Herbst 1942

23. September 1942, 9 Uhr

So ruhig wie diese Nacht ist selten eine. Angesagte Revo­lutionen treten nicht ein. - Überläufer hatten ausgesagt, das Schießen der Stalinorgel sei das Zeichen zum allgemeinen An­griff. Am Spätabend schoss sie, und wir lauerten vergeblich.

Heute ist Herbstanfang, und es weht recht kĂĽhl aus Ost herĂĽber.

Tscherskaja, 24. September 1942

Abends, gegen Mitternacht, war ich in den Stellungen der Infanterie drüben, wo Front aus ostwärtiger Richtung sich entlang dem Terek nach dem Süden richtet. Sehr schöne Stellung. Da wird es den Russen nicht leicht werden, durchzukommen.

Nacht friedvoll und hell, still und klar. Bei hellichtem Tag noch kleiner Morgensegen aufs Dorf.

Die Stille dieser Tage gefällt mir gar nicht. Ich hörte in der Nacht drüben regen Fahrzeugverkehr. Der Russe plant, scheint mir, eine Großaktion. 52 Panzer sind drüben gemeldet. Mögen sie kommen, wir kriegen sie schon.

Puguloff, 19 Uhr. Mittags Befehl zum Abrücken des Stabes nach Edissja. Batterien bleiben. Uns blüht wohl infanteristischer Einsatz. - Abschied von B-Stelle, „meiner“ Batterie, und den neuen Kameraden von den Panzergrenadieren fällt mir schwer.

25. September 1942, 9 Uhr

Das bisher aufregendste Erlebnis hatte ich in dieser Nacht: Tötung von 20 Wanzen auf meinem Lager. Übel. Zum ersten Mal Ungeziefer.

L: 44 Gr.40’ Br:44 Gr.05’ Bogdanowka, 25. September 1942

Buguloff, Edissja, Privolny, Kiroff, Bogdanowka. Hier übernimmt der Kommandeur einen Sicherungsabschnitt gegen den von Osten andrückenden Russen. Wir lösen eine Kompanie des Lehrregiments Brandenburg ab.

Der Abschnitt ist reines Steppenland mit Baumwollfeldern, endlos weit, öde, in den Dörfern fast nur Viehzucht. Er ist etwa 15 km breit und zu halten von: Stab, Stabsbatterie, 9. Batterie und 60 Kosaken. Infanteristisch einsetzbar sind etwa 100 Mann. Fast Nacht für Nacht kommt der Russe aus NO oder aus der ostwärts gelegenen Wüste nach Norden oder zur Sowchose 7. Dann treffen sie sich manchmal mit unserer Aufklärung, worauf es Hauerei gibt.

Bogdanowka ist ein Judendorf reinsten Wassers. Einwohner machen Verräterei. Wird man abschaffen müssen.

L: 44 Gr.40’ Br:44 Gr.06’ Kiroff, den 26. September 1942, 22 Uhr

Umzug hierher, da gibt’s wenigstens Bäume. Mit Rgts. Adj. nach Stepnoje zum SD. - Auf der Fahrt verfranst, rätselhaft. Fast beim Russen gewesen. Auf Sowchose 7 wieder Hauerei zwischen russischen Kosaken und Leuten eines Feldersatzbataillons. Verluste.

Kiroff, den 27. September 1942

Unsere Stellung ist bei der Schwäche der Sicherungstruppen derart, dass wir im Ernst nie halten können. Also höchst problematisch. Gespannt, was das wird.

Auf Entlastung können wir wohl erst nach dem Fall von Stalingrad rechnen. Und dort geht’s doller zu als in Sewastopol.

Aufklärungs- und Propagandafahrt durch den Sicherungsbereich. Abends großes Gänse-Essen. -

Kiroff, 30. September 1942

In jedem Dorf kommen zu unserem Doktor auch die Ortseinwohner, schüchtern, aber voll Vertrauen. Und werden wirklich gut behandelt. - Heute war ein junges, hellblondes Mädchen mit Katzengesicht und Furunkel da. Die wurden ihr ohne Betäubung aufgeschnitten. Sie gab keinen Laut von sich. - Ein junger Mann mit Phlegmone an der Hand, gänzlich verquollen und entzündet, jammerte wehleidig herum. - Überall fällt die Zähigkeit der Leute auf. Verletzungen, die einen Menschen bei uns töten, tragen sie auf eigenen Beinen, fast unberührt, im Gelände herum. In Ischesskaja kam ein russischer Soldat aus dem Vorfeld auf uns zugetaumelt. Er hatte am Hinterkopf den Schädel gespalten, durch Granatsplitter, aus der Wunde quoll es weiß. Der erzählte noch munter, weinte vor Rührung, als er sogleich verbunden wurde und lief mit eigenen Kräften ein paar Stunden später zum Truppenverbandplatz.

Hier ist’s ruhig.

L: 45 Gr. 45’ Br: 44 Gr. 02’ Troitzkoje, 3. Oktober 1942

327 Juden aus Bogdanowka wurden heute durch den Sicherheitsdienst wegbefördert. Sie sollen ihr Schicksal sehr würdig getragen haben.

Mittags kommt Befehl zu einem Kosakenrabbatz. Nachmittag rollen wir ab und schlagen unser Hauptquartier in Troitzkoje auf. Der Kommandeur ist FĂĽhrer einer Kampfgruppe aus 1 Kp. Feldgendarmerie (Oblt. Hausmann), 1 Zug 15-cm-Werfer, 12 Kosaken und 2 Paks.

Auftrag: Energisch vorstoĂźen in den Raum von Demakin, in dieser Gegend etwaigen Feind zum Schein anzugreifen und zu fesseln, bis Verbindung mit Panzergruppe hergestellt ist.

Sowchose 8, den 4. Oktober 1942

Im Morgengrauen brachen wir auf: Marsch durch Steppe, Steppe, Steppe, durch Kirgisendörfer, teils bewohnt, teils verlassen, auf jeden Fall öde und trostlos. Für den Unbeteiligten mag es recht romantisch sein. Mit unserer Zugmaschine kommen wir überall durch. Die Räderfahrzeuge haben es schwerer im Sand und auf den Dünenhängen. Die Steppe duftet betäubend nach Salbei. Wir sehen die ersten Herbstzeitlosen.

Weg: Tarski, Aga Batyr, Nowis Beshanoff, an der Stelle vorbei, wo laut Karte Gaorilenko liegen soll. Den Ort gibt es nicht. DafĂĽr aber andere Orte, die nicht in der Karte sind.

Vor der Sowchose 8 sind wir plötzlich an der Spitze der Kolonne und auch schon in emsigen Infanteriegefecht. Sie bepflastern uns mit Gewehren, MG, Granatwerfern und IG. Wir antworten entsprechend, dazu Pak, die aber bald durch Rohrkrepierer ausfällt, und mit unseren Werfern, die letztlich den Ausschlag geben. Aus der langen Marschkolonne entwickeln wir uns, die Flanken sichernd, zu Angriff und Abwehr in einem. Frisch-fröhliches Gefecht mit Anschlag stehend, freihändig. Der Russe schießt gut, seine Granaten liegen trefflich, aber es passiert nicht viel. Zwei Verwundete. Fern hören wir das herankommende Geschieße der Panzer. Am linken Flügel bekommen wir Feindberührung. Weiße Leuchtkugeln – Antwort – also doch kein Feind: Volksdeutschenschwadron vom Kosakenregiment von Jungschultz. Nach Fühlungsnahme mit Panzern ist der Auftrag des Tages beendet.

Vorher suchen die Kosaken, nach Westen auszubrechen, werden aber von der Kosakenschwadron Simon in schneidiger Attacke mit gezogenen Säbeln gestoppt.

240 Gefangene, Granatwerfer, Pak, IG, Pferde, Ladezeug, Fahrzeuge voll beladen mit Gerät und Verpflegung erbeutet.

Die Bewohner scheinen von einem Druck befreit. Sie bewirten uns mit echtem Tee und GeflĂĽgel.

Abends schieĂźt der Russe nochmal ins Dorf, dann ist Nachtruhe. 200 Kosaken etwa sind entkommen.

Moskwa, den 5. Oktober 1942

Auftrag: Mit 2 Kp. Feldgendarmerie, 1 Batterie leichter Werfer Fußaufklärung gegen Demakin und Kirgis. Feind energisch anzugreifen.

Demakin, kleines Kaff, feindfrei. Am Abend vorher ist der Bursche ausgerückt. Kirgis 5 Häuser, Katen, paar Kirgisen, paar Russen. Feind keiner. Abruf nach Moskwa. 13.30 Uhr kommen wir an, 14.30 Uhr soll es weitergehen. Verschoben auf morgen 4.30 Uhr. Verpflegung ist fast alle. So leben wir von Puten mit ohne.

L: 45 Gr.20’ Br: 44 Gr.12’ Moskwa, 6. Oktober 1942

Aktion fällt aus, nur kampfkräftige Aufklärung. Truppen werden uns, der Gruppe C, entzogen, sodass wir als schwere Waffen auftragslos in Ruhe bleiben.

Kiroff, 7. Oktober 1942

Wieder daheim. Friedensmäßiger, schneller Rückmarsch mit kleinen Ärgernissen wegen Bummeleien unterstellter Verbände. Klappte aber noch alles. Post ist keine da. Aber böse Nachricht, Olt. Löschmann schwer verwundet, Lt. Harrassowitz, dieser prächtige, junge Kerl, gefallen in Tscherskaja. Und wir sitzen hier.

Kiroff, 8. Oktober 1942

Schwadron Simon verlässt leider unseren Bereich. Für sie kommt eine Kompanie unter Olt. Dr. Keplinger, Innsbruck. Gemeinsame Bekannte. - Rauchschwache Zeit.

Kiroff, 11. Oktober 1942

Wetter warm, Nächte lau. Neumond. Schanzarbeiten im Sicherungsbereich. Vor drei Jahren in der Eifel hatten wir schon den ersten Schnee.

Mosdok, 14. Oktober 1942

Auftrag, ein kaukasisches Bataillon hier zu empfangen und in seinen Unterkunftsraum zu fĂĽhren. Heute warteten wir bisher vergeblich. Ich hing viel an der Strippe mit Korps Ia, Q, Rgt, und Bahnhof Drckladny. - Auf der Ortskommandantur sitzt als Adjutant ein Olt. Rade, der Laa kennt, er ist Sudetendeutscher. Sonst ist nichts los mit ihm. Leidlich sauberes Quartier mit meinen Kannibalen, einem Uffz., dem Fahrer und unserem dolmetschenden Russen Jakob, unser Faktotum, Gefangener von Kertsch her.

Mosdok, 15. Oktober 1942

Am Markt erstanden wir Radieschen, Quitten gebacken, gr. Paprika, prima, jetzt im Oktober. Langes Warten auf den Zug. Endlich kommt er um 16 Uhr. Führer des Bataillons ist ein Österreicher, netter Mann. Adj. ein Lt., SA-Sturmführer aus Südwest. Das Bataillon ist nur halb. Zweite Hälfte kommt später. - Die Legionäre sind freiwillige Nordkaukasier, Osseten, Tschitschenen und Nogaier mit asiatischen Schlitzaugen, eigenartig in deutscher Uniform und durchwegs russischen Beutewaffen. Mannschaftsstärke hoch, Bewaffnung stark, deutsches Kernpersonal zu wenig. Im Stellwerk Rendez-vous mit Herren vom Korps zwecks Besprechung von Versorgung und Ausrüstung.

Edissija, 16. Oktober 1942

Glattes Ausladen und Inmarschsetzung des Transportes. 38 km nordwärts hierher. Mit Hptm. Cap beim Ia des Korps, sehr sympathischer, ruhiger Mann, Ostlt. i. G. - Dort Treffen mit Gen. der Nebeltruppen beim OKH. Mein Oberst stellt sich bei mir vor, als kennte er mich nicht. Vorfall wird nachher belacht. Organisation von Karten beim Ia mess des Korps. Bei der kaukasischen Einheit komme ich dem alten Bekannten Prof. Oberländer auf die Spur. Auch sein Adj. ist SA-Sturmführer aus Sudeten. Hauptmann Oberländer selbst ist nicht da. In Edissja notdürftige Unterkunft des Bataillons.

Russkij II., 17. Oktober 1942

Der zweite Teil des Bataillons gerät beim Ausladen in einen russischen Bombenangriff. Tote und Verwundete. Transportführer Lt. Wegner, SA-Hauptsturmführer Südwest, wird dabei zum achten Mal verwundet. – Feiner Kerl.

Auf dem Verbandsplatz treffe ich Unterarzt Dr. Titze, vor 10 Jahren SA-Mann in meiner Schar in Wien.

Schwerer Ausfall an Pferden (35), schwieriger Marsch nach hierher, wo wir die Nacht verbringen. Im Pendelverkehr wird’s geschafft.

Kiroff, 18. Oktober 1942

Gestern Abend noch Verlustmeldung an Ia, Q, IV b und Rgt. Nahmen alles sehr „mannhaft“ auf.

Kalte Fahrt ohne Mantel nach Edissja. Auftrag beendet und zurĂĽck hierher.

Oberst, Hauptmann und Chefs sitzen beim Wein und versuchen, ein Spanferkel zu verdauen. Herr Oberst sind sehr leutselig und erzählen viel Heiteres. Pflaumen wegen Vorstellung am 16. Oktober. Ich komme mit meinen recht interessanten Informationen über die kaukasischen Bataillone zu Wort. Darüber kann ich Dir, liebes Tagebuch, aber nichts anvertrauen.

Abends wurde mir meine alte 9. Batterie zur stellvertretenden FĂĽhrung anvertraut.

Kiroff, den 22. Oktober 1942

Mit dem Kommandeur sehe ich düster. Er säuft viel zu viel und wird dabei unbeherrscht und haltlos.

Treffen mit Hauptmann Oberländer in Edissja. Erzählungen um kaukasische Bataillone: Erfolge und Misserfolge, Zustände im Gouvernement und in der Ukraine (sehr trübe), Kriegskräftelage. – Oberländer ist der alte: geistvoll, sprühend, temperamentvoll im Vortrag.

Kiroff, 25. Oktober 1942

Die Ortskommandantur macht mir viel Arbeit. Den ganzen Tag staut sich das Volk mit seinen Anliegen. Soweit sie zu rechtfertigen sind, werden sie erfüllt. – Der Bürgermeister ist da eine gute Hilfe, ein ordentlicher, sympathischer Mann.

In meinem Zimmer steht ein Radioapparat, der das Volk auch anlockt. Alle kann man ja nicht hereinlassen. Erstens ist die Stube zu klein und zweitens wegen des Geruchs. – Fast ständiger Gast ist eine kleine blonde Russin, die andachtsvoll, strahlend der Musik lauscht. Zurzeit sitzt ein alter Bauer da. – Das macht auf das Dorf auch entsprechenden Eindruck.

Ein wunderbarer lauer Herbsttag, fern schimmern der Elbrus und der Kasbeck.

Kiroff, den 31. Oktober 1942

Endlich wieder Post von zu Hause. Wie freue ich mich. Die Zeit läuft in einem für den Krieg ungewohnten Gleichmaß. Arbeit gibt’s genug, Zeit zum Lesen und Schreiben bleibt aber doch, und auch für einen Abenddoppelkopf.

Das Wetter ist stark herbstlich, manchmal sehr kühl. Ich habe die Grippe in den Knochen und will sie mit Redoxon, Chinin, Aspirin u.a. unterdrücken. Hoffentlich klappt’s, denn die Offizierslage ist angespannt.

Kiroff, den 9. November 1942

Seit gestern ist der Winter da mit viel Schnee und Kälte. Übermäntel bekommen wir keine, aber eine Decke. Am 3. November holte mich der Kommandeur aus dem Bett. Er hat die Spange zum EK I bekommen. Für Ischerskaja. Bei Atschikulak haben die Russen vor einer Woche großen Ärger gemacht. Vor ein paar Tagen versuchten sie es, laut OKW, im Südosten von uns. Wann kommen wir dran? - Wenn sie es schlau machen, können sie uns ausheben, ganz manövermäßig. Wir sind sehr schwach, vor allem in der infanteristischen Bewaffnung.

Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass in Kürze etwas passiert. Meine kleine, blonde Russin Sina habe ich längst aus meinem Bau verbannt. Sonst komme ich noch in Verruf. Bei der Stabsbatterie geht sie von Hand zu Hand. - So holt der Landser aus dem Lande, was er braucht, und das Land scheint gerne zu geben.

Kiroff, den 13. November 1942

Auf dem Heimweg vom Doppelkopf in der Finsternis in ein Loch gefallen und Sehnenzerrung, rechts hinten, zugezogen. Ich lahme mächtig. Fehlt nur, dass in den nächsten Tagen die Russen kommen. Wetter ist lau und feucht.

Kiroff, den 19. November 1942

Es passiert gar nichts. - Wir bauen die Stellungen aus, ziehen Gräben, bauen Bunker, ärgern uns über die Lage. Abends Lesen, Schreiben, Doppelkopf und Skat.

Kiroff, den 25. November 1942

Jetzt gab’s wieder einmal zwei wunderbare, klare, sonnige Herbsttage, die uns wieder den Kaukasus zeigten. Als mot. Mann ritt ich gestern 40 km nach Podolski und zurĂĽck. Heute geht’s mir körperlich schlecht.

Allerstrengste SpritsparmaĂźnahmen hemmen unsere freie Beweglichkeit. (Daher auch der Ritt nach P.)

Wostotschni, den 30. November 1942

Gestern 20 km nach Horden gezogen. Batterie soll, infanteristisch eingesetzt, einen Abschnitt von 4 km Breite in 5 Stützpunkten halten. Böse, böse, wenn das nur gut geht. Die Werfer haben wir weitab von uns eingemottet. Warum, weiß keiner.

Der Kommandeur macht sich ein VergnĂĽgen daraus, mich anzusausen, wo es gerade geht, ob recht oder unrecht, sinnvoll oder sinnlos, ist gleich.

Heute Stellung bezogen und Bau begonnen. Batterie kampiert draußen in Erdlöchern, die noch ohne Dach sind. 4 Rata-Angriffe auf Sunshenski, das zu unserem Abschnitt gehört. Es brennt dort, was passiert ist, wissen wir noch nicht, Leitung noch nicht zustande gekommen. - Wetter noch erträglich.

Wostotschni, den 1. Dezember 1942

Früh Lt. Heumeier mit 10 Mann gegen Heiko. N. in der Nacht schon besetzt worden. Spähtrupp gerät in G.W.-Feuer. 2 Verwundete (Hackmark, Haberland).

Nachts wurde Irgakey von den Russen schwer, aber erfolglos berannt. - Über die Höhen ostw. von uns kommen die Roten dick. Wir können nur Befestigungen bauen, für Bunker bleibt keine Zeit. Bei unserer Schwäche müssen wir auf alles gefasst sein.

Wostotschni, den 2. Dezember 1942

Nacht verlief ruhig. Spähtrupps Pähl und Bock kommen heil heim. Jetzt ist etwas mit dem Kaffeefahrzeug passiert. Ohne Bemannung von einem Stützpunkt aufgegriffen worden. - Vor Neiko hält ein roter Doppeldecker. Lt. Fedde versucht, ihn in Brand zu schießen.

Nacht im Freien war recht kühl, aber erträglich. Nur der Fernsprecher rasselte unaufhörlich.

Wostotschni, den 3. Dezember 1942

Gestern Mittag schoben die Russen Vorposten vor. Und eine B-Stelle, dann beaasten sie uns nach Strich und Faden. Tags können wir nur noch ganz vorsichtig arbeiten. Auch die Verpflegung ist schlecht heranzubringen. Der Verpflegungsfahrer nach den rechten Stützpunkten geriet in einen Feuerüberfall.

Mein Verhältnis zum Kommandeur wird langsam unerträglich. Brüsk lehnt er neuerdings jeden Einwand und gehorsamsten Vorschlag ab.

Bei Dunkelheit nur querbeet durch die Steppe nach den weit drauĂźen liegenden StĂĽtzpunkten. Beim stockdunklen RĂĽckweg nach 300 m schon um 90 Grad von der Richtung ab. Rettung: Marschkompass.

In der Nacht blinder Alarm. 2 Stunden in Nässe und Wind auf Gefechtsstation. – Spähtrupps ohne Ergebnis. Auch die beiden vom frühen Morgen.

Wostotschni, den 4. Dezember 1942

Gestern war ein trĂĽber Tag, der uns erlaubte, ordentlich zu schanzen. Nun haben wenigstens alle ein Dach ĂĽberm Kopf fĂĽr die Nacht, wenn’s auch unvollkommen ist.

Heute hat nun Wilfrid Geburtstag. Ich bin viel zu Hause aus diesem Anlass.

Die Nacht war ruhig, nachdem wir eigentlich einiges erwartet hatten, denn die Kosakenabendaufklärung war recht lebhaft und zwang uns zum kleinen Feuergefecht.

Heute brennen wieder 9 Strohschober im Umfeld. Wir müssen das leider tun, um Annäherung und Beobachtung zu erschweren. In Stepnoja Fliegerangriff. Unser Tankwagen ausgebrannt. Zwei Mann leicht verwundet (Friedrichs und Baumann).

Wostotschni, den 5. Dezember 1942

Verlegung schon fertiger StĂĽtzpunkte zwischen andere. Wir mĂĽssen nun bei dem Wetter neu anfangen.

Lebhafte Spähtrupptätigkeit. Es brennt viel. Verluste keine. Endlich kommen Verstärkungen und schwere Waffen. – Wetter ist sehr feucht und unsichtig. Keine Nacht ohne blinden Alarm. Naiko wurde von Süden her genommen. Nun brennt es lichterloh bis tief in die Nacht. Flüchtlinge kommen in Scharen zurück, mit Wagen, Kind und Kegel, Hausgerät und Vieh.

Wostotschni, den 6. Dezember 1942

Mal eine Nacht, die nur durch das Telefon gestört wurde, das aber ausreichend.

Viel Theater gibt’s und Krach. Der Kommandeur schwelgt in Anschissen, gerechten und ungerechten. Wie stets.

War wieder draußen bei den Stützpunkten und habe meinerseits geschimpft. – Neuer Stützpunkt ausgesucht, ganz rechts draußen, rechter Flügel meines Abschnittes. Die müssen nun anfangen, sich erst einzubuddeln für den Winter, der soeben beginnen will.

Ruhige Nacht, weil Telefon kaputt. Könnte man öfter machen. – Endlich, endlich Post (aber keine Zigaretten). – Die Nacht gab’s Prost. – 2 Bunker meines Gefechtsstandes sind äuĂźerlich fertig, der Chef-Bunker ist erst ½ m tief in der Erde, der 4. noch nicht begonnen. Heute erwarte ich einen Mordsanschiss. Habe einen Fehler meines RechnungsfĂĽhrers auf mich genommen. In etwa 4 Tagen erwarte ich Hptm. Lechner zurĂĽck. So schön es ist, eine Batterie zu fĂĽhren, so undankbar ist es „i. h.“. In allem gilt zurzeit die Parole: „Es geht alles vorĂĽber, Dezember wieder ein Mai“. – Gegen Abend noch Besprechung beim Kdr. Umgliederung. Ich habe mit den 80 Mann und 120 Kosaken eine Front darzustellen, die 8 km breit ist, und drei Dörfer umfasst. GegenĂĽber, z. Zt. 14 km entfernt (angeblich) liegen drei rote Regimenter.

Wostotschni, den 8. Dezember 1942

Zu Pferd mit dem mir taktisch „unterstellten“ Kosaken-Rittmeister durch die Stellungen. Ich richte an der 7 km langen Front 9 StĂĽtzpunkte ein, 4 davon besetzt von Kosaken. Jeder StĂĽtzpunkt besetzt von 12–15 Mann, eine gewaltige Streitmacht, wenn man sich die Entfernungen von 500 m bis 1,2 km zwischen den einzelnen Werken vergegenwärtigt. Am rechten FlĂĽgel 6 km, am linken 7 km Loch bis zu den benachbarten Stellungen. Wenn die FuĂźentlastung …

Wostotschni, den 9. Dezember 1942

Die Sache ist nur zu schmeiĂźen durch regste und energische Spähtrupptätigkeit nach Osten. So muss jeder StĂĽtzpunkt fast täglich auf Randhöhen der SanddĂĽnen gegenĂĽber. Die Kosaken klären gegen Kajafulu auf und gegen Bereskin. Haben meist leichte FeindberĂĽhrung, reiĂźen aber zu frĂĽh aus. – Ritt nach Ssunshenski mit dem Rittmeister (Michail Sagorochnij), um mit der dortigen Kosakenschwadron FĂĽhlung zu nehmen. Nette Leute. Ortwin H. mit russ. Offizieren, am eindrucksvollsten das Gesicht eines zaristischen Leutnants Scheftschenko. Nordischer Kopf, blaue Augen, blonder Knebelbart. “Mein” Rittmeister, Lerek-Kosak, ist dagegen rein ostisch, typischer Russe, heiter und ernst, emsig bestrebt, Deutsch zu lernen.

Wostotschni, den 10. Dezember 1942

Nachts Bomben auf meine Nordstellungen. Nichts getroffen, nur Leitung 6-mal unterbrochen. Nacht sonst ruhig. Meine Spähtrupps keine FeindberĂĽhrung. Kosaken bringen auch nichts Greifbares. Also soll morgen der Rittmeister mit einem ganzen Reiterzug selbst los. Neugierig. Ritt durch die Stellungen. Freude und Ă„rger. Im Ganzen geht’s vorwärts. Besuch zurĂĽckkehrender Urlauber: Stabszahlmeister Plöger, Oberarzt Dr. Friede. – Die „Ratas“ sind heute recht ruhig.

Wostotschni, den 11. Dezember 1942

Anhaltend, unfreundlich kalt. Beginnt nun der Winter? Spähtrupps ohne Erlebnisse zurück. Kosaken hatten auch keinen Erfolg bei ihrer Großaktion. Langsam beginne ich, den Brüdern zu misstrauen.

FĂĽr die nächsten drei Tage gibt’s nur Hammelfleisch. Ăśbel.

21 Uhr

Seit fünf Stunden ist die Leitung zur Abteilung gestört. Das gibt wieder einen Anschiss, obwohl die Abteilung für die Unterhaltung der Strippe zuständig ist.

Wostotschni, den 12. Dezember 1942

Nacht ruhig. Kosakenkurier zum Kommandeur geschickt. Jetzt, 7.30 Uhr, Leitung noch immer gestört. Wetter kalt und grau.

Seit 4.30 Uhr wird Sowchose 7 von Eigenen angegriffen. Kosaken kommen mit zwei Überläufern zurück. Interessante Aussagen. Einige Kosaken sollen mittags zur Ostflankensicherung eingreifen. Ob sie zurechtkommen? In Ssunshenski soll was los sein. Kosakenmelder hin, eigenen Spähtrupp nach. Rege Flugtätigkeit, der Russen natürlich. Eigene Flieger sieht man wenig. Im gespanntesten Augenblick natürlich Leitungsstörung zur Abteilung. Zum Kotzen. – Herrlicher Ritt durch die Stützpunkte.

Wostotschni, den 13. Dezember 1942

Sonntag ist, und das Wetter dazu: kalt, strahlende Sonne. Sonntag heiĂźt Marschtag der Nebeltruppe. Also: Abmarschvorbereitungen. Warum auch nicht, unsere Bunker sind ja fertig. Davon sprechen wir schon lange. Rittmeister Sagorodnij macht Augen!

Michailowski, den 16. Dezember 1942

Vor neun Jahren zog ich mit Dir frische Spuren im blitzblanken Schnee auf den Kernberg, mein Hannchen. So fing es an. Heute umfängt mich wieder der Krieg.

Am Sonntag marschierten wir um 21.30 Uhr nach großem Vorbereitungstheater mit vielen Hindernissen ab. Durch Fliegerbomben auf die Fahrzeugstellung hatten wir an diesem Tag 2 PKW und 4 Tgkw. verloren und einige beschädigt. Sehr bitter. Abmarsch nach Poltawski erst, Meldung bei Oberst, dann weiter nach Aga Batyr. Am frühen Tag zwar, aber zu spät in leicht verdeckter Stellung. - 14. Dezember 1942, bisschen Feuer. Einschanzen. Gottvoller Schlaf im Erdloch. Früh Wiese weiß vom Reif. - 15. Dezember 1942, weiterer Ausbau der Stellung. An den Mannschaftsbunkern machen wir nicht viel. Zeltbahn als Dach genügt, solange es nicht regnet oder schneit. - Das Dorf, in dessen Nähe wir liegen (M), ist total zerschossen und halb verbrannt. Dennoch kommen die Reserveleute und Fahrer dort unter. Eng, aber warm durch den Mief. „Begehung“ der vordersten Linie und Schussfeldbegutachtung. - Batterie ist in haltlosem Durcheinander durch die Fahrzeugausfälle und unglückliche Führungsanordnungen. Das kostet wieder Arbeit, und man hat keine Zeit dazu. - 16. Dezember 1942, Stellungswechsel vorbereiten! Teil der Leitung abgebaut. Munition verladen. Nötige Fahrzeuge heran. Alles bereit. - Stellungswechsel fällt aus. - Es ist 19 Uhr, der Abend ist da. Ich muss wieder in mein Loch, denn die Nacht verbringe ich bei den Leuten in der Stellung. - Auf Weihnachten bin ich gespannt.

Die Lage ist prekär. Wir liegen in einem Schlauch. Auf drei Seiten Russen, rechte Flanke auf drei bis vier km ungedeckt.

Michailowski, den 17. Dezember 1942

Die Nacht begann mit Regen und endete mit Schnee und Frost, der anhält. - Ein Zug der Batterie wird mit Front Süd in die offene rechte Flanke abgezweigt und lag mittags bereits in Lauerstellung zum Schutz eines Aufklärungsunternehmens der Infanterie mit Panzern. Verlief glatt.

Meinen Gefechtsstand lege ich mit dem des Abschnittskommandanten Olt. G. vom Lehrregiment B. zusammen. - Feiner Mensch, Typ westfälisch, Berliner und leider Student der Rechte. - Nun sitze ich in der warmen Panje-Bude dieses geräumten Nestes. Mir ist nicht ganz wohl dabei, denn bisher schlief ich mit den Leuten draußen.

M., den 18. Dezember 1942

Unsere Flanke bleibt offen. Feindmeldungen widersprechen sich. Vom Süden soll ein Angriff eigener Verbände zu uns her im Gange sein. - Nachlassender Frost. Allgemein gute Stimmung, denn Post ist da, nur für mich nicht.

M., den 20. Dezember 1942

Gestern gelinde Aufregung und großes Bedauern, denn Olt. Gerlach gab den Abschnitt ab und zog mit seiner vorzüglichen Kompanie davon. Sehr, sehr schade, war bzw. ist ein überlegener, „intelligenter“ feiner Mann und Offizier. Sein Nachfolger ist ein Dünnmann, den man nicht ganz für voll nehmen kann.

Tag ruhig. Russe scheint sich zu schonen fĂĽr einen Weihnachtsangriff. - Wetter trĂĽb, kein Frost. GroĂźer Post- und Zigarettenmangel.