Sommer 1942

Lazarett Nikolajew, 22. Juni 1942

Die Wunde heilt nur langsam. Lt. Rothe und Lt. Brakhusen flogen früh ab. Tagsüber Lesen, Schreiben, Essen, Skat.

Lazarett Nikolajew, 25. Juni 1942

Zum ersten Male wieder in der Stadt, mit Lt. Mallo. Stadt wirkt im Grün viel besser als im trüben, kalten Winter. Viel Leben.

Lazarett Nikolajew, 26. Juni 1942

Gestern Abend noch im Theater. “Butterfly” auf Russisch. Anschließend böser Trunk im Arztekasino. Rosenberg ist in der Stadt.

Lazarett N., 3. Juli 1942

Gleichmaß der Tage: Schlafen, Lesen, Schreiben, Unfug und Rudern auf dem Ingul.

Lazarett N., 10. Juli 1942

Morgen werde ich zur Truppe entlassen. Der Arzt protestiert, aber er lässt mich.

Simferopol (Sowchose Krasny), 14. Juli 1942

Unter Protest des Arztes am 12. VII. aus dem Lazarett “2/606” Nikolajew entlassen. Endlose Bummelei mit vollen Zügen nach Cherson, Nächtigung in der Frontleitstelle, mit Eisenbahnfähre über den Dnjepr, eine Stunde zu Fuß durch den Sand nach Aljeschki, 10 Stunden nach Dschankoj, 4 Stunden nach Simferopol. Wieder bei der Batterie. Ein Teil von ihr rückt gerade ab. Wir sollen in zwei Tagen folgen.

Sowchose Krasny, 15. Juli 1942

Sehr, sehr ernste und lange und offene Aussprache mit Stabsarzt Dr. Bartels. Ein fabelhaft feiner Mann.

Sowchose Krasny, 16. Juli 1942

Es ist wunderbares Wetter, heiß und wolkenlos klar. Die Nächte lau, der Himmel plastisch wie selten.

Die Krimkrankheit hat mich nun endlich doch noch gepackt. Übel. Wir haben jetzt zwei zur Batterie gehörende Russen, Gefangene, Autoschlosser, die alle mögliche Hilfe leisten müssen, sich aber bei anständiger Behandlung und Verpflegung sehr wohl fühlen.

Sowchose Krasny, 18. Juli 1942

Nochmal bei Dr. Bartels. Bespräche nicht nur über unseren Fall, sondern auch allgemeiner Natur.

Bahnhof Simferopol, 20. Juli 1942

Um 4 Uhr früh war Wecken, Verladen wird um Stunden verschoben. Also Skat spielen. Mittags endlich geht’s los. Abends sitzen wir in unserem Wagen, die wir uns gemütlich eingerichtet haben: Radio, Fernsprecher, elektr. Licht. Gute Speisevorräte, wenn nur die Krimkrankheit nicht wäre.

Nachts fährt er endlich los.

Saparosch, 21. Juli 1942, 17 Uhr

Wir wohnen in einem Wagen dritter Klasse mit Mittelgang. Schlaf und Traum der Nacht waren vom Rollen der Räder durchflochten. Nicht störend, eher beruhigend. Dshankoj, Taganasch, Nowo Alexejewka, Partisany, Melitopol, Fedorowka, Reichenfeld, Saparosch.

Diesmal also nicht über Perekop, sondern über den Damm durch das Faule Meer. Es ist glühend heiß. Das Land ist endlos flach. Aber es ist schön in seiner Art, und man sieht ihm seine Frucht­ barkeit an. Die Ernte ist in vollem Gange: Plantagenwirtschaft: Riesige Felder von Getreide aller Art, Sonnenblumen, Gemüse, Obst­ bäumen.

Die Fliegen plagen sehr. Gut, dass wir noch so ein komisches Moskitonetz bezogen haben.

Stalino, den 23. Juli 1942, 10:30 Uhr

Nach überraschend schneller und glatter Fahrt, wurden wir gestern um die Mittagszeit hier ausgeladen. Quartierlage anschein­ end sehr schwierig, jedenfalls schliefen wir in Rutschenkowo, einem Stadtbezirk Stalinos, in Zelten.

Ich habe 40 Stunden nichts gegessen, meiner Krimkrankheit wegen, und bin unvorstellbar schlapp. Ein paar Knäckebrote heute früh vermochten den Kräftehaushalt noch nicht auszugleichen.

Die Stadt sieht aus wie eine Goldgräberstadt um 1900. Stadt­ mitte prachtvolle Asphaltstraßen, riesige, geschmacklose Bauten, nüchtern und düster, die nächsten Parallelstraßen sind bereits ungepflastert, holperig, wellig, wie eben ablaufendes Wasser den Erdboden gestaltet. Die Häuser sind die üblichen Dorfkaten. Industriell war die Stadt, einst etwa 1/4 Mill. Einwohner, sehr auf der Höhe, wie Leitungen, Werke, Schutthalden beweisen. Viel Volk ist auf der Straße: Männer im Einheitskostüm, Frauen in bunten Klei­ dern und weißen Kopftüchern. Auf den Straßen werden Kirschen, un­ reifes Obst, Gurken usw. in unappetitlicher Weise angeboten. In kleinen Mengen zu hohen Preisen. Man hungert, und überall betteln Kinder um Brot. Geld ist genug vorhanden bei den Russen.

Stalino, 24. Juli 1942

Vormittag in der Stadt im Lazarett 2/607 zum Verbandswechsel. Arzt schimpft, wieso ich aus dem Lazarett entlassen worden wäre. Das alte Lied singt er dann, was mir Schwestern, Ärzte und Kom­ mandeur in Nikolajew bliesen: Angeborener Leichtsinn. Wenn die wüssten!

Stalino, 26. Juli 1942

Morgen sollen wir marschieren. Wir glauben noch nicht daran. Abends “La Traviata” auf Russisch im Theater. Der Bau von außen protzig, klotzig, geschmacklos, innen gar nicht schlecht. Musik und Gestaltung ganz gut, Inszenierung und Kostümierung lachhaft, bringt bei aller Tragik die heitersten Situationen.

Sugress, den 27. Juli 1942

Also doch Abmarsch, schneller als erwartet. Ruhiges Rollen von Stalino über Makejewka, Charzisk hierher. Alles ausgeblasene Industriestädte. Sehr viel zerstört. Durch die Russen bei ihrem Abzug.

Die Bevölkerung ist freundlich allerorten. In Stalino wohnten wir in einer Arbeitersiedlung, kleine, primitive Häuschen, sehr sauber, mit einem ertragreichen Gärtchen herum. Die Leute geben von dem Wenigen, das sie haben, noch an die Landser ab. Sauerkirschen und so als Gastgeschenk, nahmen uns die Wäsche ab und riefen “Auf Wiedersehen”, als wir abfuhren. Auch eine ältere Frau mit Chromnickelgebiss zu mir. Ich kannte sie gar nicht.

Das Volk hat keinen Begriff vom Geldeswert. Für ein Gläschen Kirschen (frisch vom Baum) verlangen sie 1 RM, für ein Ei 1,20 RM. Landser ist selbst dran schuld, weil er alles zahlt. Verbandswechsel. Wunde heilt gut.

Bolschekrepinskaja, 29. Juli 1942

An einem glühheißen Tag rollten wir gestern von Sucress über Snosknoje in dieses armselige Dörfchen bei Bolschekrepinskaja. Durch ein weitwelliges, offenes Hügelland auf staubigsten Straßen ging es. Viele Kilometer voraus und rückwärts sahen wir den Verlauf der Vormarschstraße an hohen Staubfahnen. Entsprechend sehen auch wir aus.

Heute liegen wir schon den ganzen Tag und aalen uns. Post keine in Aussicht, aber von Hptm. Commichau vernommen worden in Sachen Stabswachtmeister Burdaks Vorwürfen gegen den Chef.

Br: 47° 10’ N L: 39° 50’ O. Imeni Lenina, 31. Juli 1942

Gestern Marsch mit vielen, vielen Stockungen durch Rostow, über den Don, kein sehr eindrucksvoller Fluss, über Bataisk. Eintreffen der Abteilung gegen Mitternacht in Imeni Lenina.

Ehrenvoller Auftrag des Kommandeurs, fremde Fahrzeuge aus der Kolonne vor der Don-Brücke auszufransen. Flohsackhüten. Ein Major der Feldpolizei macht mir klar, dass weder ich, noch der Kommandeur, sondern er die Verantwortung dort habe. Der Herr hatte recht. Es ging aber leidlich.

Rostow liegt sehr schön und sieht grauenvoll aus. Brennt jetzt noch mancherorts.

Unser Muschi warf während des Marsches 8 Junge. 3 tot. Sie ist stolz und bissig.

Nun haben wir uns einen halben Tag geaalt, die Vitaminbestände aus neuen Kartoffeln, Tomaten, Gurken ergänzt, das Zeug gibt es in Massen. Wir warten nun auf den Abmarsch.

Meiner harrt wieder ein Kommando wie gestern. Die russischen Karten sind gottvoll. Wege sind eingezeichnet, die es nicht gibt, Wege gibt es, die nicht eingetragen sind. Straßen hören mitten im Kartenblatt auf. Das kann möglich sein. Aber auch Flussläufe tun es. Von der inneren Genauigkeit und der Plastik will ich nicht sprechen.

Br: 47° N L: 40° 12’ O. Rodniki, 1. August 1942

Olginskaja, zweimal Pervomaiski, Oslovka, Rodniki - war die Staubfahrt des gestrigen Tages.

Wie einst Roosevelt hinter dem Krieg, rasen wir hinter der Offensive her, obwohl das Gelände für unsere Waffe denkbar ungünstig ist.

Oft sehe ich nach dem Süden, ob der Kaukasus noch nicht zu sehen ist. Wir sollen uns in Zukunft aus dem Lande verpflegen. Heute ging’s schon los, auf unserem Mittagstisch wird eine Gans stehen.

Rodniki, 3. August 1942

Schon den dritten Tag da. Tageshitze wird erträglich durch stetigen Wind. Abends und nachts ist es sehr kühl. Jeder schlägt seine Zeit auf seine Weise tot: Skat, Schach, Lesen, Pfannkuchenbacken, Schlafen. Alles idyllisch im Schatten eines Gartens.

Rodniki, 4. August 1942

Wenn wir noch lange bei Selbstverpflegung hier bleiben, sehe ich schwarz. Dann wird uns der Ortsausgang zu eng. Zwischen unsere Lagerplätze haben sich heute Gebirgsjäger geschoben. Der Kompaniechef, ein Bayer, prächtige Erscheinung, erzählt begeistert vom Kampfwert der Kroaten, Slowaken und Ungarn. Rumänen hätten sich sehr gebessert. Die Italiener seien unter jeder Kritik. Hptm. Commichau hat Geburtstag. Kleine Feier.

Rodniki, 6. August 1942

Abends riecht es auf unserem Lagerplatz wie auf der Schützenwiese. In jedem Winkel knackt, prasselt und schmort es. Mit dem, was sich die Landser in eigener Regie zurechtkochen, könnte man den Speisezettel eines guten Hotels ausfüllen. Mit dem Einsatz jedoch sieht es trübe aus. Endlich Post von zu Hause: Zwillingssöhne. Leider, leider starb der kleine Dietrich. Es ist sehr bitter, aber wohl besser so.

Rodniki, 8. August 1942

Glühheiße Sonne seit Tagen, dazu ständiger, starker Südwind. Das drückt auf Gemüter und Stimmung. Alles ist reizbar und empfindlich, zum Lachen. Abmarschvorbereitungen. Hoffentlich wird’s.

Br:46 Gr.1o’ N. L:41 Gr.5’ O. Petrodschankousko, 9. August 1942, 13 Uhr

Marsch von Rodniki über Metschetienskaja, Jegorlykskaja, Sredi-Jegorlyk hierher. Diese Orte haben die Ausdehnung von kleinen Städten, sind aber nur ganz primitive Dörfer mit nur kleinen Lehmhütten. Sie sind aber sauber und liegen mitten in Feldern und Obstgärten, was so das Richtige für uns ist.

Hurra! Postausgabe! Für mich - zwei Zeitungen. Hauptvormarschstraßen ohne Verkehrsregelung sind hohe Schulen für Straßenräuberei. Man braust in drei Kolonnen nebeneinander, überholt rechts und links, je nach den Löchern in den Marschsäulen und je nach Unverschämtheit. Das spielt sich oft bei einem Tempo von 80 km/h ab. Und, o Wunder, es passiert nichts.

Man sitzt im Schatten, tut nichts, ist müde und schwitzt. Schläft man, fressen einen Fliegen und Mücken aller Arten und Größe.

Aus dem Kaukasus werden englische Truppen gemeldet. Hoffentlich kriegen wir sie vor die Rohre.

Die sogenannten Straßen sind ein langes Meer von Staub, sonst nichts. Wehe, wenn es regnet.

Br:46 Gr.1o’ N. L:41 Gr.5’ O. Am Kuban, 10. August 1942, 18.45 Uhr

Im ersten Morgendämmern, um drei Uhr, waren wir schon marschbereit. Jetzt sind wir nach 220 km noch auf Achse. Der Tag war beherrscht von Staub und Hitze. Weg: Powopoprowskaja, Hinskaja, Dmitrijewskaja, Novo Alexandrowskaja, Privolny, Woskresenskoje, Protschnokowskoje. Im ersten Ort durfte einer unserer Russen die Seinen besuchen. Ein anderer, aus Tiflis, desertierte während der Mittagsrast. Es wird kühl, und die Mücken sind lästig.

Am Kuban, 11. August 1942

½ 5 Uhr Kradmelder, Befehl, Batterie 5 Uhr marschbereit. Wecken usw. Wir schaffen es. Jetzt ist es 18 Uhr, und wir sind noch da. Das Panzerkorps, zu dem wir sollen, weiß nichts von uns und braucht uns nicht. Zum Teufel die Stunde, die mich zur Nebeltruppe brachte! Da hätte ich gestern den drohenden Urlaub nicht ausschlagen brauchen.

Br: 44° 56’ L: 41° 17’ Obeschenskaja, 12. August 1942

Unterkunftswechsel, entlang dem Kuban, an Armavir vorbei in unser Dorf. Ein Paradies: Äpfel, Birnen, Mirabellen, Melonen, Tomaten, Gurken, Honig, Sonnenblumenöl, Weintrauben (noch nicht reif). Alles in beliebiger Menge. Selbst Partisanen sollen in der Nähe sein.

Nur der Krieg ist noch fern. “Unser” Panzerkorps will uns anscheinend noch immer nicht. Ob die ahnen, dass wir zu viele Stäbe haben?

Obeschenskaja, 15. August 1942

Vor zwei Tagen Ablösung meines Olt. Linke. Nun Olt. Loschmann von der Nebeltruppenschule. Heute verlässt uns nun Olt. Linke.

Obeschenskaja, 16. August 1942

Gestern Abend noch Offizierssuff bei Kdr. Böse. Habe klaren Kopf behalten.

Ein eigenartiges Fieber grassiert. Bis 41 Grad, steigt und fällt. Benommenheit, Kopfschmerz, Dauer 3-4 Tage, ist keine Malaria – hat keinen Namen.

Vor Woroschilowsk, 19. August 1942

Vorgestern wollten wir 200 km vor, nach 90 km zogen wir hier in einem Wald unter. Die 9. Batterie allein geht in Einsatz. Gestern peinliche Versetzung als Abt.-B.-Offizier zum Stab. Wie gerne wäre ich bei der Batterie im Truppendienst geblieben. Ich gewöhne mich schlecht ein, es wird aber wohl sein müssen. Nach 6 Wochen der erste ordentliche Regen. Er ist eine Wohltat.

Br: 44° 10’ L: 43° Schelesnowodsk, 21. August 1942

Als Verbindungsoffizier vom Regiment zum Kdr. der Nbl. Tr. Reise von Woroschilowsk über Alexandrowskoje, Mineralnyje-Wody nach hier. Reine Fahrzeit 7 Stunden auf ungängigen, regenfeuchten Straßen. Ganz wider seinen Ruf empfängt mich der Oberst mit überstürzender Höflichkeit. – Wohnung im Hotel. Zimmer zeigt auf einen Teil des Badeortes in Laubwald, der sich nach Süden ausdehnt und ein Stück den Hang hochsteigt, der seine Höhe in Gipfeln von 1400 m (Beschtau) erreicht. Vorgebirge des Kaukasus. Es ist herrlich. Alte Bergsteigerlust macht sich auf, aber ich muss mich bereithalten und werde doch nichts zu tun bekommen.

Der Ort sieht ganz anmutig aus, so sehr wenig russisch, abgesehen von Sanatorien und Gipsdenkmälern. Es ist wunderbar, man badet im Schwefelbad von 38 Grad oder anderem Heilbad, frei nach Lust und Bedürfnis, trinkt das Zeug auch, wenn man will, aus den üblichen Badebrunnen.

Viele blonde, hellblonde und hellhäutige Mädchen gibt es da, charmante Figuren, drall und mit schönen Zähnen. Wo dieser Typ herkommt, ist mir unklar, hier, an der Grenze Asiens.

Shelesnowodsk, 22. August 1942

Morgens Schwefelbad im Hause: Badestube mit 10 Duschen und einer Wanne. Alles benimmt sich ungeniert voreinander, Landser, Offiziere, Arbeitsmänner, -führer. Während ich mich rasiere, als letzter im Lokal, mit Ruhe und Bedacht, erscheint im Bademantel ein weißhaariger Herr, setzt sich auf einen Stuhl und wartet offenbar, bis die Wanne voll ist. Irrtum, er wartet, bis ich draußen bin, da er als Generalarbeitsführer wesentlich anders aussehen dürfte als andere Sterbliche männlichen Geschlechts. Wetter wie seit Tagen: Bis 10 Uhr prachtvoll, anschließend Regen, Wolkenbruch. - Dolce far niente.

Shelesnowodsk, 25. August 1942

Noch immer ohne Auftrag. - Am Hang über dem Hotel steht ein Zug leichter Flak zum Schutz des AOK. Der Leutnant dort, alter Pg. und PI., leider SS-Mann, ist ein netter Kerl. Ordentliche Gespräche und ordentlicher Wein. Die blonden Mädchen hier stammen zum Großteil aus Deutschland. Woher? Wissen sie nicht. Ihre Urgroßeltern sind schon hier geboren. Das Bad hier war einst von Juden überlaufen. Eisenquellen für Magen, Nieren, Galle. Wetter bessert sich. Was nützt das, wenn man zum Stillsitzen verurteilt ist.

Woroschilowsk, 28. August 1942

Gestern Abend traf ich nach dem Film “Max, der Bruchpilot” (nett übrigens) den Oberstfeldmeister Dr. Fischer, einst SA-Mann in meinem Sturm. Überraschung, Freude und ein netter Abend bei gutem, kaukasischen Wein und lange entbehrten Zigaretten, in deren Qualm alte Jenaer Bilder lebendig wurden. Heute urplötzlich mit Einsatzbefehlen zurück zur Truppe. Unterkommen in einer Russenkate. Fliegen. Nicht leicht zu lüften, aber sauber. Die Leute sind sehr freundlich, nur regen sie mich auf wegen ihrer Sonnenblumenknipserei und -spuckerei. Das vollzieht sich natürlich im Nebenzimmer.

Woroschilowsk, 29. August 1942

Briefeschreiben und am Nachmittag Skat und Eierlikör bei meiner 8. Batterie. Morgen soll Abmarsch sein. Unser Doktor verpasst mir eine schöne weiße Halskrause gegen meine Genickfurunkel, die mir sehr zu schaffen machen. Ich komme mir selbst lästig vor.

L: 42 Gr. 20’ Br: 44 Gr. 25’ Kurssawka, den 30. August 1942

Gefechtsstab in mäßigem Tempo auf Vormarschstraße K - oft hinter der Abteilung her und holt sie einige km von hier ein. Es spritzt etwa 10 Minuten. Schon liegen die kmä Kradmelder kreuz und quer auf der Straße, schon toben die Räderfahrzeuge im ersten Gang. 2 cm unterm Dreck ist reiner Staub. Abends bis Mitternacht Doppelkopf mit Kdr., Adj., Arzt bei Eau de vie. Der Kommandeur ist ein feiner Mann, nur säuft er furchtbar und ist bald blau.

L: 44 Gr. 44’ Br: 44 Gr. Kanowo, den 31. August 1942

Mineralnyje-Wody, Georgijewsk, Ssowjetskaja war der Weg. In Woroschilowsk schon winkten uns die Leute abschiednehmend auf der Straße zu, in Georgijewsk liefen bei der Durchfahrt Frauen und Mädchen an die Wagen und schenkten uns Äpfel. An vielen Orten arbeiten Arbeitsdienst und OT an den Straßen.

Vor allem, weil letzterer werde: viele Frauen eingesetzt, die meisten Männer sind fort. In der Mitte der Arbeitsgruppe steht der Offizier. Ihr, ihn am eitel, die Jungen, ihre sehen drauf. Mit dem Sinken der Arbeitsleistung des Ausgangs steigt die Entfernung des Zielpunktes. Unterkunft in einer alten deutschen Siedlung. Untersuchungen mit russischen sind nicht feststellbar.

Gr.35 Br.45 Gr.551 Bugulow, 1. September 1942

Vormittags früh war ich im Laden tätig, später bin ich durchlaufen bei der Hitze und dem Staub, wie nach Süden, über Kurskaja, Lepilina, Russkij und Bugulow. Das Volk hier ist uns sehr freundlich gesinnt, spricht selbst nur schlecht Russisch. Nach dem ersten Weltkrieg gingen viele ihrer Männer und Offiziere nach Deutschland. Ihr Stand ist der der Osseten. Im Übrigen sind sie dreckiger als bisher erlebte Russen. Halblinks vor mir sitzt ein dralles Mädchen von 2 Jahren, nackt in der Sonne auf dem Lehmboden. Rechtes Händchen breit, links eine Melone. So sieht Körper, Gestik, alles aus. Rund und Melone, dicht von Fliegen überlaufen. Das stört die Kleine ebenso wenig wie die Mutter. Abwechselnd legt sie Brot oder Melone zum Bissen. Sie ist blond, blauäugig und rundlich.

Heute soll es noch weitergehen, morgen sollen wir solche schlechten Straßen hinter uns lassen. Das ist bei Gemeinschaft lästig. Furunkel, der einzige Erfolg der Front im Kur sind zwei Garnituren versauter Wäsche.

Bugulow, 2. September 1942

Gestern ging es noch weiter. In einer bisher nicht für möglich gehaltenen Staubburg brausten wir gen Osten. Ich weit hinter der Abteilung her. Das hat seine Gründe. Etwa am gleichen Längengrad Begegnung mit einer Staubwolke, trieb es teilbar. Es war die zurückflutende Wellung, die vorne nicht gebraucht wurde. Sie war bis Kriwonosow gewesen. Rückfahrt wieder allein. Auf unbekannten Wegen rollen wir plötzlich in ein bahnstiefes Loch und stecken eine Nacht drin. Zudem kam in der Nacht noch Regen. Sehen! Kaum zurück, geht es schon wieder nach Kriwonosow, ich allein, eine Batterie herzufinden. Gut und schnell wieder da. Was erfordert, wird getestet. Vorfreude auf einen ruhigen Abend und eine durchschlafene Nacht. Bunkerkuchen. Kein Korps sofort meiden.

Mir und zwei Fahrzeugen. Stunden lang Kornfeld gesucht, im Regen ein dunkles Hellen. Außerordentlich sympathischer Standortbefund und Einsatzinformationen.

Bugulow, 3. September 1942

Auftrag: In einer Schlosstelle des Terek, westwärts von Kesek Angriff der Kasachen zu unterstützen. Die Schlossstelle ist da, wie aus Luftbildern zu sehen war. Aber im Gelände kann man im Dschungel überbaut nicht heran. 17 Uhr sollen wir feuerbereit sein. Kurz gesagt, es wurde nichts. Sprit und sonst vergeudet. Endlich eine neue Schluff.

Bugulow, 5. September 1942

Hoch über uns, südlich des Terek, sehen wir die fantastische weiße Wildnis des Kaukasus. Ganz rechts erhebt sich die Kuppel des Elbrus. Halbrechts bei den wilden Gipfeln des Kasbek. Es ist wunderbar.

Trotzdem bessern sich meine Furunkel nicht.

Bugulow, 7. September 1942

„Jede Wacht stehen südlich über den Terek-Brückenköpfen, -Brücken,-Stellungen, über den Orten hinter der Front die russischen Leuchtfallschirme, und es kracht, dass bei uns die Scheiben wackeln.“

5-stündiger Dauerskat mit dem Kommandeur.

Bugulow, 8. September 1942

Hannas Geburtstag. Brief dahin. Kaum fertig, Abfahrt zur Erkundung.

Der Russe droht, den Brückenkopf jenseits des Terek südlich Mosdok einzudrücken. Wir erkunden Feuerstellungen, um, sollte es soweit kommen, mit einer Feuerglocke Schlimmes zu verhüten.

Meine Furunkulose ist lästig. Jetzt wird sie mit Spritzen bekämpft.

Vom Terek-Abschnitt hört man jetzt auch im Wehrmachtsbericht.

12. September 1942

Brückenkopf hält und wurde wesentlich erweitert. Es geht aber nur langsam voran.

Besuch bei 111. Division. Einblick in Lage und abgehörte Feindgespräche. Einsatzmöglichkeit für uns besteht nicht, obzwar die Batterien einzeln in den letzten Tagen doch zum Schuss kamen. Wirkung nicht beobachtet. Ausfälle keine.

13. September 1942

Mit Kommandeur zu den B-Stellen der Artillerie jenseits des Terek. Russe ist auffallend ruhig.

L:45 Gr.10’ Br:43 Gr.42’ Ostrand Tscherskaja, 14. September 1942

Der Russe hat ostwärts den Terek nach Norden überschritten und greift aus dem Osten an.

In Eile wurden wir hierhergeworfen und bestreiten recht problematische Sperrfeuerräume. Infanterie ist schwach, meine B-Stelle ist vorderste Linie. Unsere Lage ist wacklig. Nördlich von uns hört man Infanteriefeuer, Granatwerfer schießen dauernd ins Dorf. Auch Bomben werfen sie schon. Amerikaner aus silberblitzenden Maschinen.

Die Fahrt hierher ging durch ausgedehnte Baumwollfelder, eine reizvolle Blüte.

15. September 1942, 14 Uhr

Noch ein Bombenangriff, dauernder Art, Störungsfeuer und dann eine unerwartet stille Nacht.

Früh Angriff der Russen. Wurde durch Feuer unserer Werfer ins Russelgelände getrieben, wo wir sie später nochmal störten.

Heute intensive, russische Artillerietätigkeit. Einschläge ringsum. Verluste.

18 Uhr

Gesteigertes Artilleriefeuer auf Dorf und unsere Stellungen. Werden sie nachts angreifen? Wir müssen wachsam sein.

Langsam werden wir zu Maulwürfen, buddeln uns tief ein. Ist notwendig, denn unter einem einzigen Häuschen sind wir 3 B-Stellen, und die Splitter prasseln nur so herum.

16. September, 9.30 Uhr

Seit 5 Uhr fast ununterbrochen Artilleriefeuer. Dreck und Splitter stauben herum, Einschläge sitzen gut.

Der Russe bewegt sich frech und frei vor uns auf der Steppe. 10 Mann nach rechts, dann wieder 15 nach links, dazu kommt ein LKW, dann verschwinden einige mit Lasten in einer Hecke. Ich muß das alles ansehen, einschließlich Mündungsfeuer der uns behackenden schweren Batterie, und kann nichts dagegen machen.

Zuvor wollte ich schießen, kam aber davon ab, weil die weiteren Beobachtungen dem Einsatz nicht entsprachen. 8. Batterie schimpft daher auf mich.

16. September, 16.30 Uhr

Heute hat er wieder rechtschaffen geschossen und mit uns Kniebeugen geübt. Ich hab schon Muskelkater. - Einschläge lagen brenzlich, Mund ist meistens voll Sand, Volltreffer gab es bei uns gottlob noch nicht. - Bomber ließen uns in Ruhe, nur eigene fegten drüben herum. Mehrzahl der Bewegungen gehen nach rechts, drüben beim Russen, ins Kusselgelände. Ob er dort angreifen will?

Im Einvernehmen mit den Panzergrenadieren lege ich um 17.30 eine Halbsalve hin, worauf es dort recht still wird. Schüsse lagen im Ganzen gut, Grenadiere sind zufrieden und ich auch.

17. September 1942, 13.15 Uhr

Die sternenklare Nacht verlief ruhig, wie gewohnt, bis um etwa 2 Uhr morgens der Tanz der Leuchtkugeln begann, dann links drüben auf unserer Seite MG-Feuer, Leuchtspur, das wurde immer heftiger, griff auf uns über, dann brannte im Mittelgrund ein Strohschober ab und erleuchtete den - Angriff der Russen. Da setzte es ein. Artillerie, Infanterie-Geschütze, Granatwerfer, Pak und schließlich wir. Ich hatte vorsorglich Feuer frei und schoß in die Bereitstellungsdeckungen 600-700 m vor uns, daß die Funken stoben. Im Morgengrauen brach dann der Angriff zusammen.

Ein unerhört eindrucksvolles Gefechtsbild im Übergang von der Nacht zum Tag, das Aufblitzen der Abschüsse auf beiden Seiten und der Einschläge, der groteske Tanz der Leuchtspurmunition, der Feuerschweif unserer Geschosse. Als im Süden, rechts von uns, der Kaukasus aus dem Nebeldunst und Pulverqualm auftauchte, war die Sache vorbei. Was dann kam, war nur noch ein Hasenschießen.

Bis jetzt verlief der Tag ganz ruhig. Es ist wohltuend warm, nachdem die Nacht bitterkalt war ohne Mantel, sodaß wir froren wie die Schneider.

18. September 1942, 14.35 Uhr

Die Nacht schien ruhig, bis um 22 Uhr zwei Feuerüberfälle herüberkamen, von Artillerie, Granatwerfern und Stalinorgeln. Dann wurde es still und blieb es noch bis jetzt. - 17.30 Uhr bis 18 Uhr Abendsegen.

19. September 1942

Es war eine auffällig ruhige Nacht. Noch verdächtiger ruhig der Tag. Kaum ein Schuß kam herüber. Aber in unserem Rücken, in einer Terek-Schleife, ist der Russe übergesetzt und bedroht uns jetzt von drei Seiten. Nur der Norden ist noch frei.

Wir bauen unsere B-Stelle aus. 20. IX.

So ruhig der gestrige Tag war, so bewegt wurde die Nacht. Erst wurden wir einige Stunden lang bombardiert mit Spreng-, Brand- und Rotationsphosphorbomben. Das Dorf brennt an 5 Stellen. Ausfall an Fahrzeugen ist groß. - Während Bombenpausen schießt die russische Artillerie mit mehreren Batterien ins Dorf.

23.30 Uhr: Er kommt. 24 Uhr: Ob es ein Angriff war oder nur ein Spähtrupp, ist noch ungeklärt. Jedenfalls schmeiße ich ihm ein paar 28er hinüber. - Ruhe. Um etwa 2 Uhr kommt er wieder. Das Gefecht dauert bis ins Morgengrauen.

Überläufer sagen aus, sie sollten den Ortsrand besetzen. Unternehmen scheiterte in unserem gutliegenden Feuer aus schweren und leichten Waffen. Besonders stark wirkten unsere Wurfkörper auf ihre Gemüter.

Kaum Gefecht vorbei, Lärm vom westl. Ortsrand. Ein russisches Bataillon greift eine den Ort im Westen sichernde Kompanie an. Heftige Auseinandersetzung, blutige Abfuhr. - Ab 5 Uhr endlich Ruhe, nur noch Störungsfeuer in Intervallen.

Wir sind den siebten Tag hier in einem Einsatz, der für uns beim Aufbau der Waffe nicht vorgesehen ist. Ich sage aber, besser solcher Einsatz, als unlustig herumzuliegen. - Fahrzeugausfälle sind riesig, daher kommen die Maschinen alle zurück in die Fahrzeugstellung. So sind quasi die Brücken nach rück­ wärts abgebrochen, und der Feind sitzt im Osten, Süden und Westen. Physisch sind wir unter-, psychisch jedoch überlegen. Im Übrigen ist Sonntag, und er wird geachtet. Selbst der Abend­ segen bleibt aus.

Zuverlässige Chronisten sagen aus, in der letzten Nacht wären 31 Bomben auf das Dorf gefallen. - Uns Nebelwerfer nen­ nen die Russen Wanjuschka (Hänschen).

21. September 1942, 13 Uhr

Unwahrscheinlich ruhige Nacht, still, klar und lau. Ein warmer Morgen, heißer Vormittag, brütender Mittag. Beide Teile verzich­ten aufs Schießen. Drüben nur wenig Bewegung.

17 Uhr

Noch ist es ruhig, jedoch wird westlich vom Bahnhof Alpatowo eine motorisierte Kolonne und 6 Panzer gemeldet.

22. September 1942, 11 Uhr

Ruhiger Abend mit Doppelkopf, ruhige Nacht mit klarem Voll­mondhimmel. Früh um 5 Uhr schwere Artillerievorbereitung vor und auf das Dorf, dann kam Iwan zum Angriff. Ob seine Absicht verhindert wurde, ist ungeklärt. Wollte er angreifen, ist er abgeschmiert, wollte er nur Hauptkampflinie vorverlegen, ist ihm das geglückt. Er schießt jetzt auch mit MG herüber. - Unsere Batterien entwickelten lebhafte Feuertätigkeit.

Mein Scherenfernrohr-Unteroffizier meldet sich krank. Zieh er in Frieden, ich trau dem Ganzen nicht. 17.45 Uhr: Der Russe hat unsere Sperrfeuerräume unterlaufen. Er sitzt mit MGs nun 500 m vor uns. Es wird wohl ein bitteres Nachtgefecht geben. Zudem droht Regen. - Ich bin mit den Werfern unter die Sicherheitsgrenze gegangen. Schwere Verantwortung, wenn’s schief geht. - Große Frage an das Schicksal: was bringt mir diese Nacht. Mir und uns. Oder umgekehrt.

Es ist alles bereitet: Pistolen, Gewehre, Maschinenpistolen, Handgranaten. Mag er kommen.

Meine Gedanken gehen zu meiner Familie, und ich sehe all die lieben Gesichter klar vor mir.