gestern wurde gottlob nicht viel. Nur eine wiederholt gestörte Nachtruhe bei mir. Die Leute mussten sich nur anziehen und konnten weiterschlafen. Schließlich war ich erstaunt, als ich aufwachte und es 6 Uhr war und kein Einsatz stattgefunden hatte.

Mittag Abmarsch. 10 km hierher. Laues, feuchtes Wetter, wenig Sonne, viel Dreck und Matsch.

Ortssicherung nach Süden. Schöne Stellung. Im Südwesten steht Iwan mit Panzern und Infanterie und sperrt dann und wann die Rollbahn.

Auflebende Flugtätigkeit. – Ich habe nun schon rund 14 Tage von Rank keinen Anschiss bekommen. Da braut sich was zusammen.

Die Brigade hat Wagner und Wieselhuber zum Ritterkreuz eingereicht für einen Angriff über den Dnjestr nordöstlich von Hotin. Wieselhuber knackte dabei einen Panzer und wurde verwundet.

7. April 1944

Um Mitternacht Aufbruch. Brücke über den „Fluss“ natürlich zerstört. Paar Bretter und Balken hineingelegt, so schaukelt man hinüber. Ein Balken ist abgerundet, ich trete drauf, er kippt, und ich stehe bis zur Wade im Wasser, mit Schnürschuhen und Wickelgamaschen, die sich sonst gut bewähren. Kalter Wind macht sich auf. Ums Morgengrauen friert es Stein und Bein. Sehr unangenehm, wenn das Wasser im Schuh quatscht. Auftrag: Aufklärung, ob die Orte Snikrody und Beremcany feindfrei sind. Wenn nicht, sind sie zu nehmen. Aufklärung ergibt: B. noch frei, S. 150 Russen, also Angriff. Plan Keller, Durchführung Seidel, der Bataillonsführer. Meine Kompanie linker Flügel, entwickelt, große Schwenkung und hinein. Im Ort kein Russe zu sehen. Es klappt nicht alles so, wie es soll. Die Bevölkerung alarmiert die Russen, diese gehen stiften. – Quartiere beziehen, kleiner Nachmittagsschlaf der Leute. Ich erkunde mit den Unteroffizieren die Abwehrstellung, teils recht ungünstig. – Häuser sauber, in fast jedem ein Webstuhl, gewisse Wohlhabenheit, viel Federvieh, gut gepflegte Kühe und gute Pferde. Gefechtsstand schönes Haus mit Blechdach. Reizende alte Leute. Kinderlos und wohlhabend. Es schmort und brutzelt, da wir uns aus dem Lande ernähren müssen.

8. April 1944

Ausbau der Stellung. Mittags plötzlich Granatwerferfeuer auf die schanzenden Gruppen. So werden wir also nur noch bei Nacht arbeiten können. – Taktische Lage ungünstig. Iwan liegt jenseits der Strupa, die hier in den Dnjestr mündet, höher als wir und guckt uns in sämtliche Töpfe. – Wetter sonnig. Lage im Ganzen ruhig.

9. April 1944

Nacht über geschanzt. Am Morgen kommt General Prinner und besieht meine Stellungen. Gemütlicher Herr, scheint zufrieden, ist nur entsetzt, dass ich nur 1 MG habe auf 1½ km Frontbreite.

Ostersonntag. Sonne! Leichtes Geschieße der schweren Waffen. Eine Eingeborene leicht verwundet, sonst passiert nichts.

Am Nachmittag kommen zwei Leute von meiner 7. Ich möchte ihnen um den Hals fallen, sie haben zwei MGs mit. Das gibt Alarm. Bedeutet erhebliche Verstärkung meiner Stellung. Großreinigen der Dinger und der Munition. Lt. Derwald ging mit 5 Mann auf Spähtrupp. Klappte schlecht. Gegen Abend kommt ein Mann zurück. Geriet in Hinterhalt. Ein Obwm. verwundet, offenbar in Feindeshand gefallen. Dann kommt noch ein Mann dahergeschleppt. Bauchschuss. Von den anderen fehlt noch jede Spur.

Um Mitternacht besuche ich Stellungsbau. Zwei Unteroffiziere schlafen mit ihren Gruppen, großer Krach.

Wenn ich die Wäsche so oft wechseln könnte, wie die VB’s der Artillerie bei mir wechseln, wäre das schön! Die wechseln jeden Tag. Das Hemd habe ich schon drei, die Unterhose “erst” acht Wochen an.

10. April 1944

Kräftiger Schlaf. Laues Wetter. Mittags Gang durch die Stellungen, Besuch bei VB’s, bei Infanterie, beim Bataillon. Nachmittag gibt’s Nachschub an Munition, Schokolade, noch ein MG 42, bestens, habe jetzt 4. Beim Iwan nimmt der Verkehr zu. Leichtes Beschießen. Die Jäger wollen in der Nacht angreifen. Hoffentlich wird’s gut. Von Dewald keine Spur. Vermisst.

Deliby, 11. April 1944

Um Mitternacht Alarm. Auf den Betriebsanhangmarsch die 6 km hierher. Während der Nacht hatten die Jäger angegriffen und am Morgen Sokolce genommen. Von hier aus wurde auch angegriffen. Es lief alles offenbar ganz gut. Nur müssen wir vorhalten, bis die Brücke fertig ist. Die Zeit nützen wir mit Schlaf, dem nötigen. Die Leute haben die letzten Tage nur wenig geschlafen und die Nächte gebuddelt.

Scianki, 12. April 1944

Am frühen Nachmittag ging’s gestern wieder los. Man bekommt Karpathen-Ahnungen: Berge, Täler, Wälder, Serpentinen, Bachläufe, noch einiger Schnee. Vor der Brücke halt. Noch nicht fertig. Divisionsstab 101 wartet auch da. Der General macht glänzenden Eindruck: jung, frisch, elastisch, unverbraucht. Auch dem “Ja und vielen anderen Offizieren” sieht man die Jäger-Elite an. Sobald die Brücke fertig, rollt es auch schon und marschiert. Wir auch. Schließlich unser Auftrag: Wald durchkämmen. Waldgefecht ist unsympathisch. Ich wiederhole meine üblichen Gefechtsprinzipien, damit die Leute keinen Unfug machen: zügiges, energisches Vorgehen, strenger Zusammenhalt in den Gruppen; wenn Widerstand, viel schießen und doch sparen; der Feind, der sich ergibt, ist auf jeden Fall zu schonen und anständig zu behandeln. Er wird entwaffnet, Eigensachen bleiben ihm. Ich bringe jeden vors Kriegsgericht, der einen Gefangenen nicht schont, auch wenn der Russe anders verfährt.

Im Wald finden wir viele Löcher, aber keine Russen mehr. Im Abenddämmern am Ziel. Sicherung. Die halbe Kompanie muss draußen sein. Dazu beginnt es zu regnen. Leute hundemüde und nichts im Bauch. Den Herrn, der die Sicherung befohlen hat, möchte ich kennen. Links der Straße tummeln sich Teile von drei Bataillonen, rechts ist kein Anschluss. Unterkunft eng.

Morgengrauen Abmarsch. Berge und Hügel, Wälder und Dreck. Es rieselt noch. Ein Wald ist zu durchkämmen. Gleich zu Beginn ein MG. Sichergestellt und zwei Mann, Versprengte, gefangen. Ubier, 2½ km tiefer Buschwald. Aber nichts los. Rast in einem kleinen Flecken. Kosaken sind auch da. Einige machen vorzüglichen Eindruck, schneidig und verwegen. Aus einigen Gesichtern spricht noch der Adel der alten russischen Krieger.

Neues Antreten. Seidels Nervosität und taktisches Unvermögen werden immer auffallender. Hillebrand sagt schon nichts mehr, ich menge mich auch nicht mehr ein. Der Flachkopf, Spieß am Passion, nimmt leicht Caesarenallüren an. – Neues Walddurchkämmen. Plötzlich links beim Btl. Röhr wildes Geschieße. Kurz darauf geht’s bei uns los. Mit den M.P.s beginnt’s, Gewehrfeuer, und dann sprechen die MGs. Ruhmreich ist es nicht, aber im Wald kann man nie wissen. Ergebnis: drei Gefangene, dann ein blendend aussehender Hauptmann, verwundet. Von der anderen Seite bringen Kosaken noch etliche, dabei ein Mädchen, HPO-blond, hübsch, gegurtet, sehr nervös, adrett bekleidet. Alle haben offensichtlich Angst, sind aber bald beruhigt. Dem verwundeten Hauptmann biete ich eine Zigarette, er nimmt sie. – Der Verwundete aufs Stroh in Panje-Wagen, und man setzt sich in Bewegung.

Sicherung im Nordteil des Ortes. Quartiere mäßig. Posten bezogen. Nun Fußpflege. Hoffen endlich auf eine erträgliche Wacht.

Ortra, 13. April 1944

Gestern noch, kaum eingerichtet, Stellungswechsel nach des Ortes Südteil. Bessere, ja, gute Quartiere. 800 m breiter Abschnitt HKL-mäßig auszubauen. Anweisung im Stockdunkeln, MGs in Stellung, Posten, Bauposten vor an den Steilhang zum Dnjestr, um Mitternacht ins Bett.

Und im Morgengrauen geht’s auch schon wieder los. Rd. 20 km Marsch nach hier. Herrliches Wetter. Wir queren starke russische Stellungen. Viele Tote liegen herum. – In Koropice zieht das Regiment unter, nettes Dorf in weitem Tal.

Ortra liegt nicht am Dnjestr. Flaches Ufer. Beim Iwan ist das Ufer steil und hoch. Also guckt er uns in den Topf. Scharfschützen sind da. Also Vorsicht. Stellungen baue ich keine. Sind vorerst nicht nötig, außerdem zieht das nur das Feuer auf uns. – Gegen Abend schießt er nur mit Stalin-Orgel ins Bett, passiert nichts.

Bewegliche Nachtsicherung, bei Tage nur Beobachtung. Unmittelbar drüben nicht viel los, aber weiter weg heftiger Gefechtslärm. Da scheinen die Unseren von Stanislau herzukommen.

14. April 1944

Herrlicher Schlaf. – In der Nacht wollte ein Btl. übersetzen, um dem Russen in die Flanke zu brummen. Unternehmen missglückt, die Strömung ist zu stark, die Schlauchboote werden abgetrieben, kentern z.T.

Tagverlauf im Ganzen ruhig. Wenig Feuer schwerer Waffen, bis jetzt. Berichte über Bewegungen drüben.

Am Nachmittag Besuch von Seidel. Rang war schlechter Bau, es muss auf jeden Fall gebuddelt werden. Sicherung neu geordnet.

Abends Nachricht, dass der Russe im linken Nachbarabschnitt, bei Bohr, über den Dnjestr gelandet ist. Also Verstärkungen der Sicherungen. Die sonnige Zeit, da uns nur Scharfschützen behinderten, ist also vorbei.

Koropice, 15. April 1944

Unruhige Nacht. Fünfmal stündlich Frage, Antwort, Meldung, Befehl. Maßnahmen. Vieles schwierig durch die unklaren Befehle, die von Seidel kommen. Seinem Adjutanten sträuben sich auch die Haare.

Bataillon Bierbaum ist in dieser Nacht endlich übergesetzt worden. In seinen Abschnitt kommt Btl. Röhr, dessen Abschnitt ich mit meiner Kompanie übernehmen soll. – Gruppen- und zugweise Lösung und Verlegung nach hier. Am Ende komme ich; Heinz war zur Übernahme von Abschnitt und Quartier vorausgeschickt. Die Herren sind bequem. Röhr läuft im Tag 25-mal auf den Abort, und ihn interessiert nur dieser Zustand. Die Kp.-Führer sind junge Leutnants, die zu stolz sind, mit einem Wm. im Gelände herumzustiefeln. Weisheit letzter Schluss ist: Ich muss endlich selbst mir die Sache ansehen und lege meine Stellung, wie ich will. - Landschaft reiz­voll. Das feindliche Ufer greifbar nahe, 150 m höchstens. Es müsste schön sein im Frieden hier auf einem Urlaub. - Von Röhr Gefechtsstand übernommen. Sauer; nette Leute. Nachmittag beim Regiment, Anschiss, warum Abschnitt so spät übernommen. Abends noch Schnellverlegung einer Gruppe auf Gefechtsposten.

16. April 1944

Die Russen feiern Ostern. Iwan schießt mächtig mit Stalin-Orgel in der Gegend herum. - Eine neue Division ist da, in Kroatien aufgestellt, zwei Tage in Ungarn, dann hierher. Junge, junge Leutchen, Jahrgang 26. Eine Freude, wieder voll ausgerüstete Kompanien und Batterien zu sehen.

Besuch bei Friede und Plöger. Die leben wie Gott in Frankreich, bieten beste Schokolade und Schnaps an. Friede hat seit Hotin eine Russin bei sich. Flüchtling, weil sie bei deutschen Dienststellen gearbeitet hat. Ostisch-hübsch, angenehm, volle Formen. Die beiden führen Redensarten vor; ich bin nicht prüde, aber mir ist’s zu viel.

Gang durch die Stellungen. Ein Wetter zum Sündigen und Sehnsucht kriegen.

Besprechung mit den Unteroffizieren. Bringe ihnen ihre vornehmsten Pflichten und Eigenschaften in Erinnerung: Fähigkeit und Pflicht zu selbständigem Handeln, Freiheit von der Meinung und Stimmung der Masse.

Mein Quartier ist bestens. Früh gab’s Schwarz- und Kuchenbrot, so nenne ich es, mit Butter und Schinken. Mittag Brot mit gesalzenem Hühnerfleisch. Eigenartiger, aber verständlicherweise nur für mich, nicht aber für meine Gefechtsstandsleute, fünf an der Zahl. Aber sie hungern auch nicht.

17. April 1944

Gutwetter, warm, Frühlingswind. Am Mittag Gang durch die Stellungen. Am rechten Flügel, 1 m von seinem MG, liegt der MG-Schütze und beobachtet, - sich selbst von innen. Er hört mich nicht, als ich herankomme, nicht, als ich ins Loch steige. Nun schieße ich mit seinem MG einen Stoß. Auch da ist er noch nicht wach, sondern erhebt sich erst eine Minute später. Der Gruppenführer wurde auch erst durch den Feuerstoß geweckt. Da wirbelt’s natürlich! Am Nachmittag ist der Uffz. abgelöst und tut Schützendienst. Besser für Ruding. Aber machte schon zu viel Mist. Exempel! - Reststellung in Ordnung. Nachmittag Umbau der Kompanie, Stückeausgleich der Gruppen, zwei Mann ins Lazarett, drei auf Urlaub, die Glücklichen.

Starker Einsatz der Stukas. Auch die Russen kommen wieder auf. Die Zivilisten bewegen sich den ganzen Tag zwischen Haus und Keller. Iwan schießt mit Granatwerfern ins Dorf. - Eigener Angriff um unsere Dnjestr-Schleife geht anscheinend gut vorwärts. Russe soll im Sack sitzen. Daher erwartet man Verzweiflungsaktionen. Höchste Wachsamkeit für die Nacht. Am Abend nochmal in den Stellungen, Anordnungen für die Nacht, alles ist draußen. Gruppe Müller auf Gefechtsvorposten. So sollte nicht viel passieren können.

Heute sollte Ochsner kommen. Nun erst übermorgen. Offenbar antichambriert er bei Armee und Chor um unsere Herauslösung. Hoffentlich hat er Erfolg, denn als Infanteristen würden wir nicht so leicht so viel nützen wie als Werferbatterien.

Wie nicht anders zu erwarten, ist v. Manstein abgesägt, und Model hat die Heeresgruppe übernommen. In seinem Aufruf spricht er von baldigen „guten Stellungen, hinter deren Schild das blitzende Schwert der Vergeltung weiter geschliffen wird.“

Ostw. Wozilow, 20. April 1944

Bestehende Ablösung durch ein Würfelbataillon aus 3 Werkstattkompanien, lauter Spezialisten, deren Einsatz in vorderster Linie seit langem verboten ist.

Dann Marsch in brennender Frühlingssonne. Koropice, großer Logen um den Dnjestr, da Uferstraße unter Beschuss, Szianka, querbeet und querschlucht Snowidow, alles voll, werden nicht gebraucht, ziemlich zerschlissen weiter, Potok-Hutes und nach Koscielniki. Hier sollen wir bleiben, schön. Nach zwei Stunden Pflege Marschbefehl, sofort nach Vorwerk Wozilow, paarmal umgeschmissen, schließlich wird’s klar: Stellung in der Landenge einer Dnjestr-Schleife (bei Luka). Ich löse zwei Kompanien im Laufe der Nacht ab, Iwan liegt 100 m vor der Stellung. Dichter Busch. Lochstellung, wenig schlechte Bunker, keine Mäntel, keine Decken, ich keinen Pullover. So wird die Nacht recht kalt. Wir frieren wie die Schneider. Auf meine Stellung ist der Russe bestens eingeschossen, ebenso auf den Gefechtsstand. Er kennt die Gegend genau. Sie gehörte ja mal ihm. AA 101 hatte sie ihm genommen. Sie meint, im Laufe der Nacht zöge er alleine ab, da ihm unten der Rückweg abgeschnitten zu werden droht. Wir merken die Nacht über rein gar nichts davon. Nur nervöses Geschieße. Feuerüberfälle mit schweren Granatwerfern und Pak. Und irrsinniges Geknalle aller Infanteriewaffen, wenn bei uns einer auf einen Zweig tritt oder ein lautes Wort sagt. Viel MP, Gewehre nur mit der ekelhaften Explosivmunition.

Tagsüber im Ganzen ruhig. Nur dann und wann schießt er ohne ersichtlichen Grund wie dumm. Gute Verpflegung mit Drops und Schokolade kommt heran. Himmel bedeckt. Witterung kühl.

Ab 17 Uhr greift er in Stoßtrupps an, tastet an der ganzen Linie ab, wird überall abgeschmiert, emsiger Verschuss, MG 42 rast. Laufender Munitionsnachschub aus „meiner Basis“ ist nötig und klappt dank Gefr. Woiziks schnellem Einsatz. Ich reiche ihn zum EK ein.

Iwan hat sich also noch nicht abgesetzt, sondern im Gegenteil verstärkt. Während gestern noch kein MG da war, schoss gegen Abend schon eines. Und seine Stoßtrupptätigkeit zeugt von Aktivität. Dennoch bin ich überzeugt, dass er eines Tages verschwunden sein wird. Er macht sich hier nur stark, um sich rückwärts ungestört absetzen zu können.

Vorwerk Wozilow, 21. April 1944

Der feindliche Druck lässt die ganze Nacht nicht nach. Es knallt dauernd, mal anschwellend, dass man glaubt, er macht Großangriff, mal nachlassend bis zu 10 Min. Stille. Um 4 Uhr plötzlich Ablösung da, Kompanie Lauth. Das kommt mir zu plötzlich, um erfreulich zu sein, zudem hörte ich etwas läuten.

Richtig: Befehl der Division, ich soll mit einem kampfstarken Spähtrupp aufklären. Die Stärke der russischen Stellung und die Tiefe des Systems. Artillerie steht mir zur Verfügung, Schramm lenkt aus der Flanke durch einen Scheinangriff ab.

Ich schimpfe. Die Herren geben am grünen Tisch Befehle nach der Karte, wissen alles besser, schließen zu intensiv aus der größeren auf die kleine taktische Lage, welche in meinem Abschnitt ich allein am besten beurteilen kann. Unbelehrbar wie die Herren sind, mache ich eben meinen Plan, ziehe mit zwei Gruppen, 3 MGs, 26 Mann wieder in die Stellung. Schwache Artillerievorbereitung aus zwei Rohren, 10.25 Uhr gebe ich Schramm Leuchtsignal, daß ich antrete. Kaum ist die Kugel hoch, schlägt uns derartiges Abwehrfeuer entgegen, daß wir aus den Löchern der vordersten Linie gar nicht herauskommen. Änderung des Planes: Gruppe Müller greift zuerst rechts ausholend an, um die Waffenmassierung auf der Höhe am linken Flügel auszuschalten. Gruppe Paul soll später antreten. Artillerievorbereitung. Russische Granatwerfer setzen ein. Müller tritt an. Nach wenigen Minuten wieder rasende Abwehr. Er kommt bis auf 30 m heran. Der Einbruch müsste glücken, verspricht aber zu hohe Ausfälle für ein Aufklärungsunternehmen. Die Stücke der feindlichen Abwehr und Stellung erkennend, breche ich ab, setze Gruppe Paul ab, ziehe Müller zurück, gebe Schramm entsprechendes Leuchtsignal. Darauf wieder rasendes Feuer und Pak-Überfall. Gesamtergebnis: Feind hat auf 150 m Breite Buschwald 4 MGs, dicht besetzte Linie, viele MP, Gewehrschützen mit ausschließlich Explosivmunition. – Meldung und Bericht. Dankend angenommen. Bei mir 8 Verwundete, vier schwer. Lazarett. – v. Cahr fragt mir mehrere Löcher in den Bauch, sein Regiment soll in diesen Abschnitt. Er will nachhaltig ausbauen, denn die Führung ist der Ansicht, daß ein Angriff wenig Aussicht auf Erfolg hat. Und ich sollte mit 20 Mann die Linie durchstoßen und auf zwei Kilometer Tiefe aufklären, unter Vermeidung von Verlusten, wie sie dann so schön sagen, um Fürsorge für die Truppe vorzutäuschen.

Kompanie ist abgerückt in Ruhe nach Koscielniki. Ich muß v. Cahr noch persönlich in die Stellung einweisen.

Schramms Unternehmen vollzog sich erst verlustlos, beim Rückmarsch Reihe zu dicht, Granatwerfer-Laufkrepierer: 4 Tote, 5 Schwer-, 7 Leichtverwundete.

Koscielniki, 23. April 1944.

Der zweite Tag Ruhe. Nachdem man sich schon so oft blamiert hat, spricht jetzt niemand mehr vom “Wann” der “Zauberflöte”, wie der Deckname der Auffrischung heißt.

Ruhiger Sonntag. MG-Ausbildung, MG-Schützen sind Mangelartikel und sehr exponiert, daher starker Verschleiß. Instandsetzung der MG-Munition. Die Gurte leiden sehr im Einsatz unter dem Dreck und wollen gepflegt sein.

Schramm bringt Nachricht, daß zwei meiner Schwerverwundeten ihren Verletzungen erlegen sind. So forderte das irrsinnige Unternehmen 6 Tote. Und seit gestern ist die Schleife leer.

Mal ein Tag ohne Aufregung zu Ende. Auch mein steifes Genick hat sich dabei gebessert. Jetzt warte ich schon wieder auf den nächsten Alarm.

Dnjesterschleife, 24. April 1944.

Der Tag läßt sich gut an. Wir bauen in Ruhe aber mit Druck eine Sehnenstellung. Mittags gibt’s 6 Apfelsinen, Drops, Zigaretten und andere schöne Sachen. Es ist ein Fest. Es gibt aber auch Alarm. 15 Uhr Abmarsch in den letzten Einsatzraum, von dem wir eigentlich endgültig Abschied genommen haben wollten. Ich bekomme wieder den blödesten Abschnitt, Sicherung des Dnjester in Uniz, einem tiefliegenden Dorf, das jenseits 150 m überhöht wird. Man kann nur bei voller Dunkelheit rein und ganz leise. Iwan schießt auf jedes Geräusch. Am Fluß ist er mit seinen Sicherungen nur 50 m entfernt. Im Morgengrauen muß wieder gelöst werden. Eine Gruppe bleibt mit einem VB der Artillerie unten. Sie steckt den ganzen Tag in einem Haus, kein Schwanz darf sich sehen lassen, sonst ist der Teufel los. – Es knattert die ganze Nacht. Das Haus ist eine Sauna. Alles dicht, im Herd brennt das Feuer, 6-köpfige Familie und 6-8 Soldaten. Kleiner Raum. Furchtbar.

25. April 1944

Sonnentag, warm, linder Wind. Das Volk sitzt im Wald und sonnt sich und knackt Läuse. Um unsere Löcher sind halb verfallene, alte russische aus dem Weltkrieg. Ich sah mir die der Stellung an, die ich vor 4 Tagen anzugreifen hatte. 6 Stellungen hintereinander. Loch an Loch, meistens eingedeckt. Das sollte ich mit 20 Mann 2 km tief durchbrechen. Gruppe Rading im Dorf, ohne Verbindung, da die Leitung zerstört. Sie ist bei Tagen nicht zu flicken. Sonst Ruhe.

26. April 1944

Abends wieder Aufziehen der Wache, nur 4 Gruppen, die beiden anderen schanzen eine Riegelstellung. Seit Mittag regnet es unaufhörlich, eine Schweinerei. Wir warten mit Sehnsucht auf die Ablösung, die will aber nicht kommen.

Nacht stockdunkel, es regnet noch immer. Leute, wie gewöhnlich, die ganze Nacht draußen.

In Uniz im ganzen alles ruhig. VB schießt sich ein auf Fährstelle und verdächtige Häuser.

Schwaches Störfeuer tagsüber, reger Verkehr und Betrieb auf den feindlichen Höhen.

27. April 1944

Es ist kühl, hat aber zu regnen aufgehört. Gottseidank. So können die Löcher langsam abtrocknen. Ein Zug geht tagsüber nach Wozilow, zur Erholung, zum Trocknen und Schlafen.

Den ganzen Tag verdächtige Ruhe, Schießen eines einzelnen, eigenen Werfers in der Gegend herum. Artillerie kleckert auch. Wir spielen einen kleinen Doppelkopf und sonstige Spiele zum Zeitvertreib. Abends wie üblich Aufziehen der Sicherung und der Schanzer, die bis Mitternacht gute Mondlichtsicht haben.

28. April 1944

Die Wacht traditionsgemäß durchgebracht, im Morgengrauen Rückkehr zum Gefechtsstand und dann einen Schlaf bis Mittag. Da beginnt Iwan stärker als gewöhnlich in der Gegend herumzuschießen. Mit Bäk und Granatwerfern.

Hillebrand wurde gestern Oberleutnant. Er ist ein prachtvoller Kerl, voller Ideale, die er auch vertritt, jedem Spott der anderen gegenüber.

Herauslösungsaussichten sollen sich verdichten. Wir erwarten sie von Tag zu Tag. Noch nie war ich so ungeduldig. Ich werde zwei Gefühle nicht los: 1. dass wir noch lange bleiben und 2., dass 5 Minuten vor Ablösung noch eine Schweinerei passiert.

Uniz ist eine hoffnungslose Geschichte. Passiert tags etwas, ist die Gruppe unten verloren. Will Iwan nachts ernsthaft etwas, ist er auch von den vier Gruppen nicht zu halten, da er auf jeden Fall Feuerüberlegenheit hat. Und Gegenstoß? Wenig Aussicht. Dort kann man Regimenter aufreiben lassen. Als zweckmäßig bleibt nur die Riegelstellung. Von einschneidenden Entschlüssen will aber das Regiment wieder nichts wissen.

29. April 1944

Abends gab’s gestern noch gebratenen Fisch, auf Räuberweise mit Handgranaten aus dem Dnjestr geangelt.

Gegen Mittag, ich liege noch auf meiner Bank und hole den Schlaf nach, kommt Meldung, dass der Russe in Uniz übersetzt. 20 Mann, weitere folgen. Also Alarm. Riegelstellung bezogen, Reservezug heran, alles gefechtsbereit. Wie ein Wunder: die Fernsprechleitung nach Uniz hält. Sorge um die unten liegende Gruppe.

Dann kommen Befehle: Gegenstoß, Säuberung, Vernichtung, Gefangennahme. Alles vom grünen Tisch! Nicht bedacht, dass dorthin 2 1/2 km vollkommen eingesehener Weg führen. Dennoch, “mit allen Mitteln” schaltet sich das Korps ein. Also zwei Stoßtrupps, einer von rechts, einer von links. Annäherung durch den Wald, dann über das flache Feld. Links mein Oberwachtmeister Memrisch, rechts Schramms Oberwachtmeister Humm. Wie zu erwarten, bleiben beide vorm Waldrand im Feindfeuer liegen. Bei einbrechender Dunkelheit greifen sie an. Links Memrisch findet keinen Widerstand, rechts Humm wird von Eingeborenen mit “nema” informiert, vergisst Sicherheit, wird aus einem Haus angeschossen und fällt. Ein Unteroffizier fällt verwundet in Gefangenschaft. Die Russen selbst setzen wieder über, Dorf wieder frei. In der Zwischenzeit gehe ich mit drei Gruppen selbst hinüber und leite die “Operationen”. Wird kein Russe mehr angetroffen. Sicherung. Um Mitternacht kommt Rank und ist sehr lahm. Ich leiere ihm eine Schachtel Zigaretten aus dem Kreuz. Befehl: Der Ort muss unter allen Umständen gehalten werden, sonst können wir nicht abgelöst werden, was Ungarn besorgen sollen. Also, die Kompanie baut sich ein und bleibt den Tag über unten.

Uniz, 30. April 1944

Es ist eine Nervenplage. Den ganzen Tag im Stall, kein Schwanz darf sich sehen lassen, während man beim Russen jede Bewegung sieht. Keine Verbindung zu den Gruppen, auf dem Gefechtsstand 20 Mann in einer Stube 3x4, wovon der Ofen ein Viertel einnimmt. Wir zählen die Stunden bis zum Abend, und die Zeit will nicht vergehen. Ab Mittag keine Verbindung zur Außenwelt. Iwan schießt mit Granatwerfern wie verrückt rund um den Gefechtsstand. Hat er uns erkannt? Aber er hört wieder auf. Endlich kommt der Abend. Aber keine Ablösung. Noch keine Verbindung.

Petrylow, 1. Mai 1944

2:30 Uhr kamen endlich die Ungarn, Ablösung im ersten Büchsenlicht. Kitzlig, da Iwan, sehr nervös, wieder auf jeden knackenden Zweig schießt. Die ungarischen Soldaten sind sehr neue Soldaten und hoffnungslos ungeschickt. Wie die ersten Menschen. Der ablösende Zugführer schwitzt sichtbar Blut, als ich ihn einweise. Sein Chef, ein kleiner Leutnant, ist sehr wissbegierig und stöhnt auf meine Ausführungen über Lage, Taktik und Notwendigkeit. “Jeu ischtenem.” Er ist sehr dankbar für jeden Rat und fällt mir beinahe um den Hals. Dann hat er’s sehr eilig, mit mir wegzukommen. Schließlich wird’s höchste Zeit, und ich ziehe mit dem Gefolge los. Die Gruppen gehen halbstündig, so schnell als möglich. Oben, am Gefechtsstand, wird gesammelt und dann los nach Wozilow. Essen, Trinken, wir haben fast einen Tag gehungert und gedurstet, und dann treten wir den Marsch an. Bekannte Wege: Koropice, Fahrzeuge gechartert und mit kleiner Unterbrechung bis hierher gefahren. Auf allen Straßen viel Ungarn, gut ausgerüstet, offensichtlich beim ersten Marsch zur Front. Auch eine Menge eigener Ersatz, wie Model in seinem Aufruf angekündigt.

Wetter sonnig, windig, kalt.

Abends friedliches Essen mit Friede und dann Doppelkopf mit Seidel und Würfel dazu.

Miedzyhorce, 2. Mai 1944

Wolkenlos malend der Himmel, wir marschieren zügig und unter Gesang. Nach 10 km, entlang dem Dnjestr die ersten blühenden Bäume, finden wir den “Anhalter Bahnhof”, chartern zwei BKW und rollen den Rest des Tagesprogrammes, das 32 km umfasste, und sind beinahe mit dem Vorkommando da. So beeilen wir uns denn und fangen an abzugeben an Brigade 6: Volkswagen, 3 Panjefahrzeuge, die Küche – wie schmerzlich – ein MG. So haben wir doch Aussicht, nach Deutschland zu kommen. In diesem Gedanken lebt und webt alles. Ich wohne beim Stabsarzt. Der schleppt seit Hotin eine Russin mit sich. Hübsch, nett, offenbar etwas verstoßen. Erzählt mir ihr Schicksal, das typisch ist: Eltern nach Sibirien, als sie 11 Jahre war, bei fremden Leuten aufgewachsen, studierte Pharmazie, Krieg, half bei Deutschen, nun flieht sie vor den Russen, denn die würden sie erschießen. Küchler erzählt: Lemberg hätten die Russen in letzter Nacht kaputtgeschmissen, so türmen sich langsam die Hindernisse vor unserer Heimfahrt.

Kaliez, 3. Mai 1944

Wundervolles Wetter. Am Morgen letzter Bataillonsappell. Seidel macht es gottlob kurz. Die Heimfahrt wird doch konkret. Wir müssen die Küche abgeben und ein paar *, ein MG und mehrere Panjewagen. Dann brauen wir – der Stabsarzt und ich – uns, d.h. Dallmeyer uns, Rinderbraten mit Klößen, dazwischen kommt das Abrücken. Das Zeug ist noch nicht fertig, so schicke ich denn die Kompanie alleine los und tigere später nach. Noch vor Kaliez habe ich sie wieder, und es geht mit Gesang zum Bahnhof. Verladen langweilig wie stets. Rank eröffnet mir, ich müsste Mitte Mai nach Frankreich zum Kompanieführer-Lehrgang und anschließend nach Celle zum Batterie-Führerlehrgang. Das kotzt mich an. Erstens während der Auffrischung, und zweitens stellt mir dann irgendein junger Schnirps die Batterie auf, lässt sich von den alten Füchsen Weyl, Fedde und Tiedemann bescheißen, und ich kann dann mit dem Schrotthaufen in den Krieg ziehen.

Krakau, 5. Mai 1944

Meine Helga hat Geburtstag. Ich bin viel zu Hause. Die Fahrt ist langweilig. Nicht mal ein Doppelkopf kommt zustande. Dusselige Gespräche und Flämereien. Seidel beweist täglich neu seinen mäßigen Verstand. In Przemysl mitternachts Entlausung mit Röntgen-Reihenuntersuchungen. Anschließend ein Helles, bestens. Rank ist wieder so gut wie blau.

Breslau, 6. Mai 1944

Maria fährt im Nachbarabteil und staunt Bauklötzer über Deutschland. Es ist aber auch schön. Es wird einem ordentlich das Herz weit. Und Schlesien ist schön, wie ich es noch nie gesehen.

Esperde, 7. Mai 1944

Mit Riesenschritten dem Ziele zu: Magdeburg. Starkes Reinigungsbedürfnis. Merschhagen und Hegewald, Seidels Burschen, müssen Wasser holen. Da fährt ihnen der Zug weg. Dort stehen sie mit dem Kanister im Drillichrock ohne Koppel und Ausweis. Braunschweig, die schöne Stadt, arg zerzaust. Hildesheim, nicht viel zu sehen, es regnet. Hameln. Mittagessen beim Roten Kreuz. Emmertal – ausladen. Die Verbände werden auseinanderklabüsert, die Batterien in kleine Häufchen, rücken rasserein ab. Marsch nach hier, komme beim größten Bauern des Dorfes unter. Feiges Abendbrot, nette Frau, Mann im Feld. 26 Kühe im Stall usw. Abends beim Friseur, mit diesem dann auf ein Helles bei Grupe. Viele Evakuierte im Dorf. Hannoveraner.

So viel ich sehe, ordentliche Leute. Von den Trossen ist wider Erwarten nichts da. Wir sind also die letzten am Feuer und die ersten im Quartier, wie sich das gehört. - Batterie zählt im Augenblick 1:5:28. - Abteilung liegt in Börry, dort Hauptmann Tiedemann, seit 10. Februar von der Truppe weg, ein strahlender Ausbund von Gepflegtheit. Kaffee beim Pastor von Börry.

8. Mai 1944

Säuisch kalt. Vormittags brummen die Engländer über den Wolken lange über uns nach Osten. - Leichter Instandsetzungsdienst an Waffen, Kleidung und Mann. - Ich habe Schüttelfrost. Werde doch nicht krank werden. Wo gibt’s denn so was!