Nikolajewka, 23. September 1943
Gestern noch einigermaßen frühe Ankunft in einem armen Dorf. Elend. Voller Flüchtlinge. Für unsere Gefechtsstands- und sonstige Kriegsbedürfnisse müssen sie umziehen, was sie wohl willig aber stumpf tun. - Es ist ruhig, den ganzen Tag. Rückmarsenerkun dungen. Wie Blitz aus heiterem Himmel kommt ein Funkspruch, dass Olt. Wallrodt, Chef 7., schwer verwundet wurde. Zwei Stunden später liegt er bei uns in guter Form, aber sehr schwer angeknackst. Er war auf der Höhe herumgefahren, eingesehen, Pakbeschuss.
Nachts noch übernehme ich die Batterie als gewohnter Rückenbüßer.
In ein paar Wochen bin ich sie garantiert wieder los. Zu Gunsten eines anderen. Ich fühle mich wie ein betrogener Liebhaber.
Nowosselowka, 24. September 1943
Unter der unsachkundigen Führung eines Uffz. suche ich in einer Odyssee die Batterie, während die Infanterie die Linie zurück nimmt. Sehr unangenehm. Vergeblich. Alles finde ich, nur sie nicht. Erst durch Funk kann ich einen Lotsen bestellen. Dann geht’s. Stellung ist mir zu exponiert. So spreche ich beim Inf.-Rgt., Oberst Voß RK, vor. Er genehmigt den Stellungswechsel und Ab marsch. Gottlob allein und ohne Abteilung. So gibt es einen zügigen Nachtmarsch über 50 km. - Berveritin gegen die Müdigkeit versagt diesmal, und ich bin am Rande des Kippens. - Alles geht gut, nur am Ende überfahre ich die letzte Abzweigung, hole einen Bauern aus dem Bett von der Alten weg. Er zeigt uns freundlicherweise den Weg nach Butojariwka.
Butojariwka, 25. September 1943
Bt. Blankenhorn hat schon erkundet, fragwürdige Stellung. Beziehe neue, nahe der HKL zwar, aber wenigstens verdeckt. Die alte lasse ich als Arbeitsstellung. So richten wir uns ein auf ein paar Tage. Verbindungaufnahme mit der eingesetzten Infanterie und mit dem Gr.-Rgt., dem gestrengen Oberst Voß. - Gerade sind wir beim Kartoffelpufferbacken, als Funkspruch kommt mit Befehl zum sofortigen Stellungswechsel.
Pawlysch, 26. September 1943
Einem Panzerkorps, jenseits des Dnjepr, jetzt diesseits, unterstellt, marschierten wir gestern noch ab, nach Rudjenko, vor der Psell-Brücke. Großverstopfung, Warten, Schlaf im Fahrzeug, 5 Uhr weiter. Ein wundervoller Sommertag im Herbst. Ruckweise schieben wir uns an Krementschug heran. Stellenweise 6–7 Kolonnen nebeneinander. Ein unfähiger, aber hübscher Lt. von der Feldgendarmerie bringt den Haufen noch mehr in Durcheinander. U.a. zerreißt er unsere Abteilung. Unter irgendeinem Vorwand erwirke ich die Erlaubnis von ihm, 3 Fahrzeuge der Abteilung aus dem Pulk herauszubekommen. Sie rollen an, und die andere Hälfte der Abteilung rollt unhaltbar mit. So sind wir wieder beisammen. Stundenlanges Warten, 100 m Fahrt, Warten, 200 m, Warten, 100 m, endlich glückt die Masche, wir schieben uns in die Kolonne der 198. I.D. und rollen gut und glatt nach Kr., über die herrliche Kriegsbrücke über den Dnjepr, 1450 m lang. Von den Befestigungen drüben bin ich enttäuscht. Ein Bunker ist zu sehen, und das ist ein alter, russischer. Was soll das werden! – Nachmittag treffen wir hier im Raum unserer Trosse ein, in gute Quartiere, und haben hoffentlich einen Ruhetag vor uns.
Erschütternde Nachricht: Der am 5. Juli, Gegend Belgorod, auf eine Mine gelaufene Hptm. Züpke ist vor zwei Monaten schon, noch in Charkow, gestorben.
Pawlysch, 27. September 1943
Besprechungen, Doppelkopf, frugales Essen, schönes Wetter, viel Staub, aber Ruhe.
Pawlysch, 28. September 1943
Abmarschvorbereitungen, aber Ruhe. Gottvoll.
Adshamka, 29. September 1943
Sommerwetter. 95 km Marsch über Alexandrija, Nowaja-Praga, Adshamka. Quartier, na ja, verrückte Bäuerin. Unangenehm, dieses irre Bachen und ihre Geschäftigkeit. Dennoch brechen wir einer Flasche Johannisbeerwein aus Berditschew den Hals.
Schpola, 30. September 1943
Noch immer Sommerwetter. Glühend heiß in den Zugmaschinen. 125 km über Kirowograd (große Flugplätze, reger Flugbetrieb), Nowij-Mirgorod, Schpola.
Nett untergekommen und bewirtet mit Spiegelei mit Speck, Kartoffel- und Tomatensalat. Dann noch eine Melone. Die Leute sind sauber und leben offenbar nicht schlecht unter deutscher Verwaltung.
Leschtschinka, 1. Oktober 1943
Leichte Kühle bei Fahrtwind, dann Sonne und Staub begleiteten uns auf 180 km weiter Fahrt: Schpola, Swenigorodka, Bogusslew, Kagarlyk, Leschtschinka. Der Kdr. sucht uns, wir suchen ihn beim Korps, bei der Ortskommandantur usw. im Kreise. Hier finden wir uns zur Besprechung zusammen, zu der ich, todmüde, aus den Federn geholt werde.
Der Russe hat 5 Brückenköpfe über den Dnjepr gebildet. Z.T. sind sie schon eingeengt, zum anderen Teil sollen wir mitwirken. 7. und 8., SS “Das Reich”, 9., 10. Pz.Div.
Leschtschinka, 2. Oktober 1943
Mit jeder Art von SS-Verband ist blendendes Arbeiten. Überlegen, sicher und unbekümmert in ihrer Art, haben sie keine Traditionsschranken und Kalkwälle, sind sie elastisch und verständig.
Nebenbei: Im Erscheinungsbild eine Pracht. Grußdisziplin hervorragend, Straßen- und Quartierdisziplin weniger, was verständlich ist.
100 km Erkundungsfahrt, wieder mal eine böse Stellung. (Ich liebe neuerdings Dörfer als Stellungen.) - Iwan schoss heftig in der Gegend herum, auf uns merkwürdigerweise noch nicht, obwohl er uns gesehen haben muss mit unseren 5 Zugmaschinen auf weiter Hochfläche. - Abends gibt’s Kartoffelpuffer.
Leschtschinka, 5. Oktober 1943
Neuerkundung zusammen mit Obst. Tiedemann. Wieder über 100 km Verbindung mit SS-Art.-Rgt. und Arko 10. Bei ruhiger Lage sehr ordentliche Feuerstellung in einem anderen Dorf, Uljaniki. Evakuiertes Dorf mit sehr schöner Kirche, reizend in einer Schlucht gelegen. Hübsche Häuschen, die wieder von einem gewissen Wohlstand zeugen. - In einer besonders schönen Stellung ergehen wir uns eine volle Stunde, flaggen aus usw. Schließlich erkenne ich, dass wir der Feindeinsicht ausgesetzt sind. Also Essig. So wollen wir uns denn in die Nähe der Kirche bauen, was taktisch ja nicht richtig, aber die beste Stellung ist.
Hundemüde wieder nach Hause. Freudige Erwartung nach einer ruhigen Nacht. - Plötzlich alarmierende Befehle, fertig machen, Besprechung, Entschluss: nochmal kurz schlafen gehen. Abmarsch 1 Uhr früh.
Uljaniki, 4. Oktober 1943
So kam es denn. 40 km Nachtfahrt. Verrückte Tour, bei so verzwickten Wegen. Nach 4 Stunden endlich, bei voller Helligkeit rollen wir in unser Tal, eben noch nicht beobachtet.
Bald beginnt der Beschuss des Russen, der mir ein Fahrzeug kaputtschießt. Beute alle heil.
Iwan sagt, alles Band, das wir zu Weihnachten noch haben, können wir behalten, das schenkt er uns. Er wolle das letzte russische Dorf zurückerobern. Deutsches Land wolle er nicht. - Spiegelberg, ich kenne Dich.
Die hohe Führung hielt den Dnjepr für so sicher, dass sie vom Ausbau der Stellungen absah. Jetzt haben wir den Salat. 5-6 russische Brückenköpfe zwischen Kiew und Tscherkassy. Die sollen nun alle ausgebügelt werden. SS „das Reich“ hatte bei einem dieser Köpfe 500 Mann Ausfall.
Unsere Stellung schweigt. Fedde schießt weiter südlich den ganzen Tag Kleckerfeuer auf einen Brückenbau. Die Brüder haben das Ding fast fertig. 100 m in der Mitte fehlen noch. Da wird’s Zeit, dass wir angreifen.
Uljaniki, 5. Oktober 1943
Tag der Roten Armee oder so etwas. Könnte man eigentlich Angriff erwarten.
Bis jetzt, 8.15 Uhr, nur gelegentliches Feuer auf das Dorf. Aber auch schwere Kaliber.
Morgen soll angegriffen werden. Die SS soll es wieder machen, das alte, gute Bügeleisen. Ich bekomme immer mehr Achtung vor ihr. - Wieso bringt gerade sie es? Auslese, gewiss, vorzügliche Ausrüstung und Bewaffnung. Voll motorisiert, das endlose, ermüdende Marschieren entfällt. Aber es muss da auch ein Führungsgeheimnis dahinterstecken, das ich ergründen will. Tag verläuft im Ganzen ruhig. Plötzlich, bei einbrechender Dunkelheit knallt Iwan mit kleinen Unterbrechungen einen einstündigen Feuerüberfall auf Stellung, Gefechtsstand, Kirche und Umgebung. Granatwerfer und Ratsch-Bum, vielleicht auch Panzer. Schweinerei, zwei Schwerverwundete (Uffz. Riedder und Ogfr . Pirick).
6. Oktober 1943
Im Ganzen ruhig. Gutwetter hält an. - Bost - wunderbar. - Nachts Flieger.
7. Oktober 1943
Auf B-Stelle zum Einschießen mit 5 Schuss auf Schtschutschinke. Schüsse liegen wie gedacht. - Am frühen Nachmittag plötzlich Feuerbefehl auf Schtschutschinke. Ganze Salve beider Batterien, die Schlucht wackelt. Anschließend auf Tauchstation. Granatwerferfeuer und Bäk schießt herum. Ohne Erfolg. Aber drüben das Dorf brennt.
Abend beim Kdr. Wir sind guter Dinge und riskieren einen unerhört großen Rand. - Ich nehme mir den stv. Adjutanten Bt. Schramm aufs Korn, einen netten Kerl, Behrer aus Süddeutschland. “Am meisten schätze ich an Wagner die Zauberflöte.” Er weist mir nach, dass diese von Mozart ist. Alles lacht, er versteht nicht. “Heute gab es Schnaps, wir hatten keine Flaschen. So schütteten wir den Honig weg. Schnaps ist doch zu wertvoll, kann man doch nicht einfach zurückschicken.” “Hühner können wir nicht mehr sehen, wir essen höchstens den Hals, das ist das Beste, den Rest werfen wir fort.” Schramm geht auf alles sachlich ein. Es ist köstlich.
8. Oktober 1943
Habe seit drei Tagen Fieber und Frost, Kopfbrummen und was dazu gehört. Nicht mal das Rauchen schmeckt. - Beule habe ich auch. Noch im Anfangsstadium. - Beichte Schießerei. - Es geht dem Abend zu. Wir erwarten Iwans Abendandacht und täglich den Beginn der Regenzeit.
Befehle jagen sich. Morgen wird der Brückenkopf mit begrenztem Ziel angegriffen. Und zwar von SS (200 Mann) und Panzergrenadieren. Viel schwere Waffen, aber wenig Infanterie, sehr schlecht. - Abends noch Feuer in die Stellung. Ein Verwundeter.
Uljanika, 9. Oktober 1943
Wir schießen fleißig. Iwan antwortet auch nicht gerade schlecht. Man hört nur ihn und unsere Werfer. Von unserer Artillerie merkt man hier gar nichts. Der Angriff schreitet langsam voran. Flieger griffen auch schön ein.
10. Oktober 1943
Gestern Abend machte Iwan weiter links von uns Schweinerei und brach ein. Daraus entstand offenbar eine heikle Lage, denn der Kdr. verlangte von uns eilendes Feuer dorthin. Knifflig, denn die Werfer müssen mehr als links um machen. So etwas freut ein altes Artilleristenherz. 17 Uhr Feuerschlag, 19 Uhr Wiederholung. Der kommandierende General lässt sagen, nebst Dank und Anerkennung, die Lage der Schüsse wäre so blendend gewesen, dass sie die Situation retteten. - Da hatte ich mal ’ne glückliche Hand, denn der Kopf allein kann auf 4 1/2 km nicht alles machen.
Die klare, kalte Nacht erinnerte an Ischerskaja. Flieger, Flieger, Bomben, Bomben, Nachbarhaus zerrupft, eine Maschine beschädigt. In unserem Haus flogen bei jedem Einschlag die Fenster und Türen auf. Bis mir’s zu dumm wurde und ich in den Bunker übersiedelte.
Kalter, trüber Morgen, tagsüber aufklarend. Zwei Feuerschläge hinüber zur Unterstützung der SS. Im Ganzen ruhig, bis gegen 14 Uhr ein Pak-Überfall kommt, der aussieht, als gelte er dem Gefechtsstand. Rechts, links! Tauchstation, kaum unten, Krach, Staub, Lehm, Wandgewackel. Ein Volltreffer nahm uns den Schornstein vom Haus und schmiss ihn auf den Bunker. Nun bleiben wir unten.
11. Oktober 1943
Offenes Wasser hatte heute früh Eis. Und eigentlich war eine heiße Nacht. Bomben. Zwei in unmittelbarer Nähe zweier Fahrzeuge. Eines war mit Erde ausgefüllt. Passiert ist keinem was.
Der Tag war sehr ruhig. Auch wir schossen nicht. Mein Batterieoffizier ist ein Pinsel.
12. Oktober 1943
Die Nacht ging. Flieger und Bomben mit Maßen. - Frühmorgens heftiger, anhaltender Gefechtslärm aus Ost. Dort greift offenbar der Russe an. - Währenddem schießen wir zur Unterstützung eines kleinen eigenen Angriffs, der glückt. Russischer Gegenstoß stellt alte Lage wieder her. - Olt. Tiedemann fährt auf Sondererkundung. Nun bin ich allein mit zwei Batterien. Arbeit bleibt nicht aus. Der Russe greift an der ganzen Front an. So schießen wir denn den ganzen Vormittag herum. Von ganz links bis ganz rechts. Und Iwan schießt herein, wie hier noch nie. Ein Schwerverwundeter. - “Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige”: Ich will in eine bekannte Bereitstellungs-Schlucht schießen, dorthin, wo wir vor ein paar Tagen “die Situation retteten”. (172,6) Selbes Kommando, höchste Schussentfernung. Damals war es warm, heute ist es kalt. Also geht es viel kürzer, als ich erwartet hatte. Eine Minute später Anruf von der Infanterie: “Ihr Feuer lag gut, wenn möglich Wiederholung, 50 m abbrechen.” “Verzeihung, wo habe ich denn hingeschossen?” “In einen russischen Angriff.” Bestens. Telefon hört nicht auf zu klingeln, Gespräche mit dem ganzen Abschnitt, kriege den Schießplan kaum aus der Hand. - Nachmittag ist es ruhig. Das lässt für morgen etwas erwarten. Ich Pessimist erwarte schon wieder, dass wir hier hinausfliegen wie vor einem Monat aus Kononenkow. - Jetzt ist Abendfriede mit Musik. Dann und wann dringt Infanteriegefechtslärm durch.
Abendfriede? Eben kommen die Nachtflieger wieder in Gang. Unweit rauscht und wackelt es schon.
13. Oktober 1943
Am frühesten Morgen heftiger Gefechtslärm rechts. Also greift Iwan wieder an der Boreley an. Auch in unserem Brückenkopf drückt er nicht schlecht, bricht ein, wird hinausgeschmissen usw. Wir dröhnen den Bass dazu.
Die gestrigen Gefechte erscheinen heute im Wehrmachtsbericht. Durch nächtliche Bomben wieder zwei Verwundete. Bericht. - Sonst ist der Tag ruhiger. Nur am Vormittag wesentliches Feuer, das ja uns gilt. Und Flieger. - Zum ersten Mal Schwierigkeiten mit der Streuung. Unangenehme Treffer in eigener Linie. 2 Stück.
Heute Nacht Großumgliederung bei Infanterie. Olt. Tiedemann geht mit seinen Haufen morgen auch. Und lässt uns allein, was sehr schade ist. Wir arbeiteten blendend zusammen.
14. Oktober 1943
Der Kommandeur hat Geburtstag. Am Nachmittag dieses unangenehm ruhigen Tages versammeln sich die Offiziere der Abteilung ziemlich zwanglos bei ihm. Oberst Hansmann ist auch da. Nettes Geplauder und kleiner Umtrunk.
Der Russe schont Kräfte und Munition für stärkere Schläge offenbar. Geht’s morgen schon los oder erst übermorgen? Unsere Lage jedenfalls ist höchst wacklig.
15. Oktober 1943
Einem aufgefangenen russischen Funkspruch nach hat Iwan meine Feuerstellung heraus. Wir merken es. So viel Zunder hatten wir noch nicht an diesem Ort.
Im Laufe des Tages ziehe ich denn das Gros der Batterie heraus in eine weiter zurückgelegene Feuerstellung. Allerdings in einen Raum, aus dem eine Kanonenbatterie ausziehen will, wegen Beschuss.
Am späten Abend des lebhaften Tages ist der Umzug beendet. Zwei Werfer bleiben vorne. Das macht die Feuerleitung schwieriger, hat aber seine Vorteile.
16. Oktober 1943
Im Morgengrauen Erkundung neuer Stellungsmöglichkeiten in den Schluchten südwestlich Uljanik. Nicht viel los. Dann kommt der Kommandeur und verleiht zwei EK II. Dann kommt er wieder mit Verbindungs- und neuen Erkundungsaufträgen. Tagsüber Bunkerbau. Gegen Abend Besuch bei Rittmeister von Massow, alter Adel, so sieht er auch aus, aber ganz nett. Wenn’s schießt, geht auch er in den Bunker. Da ist er nicht anders als wir. - Dann die Neuerkundung, nette Mulde, bisher feuerfrei. Das lockt natürlich. Nur der Anmarsch! - Leichtes Feuer auf meinen derzeitigen Ortsteil. Sonst ruhig. Also kommt er morgen wieder angewackelt, der gute Iwan. - Partisanenge fahr. Also Verstärkung der Wachen.
17. Oktober 1943
„… es rinnt so leis der Regen, als war es so gewollt." Schon sind die Straßen und Wege grundlos. Iwan ist ruhiger noch als gestern. Die Stille ist beunruhigend. - Wir müssen jetzt eine Woche ohne Munitionsnachschub bleiben.
18. Oktober 1943
Regennass und ruhig. Was hat Iwan vor? - Wir bauen Bunker. - Die Straßen werden immer schlechter, die Läuse immer mehr. - Abends noch Störungsschießen.
19. Oktober 1943
Heiterer Herbsttag mit auflebendem Artillerie-Störungsfeuer. Sonst ruhig, warm. - Der Bunker wird fertig. - Es gibt Menschen, die gehen einem auf die Nerven, ohne dass sie etwas dazu können. So einer ist mein Batterieoffizier, dem zudem auch noch etwas an Takt fehlt. Hoffentlich ist sein eigener Bunker bald fertig.
20. Oktober 1943
Feuchte, warme Nacht. Die Läuse zogen einen neuen Jahrgang ein. Wieder - es ist eine Qual. - Hauptmann Bartels erhebt Schadenersatz klage. Er hatte eine Kuh und ein Kalb. Vorgestern Abend, bei unserem Schießen, erschraken sie, rissen sich los und aus in Richtung Norden, vordere Linie. Also Überläufer. - Wieder ein heller Herbst tag. Der Russe bekam Ersatz und schiebt viel Munition nach. Er will uns offenbar hier nicht über den Winter lassen. Tagverlauf im Ganzen ruhig. Abends scharfer Bunkerskat und an schließend Betrachtungen zur militärischen und politischen Lage.
21. Oktober 1943
Ruhige Nacht. 5.50 Uhr setzte ein hier noch nicht gehörtes Trommelfeuer ein - im Nachbarbrückenkopf. Und bald wird die Sache dramatisch. Der Russe bricht mit Panzern und Infanterie von Mordoroff aus nach Westen, zu uns zu, durch. Einzelne Panzer kommen bis an den Nordteil unseres Dorfes, Infanterie wird im Anmarsch, noch drei Kilometer entfernt von mir, gemeldet. Iwan bombardiert die Nachbardörfer rollend, schließlich auch die Stelle, wo er offenbar unsere Feuerstellung erwartet. Granatwerfer, Artillerie, Flak aufs Dorf. - Wir antworten, soweit es die Munitionslage gestattet. Im eigenen Brückenkopf will er an drei Stellen dem Stoß aus dem anderen entgegenkommen, wird aber abgeschmiert. - Telefon rasselt ständig, wenn die Leitungen nicht gerade zerschossen sind. Habe vier Funkgeräte eingesetzt, die uns in solchen Fällen mit der großen Welt verbinden. Gegenstöße werden angesetzt und durchgeführt, Panzer werden abgeschossen, der Einbruch wird teils zurückgeworfen, teils abgeriegelt, sodass jetzt, da es gegen Abend geht und die Artillerie stärker ins Dorf schießt, die Lage einigermaßen geklärt erscheint. — Morgen kommt er gewisslich wieder.
An meinen Batterieoffizier gewöhne ich mich doch langsam. — Für einen Brief nach Hause habe ich in solch prekären Situationen wohl Zeit, aber keine innere Ruhe. Die kann gar nicht aufkommen, weil ich sie nach außen bewahren muss. So ein Widerspruch! Jedenfalls sehe ich schon wieder schwarz. Dieser verfluchte Pessimismus, gegen den ich mich nicht wehren kann.
22. Oktober 1943
Iwan lässt uns heute länger schlafen. Feuer, wieder drüben rechts, beginnt erst gegen 7 Uhr. Um 8 Uhr eigener Bereinigungsangriff, der sich festfährt. Busse macht Gegenangriff und gewinnt Linie von gestern Abend wieder. Um die Mittagszeit wackelt die Wand. Mit schwerer Artillerie umschießt er das ganze Dorf, dass es seine Art hat. Rege Fliegertätigkeit des Russen. Von unseren heute nicht viel zu sehen. — Verstärkungen kommen heran. Artillerie und Infanterie. Außerdem Ersatz. Tut auch Not. Nur wir bekommen nichts. — Heute kommt auch Lt. Bauer aus dem Urlaub zurück. Eben schießt Iwan wieder. Offenbar zur Begrüßung. Ich wage nicht an Urlaub zu denken.
23. Oktober 1943
Die Heftigkeit des Feuers nimmt ab, und der Tag klingt in einiger Stille aus. Wir kamen nicht mal zum Schuss. Lt. Bauer, alter Kamerad aus Gelle, ist da. Somit stünde meinem Urlaub nichts im Wege, außer dem hohen Regiment. Der frischgebackene Obstlt. und Rgts. hdr., der alte Heinrich Rank, der in fortgeschrittener Stimmung jedermann empfiehlt, sich „am Eiszapfen der Erkenntnis emporzulutschen“, fuhr auf Behrgang und in Urlaub und hinterließ uns, wohl, damit wir seiner gedächten, eine Urlaubssperre.
24. Oktober 1943
Im ersten Monat in der 7. habe ich mit ihr 498 Schuss verschossen, das sind 24.900 kg Sprengstoff. Immerhin.
Ein herrlicher Herbstsonnensonntag voll artilleristischer Ruhe, erwartungsschwer. — Schlafen, Besen, Schreiben, ernste und dusselige Gespräche, Zeittotschlag. Das Essen wird nicht vergessen. Hühner gibt’s noch immer.
Es ist ein Spott, wenn man in den Zeitungen von der ausgebauten Dnjepr-Stellung liest. Nichts ist sie weniger als das.
25. Oktober 1943
Immer beängstigender wird die Ruhe. Beobachtung, Fliegeraufklärung und Überläuferaussagen ergeben: Im eigenen Abschnitt Verstärkungen, heftiges Schanzen, Angriffsabsicht, die auch wir heute bekämpften. Im Nachbarbrückenkopf, 6 km von hier, Verstärkungen und rd. 100 Panzer. Dazu sind wir knapp an Munition. Das kann ja übel werden. Also mal abwarten.
Der Spieß besucht mich wie täglich. Er ist ein Engel. Er bringt endlich einen Rundfunkempfänger und Zigaretten.
Abends Besuch beim Stab. Langweilig, wenn der Kommandeur nicht da ist. Was wir an ihm haben, merkt man da erst. — Commichau will die Abteilung auch wieder haben. Offizier und Mann haben alle Achtung vor ihm, aber Rohrbach ist ihnen lieber. Mir auch.
Die Nachrichten sind böse. Neue Brückenköpfe über den Dnjepr, alte vergrößert, Iwan überall im Angriff und offenbar vor Krivoi Rog. Guten Abend!
26. Oktober 1943
Märchenhafter Herbst. Bak- und Granatwerfer-Störungsfeuer lebt auf. Der Kommandeur kommt zu Besuch, verleiht ein KVK II an Uffz. Köhler, vertröstet mich mit dem Urlaub auf einen Monat und erzählt. Dann kommt Oberst Kansmann, nimmt nachträglich gehorsamste Geburtstagsglückwünsche entgegen und plaudert auch ein bisschen. Dann wird die Stellung besehen, begutachtet und kritisiert. Schließlich fahren sie zur B-Stelle und verschwinden zu weiteren Besuchen. Jetzt ist Mittag, und wir warten auf das Essen.
Bei Nebel Ausbau der Befestigung unserer eigenen Stellung. Gräben, Schützenstände. Morgen soll’s weitergehen, sofern es Iwan erlaubt. Sonniger, lauer Nachmittag. Wenig Geschieße. Man sagt, der Russe habe Kräfte für Krementschug abgezogen. Besuch des Hauptmanns. Zwei EK II für die Gefr. Dietze und Puchs. Strahlende Gesichter. Ich bekomme wieder eine Halsentzündung. Abend beim Doppelkopf. Anschließend ernste Gespräche und dann noch einen Pudding. Apropos Lautsprecherpropaganda des Russen: „Kommt herüber! Bei uns gibt’s in der Woche dreimal Pudding und zweimal Geschlechtsverkehr!“ Die kennen anscheinend den Bandser.
28. Oktober 1943
Weiterer Ausbau der „Festung“. Wird bald ein wirres System, sofern Iwan den Weiterbau zulässt. Am Morgen hat es -5 Grad. Also beginnt der Winter. Zu einem kleinen Versuchsschießen erscheint der Kdr. In seiner lebhaften, liebenswürdigen Art bestaunt er mit hellen Ausrufen des Entzückens die Erdbewegungen. In unser stilles Tal fällt kein Schuss. Abends Doppelkopf. Die alten Schwerter sind es nicht mehr. Ich habe verloren.
29. Oktober 1943
Bei nachlassendem Frost und Sonne Weiterarbeit an der Befestigung. Eigener Angriff gegen Nachbarbrückenkopf. Ergebnis noch nicht heraus. Gegen Abend russischer Angriff am rechten Flügel unseres Bereiches. Wir setzen ein paar Schüsse hin. Sonst Ruhe. Kdr. wieder da. Drei EK II in die Batterie. Ha! Marketenderwaren! Also die neue Rauchepoche. Wir legen uns einen Hühnerstall zu. 18 Biester stecken schon drinnen.
30. Oktober 1943
Ein Jffz. bringt mir eine Nummer „Freies Deutschland“, Organ des gleichnamigen Komitees alter Kommunisten und Gefangener, sofern die Namen tatsächlich hergegeben wurden. (General v. Seydlitz, Grafen, Freiherren, Offiziere, Unteroffiziere, Soldaten). Dieses Organ ist sehr, sehr geschickt, und man muss sich ihm zweifelsohne mit einer gewissen Gewalt entziehen. Mit dem Gefühl kann ich es nicht überwinden. Ich brauche die Gedanken dazu.
Bei einem Besuch bei der benachbarten Haubitzbatterie verhandle ich mit Bt. Kaufmann. Beim außerdienstlichen „Woher“ und „Wohin“ stellt sich heraus: Er wohnt in Jena, 300 m von mir, Talstraße 6. Gemeinsame Bekannte, trübe Mitteilungen, viele Gefallene.
31. Oktober 1943
Erst melden sich die Leute zum Kirchgang, d. h. Feldgottesdienst, dann wollen sie plötzlich nicht, da sie merken, dass nachmittags nicht an der Stellung gearbeitet wird. Da zwang ich sie natürlich. Darüber staunte der Hauptmann und lachte furchtbar. Der Tag ist nieselig und ruhig. Ich habe eine Flasche „Apricot Brandy“ verschlossen in der Ecke. Lt. Blankenborn, dem Süßmaul, das eine ganze Rolle Drops auf einmal isst (!), wollen die Stielaugen nicht kürzer werden. Und ich kann so unendlich lange damit warten.
1. November 1943
Wiedermal Trommelfeuer im rechten Abschnitt und stärkeres Störungsfeuer bei uns. Russe greift an mehreren Stellen an und wird sehr blutig abgewiesen. Das kommt, wenn man unerbetene Besuche macht. Gegen die Flieger ist nichts zu machen. Dafür steht hinten die Flak. Aber uns griffen sie heute ein paarmal an. Wir sitzen im Bunker, ich am Fenster. Ein Knall, Dreck und Glassplitter. Und mir in die „Fresse“. Sieht anfangs übler aus, als es ist, durch das Blut. Im Lazarett in Kargalyk Behandlung und Pflasterverbände. In halbstündiger Tortur ohne Betäubung Splitter aus der Oberlippe von innen genommen. Rückmeldung beim strahlenden Kommandeur. Abends wieder im Bunker.
2. November 1943
Früh ein bisschen Schießerei, kleine Angriffe des Russen, Einbrüche „bereinigt“, gegen Mittag Flieger über uns, russische natürlich, störende Granatwerfer, sonst ruhig.
Ich habe durch das gestrige Erlebnis etwas Kopfbrummen und Fieber. Dennoch abends Doppelkopf bei der Abteilung in Bipowij Rog.
Ernste Kürzungen und Sparmaßnahmen, die mit dem 5. Kriegsjahr zusammenhängen, stehen uns bevor.
3. November 1943
Täglich versucht es Iwan aufs Neue. Heute legten wir vier Schuss in eine seiner Bereitstellungs-Schluchten. Nach Beobachtung wurden 25 Verwundete hinausgetragen. Mit Menschen ist es auch nicht toll bei Iwan. Im Nachbarbrückenkopf „Dnjepr-Schleife“, sollen 1000 Zivilisten, kurz mit Gewehren und Maschinenpistolen bewaffnet, angegriffen haben. Weiter südlich hat er einen Brückenkopf kampflos geräumt und die Truppen bei Kiew ins Gefecht geführt. Man sieht, worauf es heute ankommt: aufs sture Aushalten. Er drüben pfeift auch auf dem letzten Loch. In der Propaganda blufft man sich natürlich großfressig.
Dennoch setzte er uns heute wieder einige schwere Koffer vor die Nase. Seit fünf Tagen ist die 8. auf sieben Tage herausgezogen. In zwei Tagen kommt natürlich die 9. dran. Wir können wieder warten. Allerdings hatte sie heute wieder Pech. Mit einem Einschlag eine ganze Bedienung ausgefallen. Beste Kerle.
4. November 1943
Im Schutz der Nacht ist Iwan im rechten Teil meines Betreuungsbereichs eingebrochen. Nebel, Nebel, gegen Abend Regen und Schnee, trostlos. Gegenangriff unterstützen wir nach besten Kräften und die sind gering. Der Munitionsmangel!
Am Mittag Besuch bei der Küche, die doch im Feuerbereich liegt. Das ist sie nicht gewöhnt und will sich darum nicht eingraben. Na, jetzt tut sie’s aber. Auf Hin- und Rückweg Besuch bei Kdr. mit, wie gewöhnlich, netten Gesprächen.
5. November 1943
Bei uns ist wiedermal Ruhe, weiter rechts böser Rabbatz. Der russische Einbruch konnte nicht bereinigt werden. So sitzt er mitten zwischen den beiden Linien. Was das morgen, am roten Revolutionstag, werden soll, ist unklar, denn traditionsgemäß greift er morgen an. Und wir haben noch 54 Schuss.
6. November 1943
Rabbatz also an allen Fronten. Einbrüche, Ausbügelungen. Die feindlichen schweren Waffen schießen stundenlang Trommelfeuer beim rechten Nachbar. Wir selbst blieben heute verschont. Obwohl ein strahlender, kalter Tag ist, sind nur wenige Flieger da. Wir schießen auch nicht. Entsprechende Bitten der Infanterie müssen wir leider ablehnen. Zu wenig Munition. Die wir haben, bleibt für Großschweinereien reserviert. Größere innere Eingliederungen stehen bevor. Ich muss drei Stellen mit Verbindungskommandos bzw. mit Beobachtern versehen. Bisschen viel für eine Batterie. Im letzten Novemberdrittel soll ich auf Urlaub fahren. Zu schön, um wahr zu sein.
7. November 1943
Ein wenig Sonntagsruhe bei mal leisem, mal Bindfadenregen. Da kommt ein Hauptmann von der Artillerie hereingeschneit. Ehe er, außer der Vorstellung, zum Sprechen kommt, sage ich ihm schon: “Herr Hauptmann, wollen abgeschleppt werden?” – “Ja.” Ich kenne doch meine Bappenheimer. Er sitzt eine halbe Stunde hier, raucht meine Zigaretten, und wir plaudern. Die Russen stehen mit Teilen vor Fastoff und bedrohen unsere Hauptnachschublinie. “Das Reich” wurde plötzlich dorthin geworfen zur Rettung der Situation. – Die Vergeltung gegen England marschiert, wann sie aber hinkommt, ist noch gar nicht heraus.
8. November 1943
Ein im Ganzen ruhiger Tag. Gegen Abend kommt der Kommandeur noch auf einen Kurzbesuch. Diesmal hinterlässt er keine Freude mit seinen Äußerungen über personelle Dinge. – Gegen 18 Uhr hören wir aus Norden heftiges Hurragebrüll. Anfragen bei Infanterie: Russe ist mit 200–300 Mann ein- und durchgebrochen. Teile stecken schon in Uljaniki und sind im Anmarsch gegen uns. Batterie auf Infanterie-Gefechtsstationen. – Anrufe und Gegenrufe dicht auf dicht. Wir müssen Gegenstoß machen. Batterie Bauer und Batterie Blankenhorn gehen mit 2/3 der Batterie vor. Auf Befehl des Kommandeurs bleibe ich zur taktischen Betreuung. Zusammen mit ein paar Artilleristen wird die Gegend bis vor unsere vordere Stellung gesäubert. Die beiden vorderen Werfer waren knapp unter MG-Beschuss entkommen. Gegen Mitternacht gehe ich selbst vor und besehe mir den Schaden. Hatte gut geklappt. Keine Ausfälle.
9. November 1943
2:30 Uhr neuerlicher Antritt zur weiteren Säuberung des Nordteils U. Da der Mond verschwindet, zu dunkel. Es wird gesichert und abgeriegelt. Die ganze Nacht kein Auge zu. Nur Telefonate und Befehle. Das Wetter ist schlecht. Im Morgengrauen Fortsetzung des Gegenstoßes. Verluste: Unteroffizier Tolzmann, dieser nette, frische Kerl, gefallen; ein Mann verwundet. – Bause hat sich eingeschanzt und bekommt laufend Zufuhr aus der Einbruchsstelle. Am Mittag, mit schwacher Artillerieunterstützung, greift Batterie Bauer an, zusammen mit wenigen Artilleristen und ein paar Pionieren. Anfangs geht’s gut, dann bleiben sie hängen. Verluste: 5 Tote, zwei Verwundete. Es ist zum Wahnsinnigwerden. So geht die Batterie in den Eimer, in einem Einsatz, der ihr nicht entspricht. – Ich sitze immer noch hinten. Nun tue ich im Wesentlichen nur drängen, dass meine Beute herausgezogen wird. – Wetter ist schlecht. Verpflegungsnachschub nicht möglich. Mit Mühe bringen wir Munition hin. – Die Riegelstellung ist nicht zu halten. So werden die Beute aus dem Dorf gezogen und 300 Meter ostwärts dieses Straßendorfes an einem Bach eingeigelt. – Abends schicke ich eine Wachmannschaft mit Essen und Munition hin. Plötzlich bekommt sie Feuer, Russen. Die beiden Leute springen raus, schießen, werden aber mit Handgranaten angegriffen und müssen stiften. Fahrzeug futsch. Damit der Großteil unseres Fernsprechgeräts. - Ich habe keinen Durst und keinen Hunger. Nur Rauch. - Iwan drückt schon wieder auf den Höhen NO und NW von uns. Schweinerei groß. So schicke ich die Fahrzeuge mit den Werfern zurück zum Troß.
Vljaniki, 10. November 1943
Im Morgengrauen fällt Lt. Bauer durch Kopfschuß. Führerlos ge worden, erschöpft, hungrig, apathisch kommen die Leute in Grüppchen zu mir zurück. - Lage brennt. Sie müssen wieder vor. Unter Lt. Blan kenborn. Sie riegeln wieder ab, an der Kirche. Es fällt mein hoff nungsvollster Uffz. Schreiber. Zwei schwerverwundete Männer (Fuchs und Blinke, beide tragen das EK, treue, schlichte, tapfere Kerle).
Am frühen Nachmittag endlich ernster Gegenstoß mit SFB, einem Infanteriebataillon, mit schweren MGs, taktisch klug angesetzt, Feuer der Artillerie und unserer 8., die allein noch als Batterie in Stellung ist. - Während der Angriff läuft, darf ich endlich die Batterie herausziehen. Jetzt haben sie gegessen, trocknen sich und schlafen. Dennoch ist natürlich Alarmbereitschaft.
Das menschlich Bitterste dieser Tage habe ich nicht miterlebt, doch das als Führer einer Einheit Furchtbarste genoß ich bis zur Neige: Die Männer im Dreck zu wissen, die Verluste zu hören und nichts tun zu können als allen möglichen Leuten klarzumachen, daß die Batterie aus dieser Sache heraus muß.
Bis jetzt hatte die Batterie seit 5. Juli die bei weitem wenig sten Verluste. In zwei Tagen hat sie alles aufgeholt.
Pii, 11. November 1943
Nach leidlich ruhiger Nacht ziehen wir in Gruppen aus der Stellung in Bereitschaft nach Bii. Hier bestatten wir auch unsere neun Toten.
Unterkunft in ganz ordentlichen Häusern. Sogar Scheiben gibt’s da noch. Großwäsche und Waffenpflege.
Die Nacht hat es geschneit. Temperatur um den Nullpunkt. Also Schneematsch. Fahrzeuge mahlen schwer.
12. November 1943
Am Morgen nahmen wir Abschied von unseren gefallenen Kameraden. Der Kommandeur konnte seinen Pfarrer nicht verleugnen, er wollte es auch gar nicht. Er sprach aber sehr, sehr fein vom Sinn ihres Todes, davon, daß eine große Gefahr für die Front drohte, die zu be seitigen noch mehr Opfer gefordert hätte. - Als ich ihm nachher persönlich dankte, konnte ich nicht weitersprechen. Es war doch ein harter Schlag.
Nun, da wir unsere Auffrischungswoche antreten sollen, kommt Munition, und wir müssen uns auf Abkürzung gefaßt machen. So ein Mist. Und meine Urlaubschancen sinken.
Pustowoity, 13. November 1943
Im Morgengrauen wurde die letzte Brücke im Brückenkopf geschlos sen, während wir in stiller Herauserzogenheit den Schlaf des Ge rechten pennen. Meine gute alte 9. löst uns ab. Nach einigen Schwierigkeiten Ab- und Dreckmarsch zum Troß. Auffrischung, wenn’s bestens geht, eine Woche energischer Arbeit. Herrgott, was gibt es doch zu tun! Dennoch nach einem Appell an die Batterie einen ge mischten Doppelkopf mit dem Stabszahlmeister bei gutem Cointreau. Mein Benedictine jedoch ist besser.
Die Nachrichten sind nicht gut. Iwan im Vorstoß auf Shitomir, das liegt 40 km von Berditschew. Verdammt und gute Nacht!
Pustowoity, 14. November 1943
Früh um 2 Uhr hörte ich auf der Straße die letzten Jodler aus dem Schnaps von gestern Abend. Der Tag ist leidlich ausge füllt mit „Dienstgeschäften“. Am Abend noch Beurteilungen für Beförderungen. Und die ersten Briefe an die Angehörigen der Gefal lenen. Viel kann ich da nicht auf einmal schreiben. Ich habe das Bestreben, jedem individuell gerecht zu werden, schreibe nur selbst. Mit Maschine zu schreiben, halte ich bei solchen Briefen für eine Gemeinheit.
In meinem Zimmer mit Musik fühle ich mich durchaus wohl. Nur glaube ich nicht an die Dauer. Außerdem scheint mir, wir müssen in diesem Winter noch mehr aufgeben. Die Russen operieren stark und geschickt, zielbewusst und zielstrebig. – Ich verspreche mir heute sehr viel von der Vergeltung gegen England.
15. November 1943
Die ganze Batterie macht technischen Dienst an den Fahrzeugen. Ich schreibe weiter Briefe an die Angehörigen der Gefallenen. Auch sonst ist viel zu tun.
Abends Besen, Schreiben und Musik. Seit gestern ist es lau, und es weht starker Wind. Heute ist es gut abgetrocknet. Wäre schön, ginge es so weiter.
16. November 1943
Arbeitsdienst bei schlechtem, trübem Wetter. Je genauer man die Fahrzeuge ansieht, desto kaputter werden sie.
Während des Abends mit Bt. Bl. und dem Spieß ein Brief vom Kdr.: Sofortige Marschbereitschaft herstellen, morgen Stellungs wechsel der Abteilung. – Meine Herren, draußen stehen die Fahrzeuge ohne Ketten mit gehobenen Motoren, ausgebauten Kupplungen herum. Kaum 1/3 ist so schnell marschbereit!
17. November 1943
Mit Morgengrauen Beginn schärfster Arbeit. 10 Uhr kommt „schon“ der Abruf. Um 10 Uhr soll ich schon 35 km von hier sein. Na, Befehle um dem Befehl gerecht zu werden und dann „Führer voraus“ über Kargalyk nach Nowosselki. Dort ist nicht viel los. Nur die Frage steht in der Luft, ob mich der Gegenbefehl nicht erreicht hat. Gut, fahren wir wieder heim. Die Batterie selbst hat er noch er reicht. Noch eine halbe Stunde Geplauder mit dem Kommandeur und dann ab.
Auf der Rückfahrt Nebel im Abenddämmern. Die Weite des Bandes ist nicht zu sehen, aber zu ahnen. Aus dem Schleier leuchten unter Birken und kahlen Bäumen ab und zu die schneeweißen Häuser der Dörfer hervor. Das Band macht wieder starken Eindruck auf mich. Man könnte überlaufen, um in diesem Band zu bleiben, wenn es nicht um mehr ginge als um ein Einzelschicksal.
Ich schätze die Zivilisation sehr und kann nicht verstehen, wie mich dieses Band so ergreifen kann mit seinen unendlichen öden Flächen, den weiten Dörfern, den Behm-Häusern mit dem wenigen, genormten, unpersönlichen Gerät, den arm gekleideten Menschen, die doch zufrieden sind und nicht schlecht leben. Hinter das Geheimnis Russlands kann man in 10 Jahren nicht kommen.
18. November 1943
Wieder droht der Winter. – Die Auffrischungszeit soll verlängert werden. Ich würde mich freuen, sähe ich nicht immer so schwarz. Und zu oft habe ich recht damit.
Heute beantrage ich Urlaub. Siehe oben.
19. November 1943
Besuch eines Stabsveterinärs und eines Stützpunktleiters aus dem anderen Dorfteil, in dem Leute von mir vergewaltigt, geprügelt und gestört haben sollen. Schweinerei. Ist was Wahres dran, wenn auch nicht so schlimm, wie es zuerst aussah. Die Russinnen erkennen einiges sofort. Auch Uffz. Müller, mit dem ich viel vorhatte. Drei Stunden Untersuchung mit Ruhe und Krach, Gegenüberstellungen, Beweisen, Leugnen, schließlich Bekenntnis. Ergebnis: Ein Mann schwer vorbestraft, schwer schuldig, ein Mann etwas leichter, zwei Uffze leicht schuldig. Ursache? Suff. Der verfluchte Schnaps! Mir steht’s bis zum Hals.
Mein Urlaub ist genehmigt.
20. November 1943
Ersatz kommt. Ich bekomme 1 Wachtmeister und 9 Mann, reichlich wenig.
Besuch des Kommandeurs, Vortrag über die internen Batterieereignisse. Entsetzen. Zudem ist der ruhige, stille Ogfr. Kohl gestern tödlich verunglückt. Die Pechsträhne der Batterie.
Abends noch zwei Tatberichte gegen die oben erwähnten zwei Mann, die vors Kriegsgericht kommen. Die beiden Uffze bestrafe ich selbst. Schmutzige Wäsche vor der Übergabe der Batterie an meinen Vertreter, Olt. Seidel.
21. November 1943
Morgens Abmeldung bei den Kommandeuren. Blöde Dreckfahrt mit 10/1, Eiertanz. Vorne ist es ruhig.
Abends hört man aus Nord das Brummen der Front. Was nur da wieder los ist.
Morgen nun soll’s auf Urlaub gehen, und ich bin unruhig wie ein Kind vor Weihnachten.
Nürnberg, 17. Dezember 1943
Urlaub passfe. Schwerer Abschied. Die letzten Bilder: die winkenden Eltern mit Hartmut an der Gartentür, Wilfrid und Helga springen an der Ecke winkend herum, und am Bahnhof zwei nasse Augen und eine winkende Hand, werden immer kleiner.
Im Abteil ein SS-Untersturmführer, mit dem ich vor genau 6 Jahren auf der Reichsführerschule war.
Kowel, 19. Dezember 1943
Glatte bequeme Fahrt allein mit Major Roegling, der Ortskommandant irgendwo werden soll, der gesprächig und nett ist. Hier treffe ich wieder Hptm. Pfeil, der mir strahlend erzählt, er hätte das Deutsche Kreuz in Gold bekommen, nur hätte er es noch nicht. Mit ihm war ich schon in Urlaub gefahren. So fahren wir gemeinsam wieder ins Feld.
Berditschew, 20. Dezember 1943
Nach 19-stündiger Fahrt im einigermaßen geheizten Zug komme ich im alten, lieben B. an. Mein Regiment soll in Ruhe nicht weit von hier liegen. Nacht in recht behelfsmäßiger Offiziers-Unterkunft, zusammen mit zwei Leutnants von „Feldherrnhalle“. Mit einem gemeinsame Bekannte aus Hamburg.