Winter 1942/43

Michailowski, den 21. Dezember 1942

Warmer, trüber Tag mit leichtem Beschuss auf die B-Stellen. Die Front wird immer schwächer. Krankheit und Verwundete durch den Granatwerferbeschuss. In der Batterie geht’s noch.

Gang durch alle meine Stellungen und Stellen. Toll machen sie es nicht, so gibt’s denn Ärger.

Mein Appetit ist stärker als die Möglichkeit, ihn zu stillen.

Michailowski, den 23. Dezember 1942

Wetter bleibt trüb, wird aber kühler. Feindlage ähnlich.

Ein Spähtrupp brachte Gefangene ein. Aussagen: Sie wüssten genau, wie schwach wir hier sind, wüssten, dass Verbände herangezogen wür­ den, sagten, dass sie seit einer Woche Angriffs­befehl auf Aga Batyr hätten, und dass es bis 25. Dezember genommen sein soll.

Ich bereite meine Leute auf Rundum- und Nahverteidigung vor. Man kann nie wissen, anzunehmen ist doch, dass sie gerade zu Weih­ nachten Schweinerei machen.

Gestern Abend Abschied von Oblt. Gerlach, der mit seiner Kom­ panie nach Deutschland kommt.

Im Lauf der Nacht kommen eigene Panzer und Panzerjäger ins Dorf, die heute hier Furore machen wollen. Frische Kerle. Hoffent­ lich bringen sie auch Entlastung und damit Weihnachtsruhe. Per Anlage nach ist es aber nicht zu erwarten.

Nun haben die Panzer ihre Kringel im Süden von Aga Batyr gefahren. Die Russen flohen wie wild, verloren etwa 100-150 Mann. Damit war das Unternehmen zu Ende und nützte wohl auch nicht viel. - Ein grandioses Bild war es dennoch, wie die Panzer in weiter Linie über die Steppe zogen. Wie ein Bild einer See­ schlacht.

Michailowski, den 24. Dezember 1942

Aus Bereitschaftsgründen dürfen wir heute und die nächsten 2 Tage Weihnachten nicht feiern. - So gehen unsere Gedanken aus dem Halbdunkel der Bunker und Panjebuden nach unseren Lieben unter den Lichterbäumen.

Gegen Abend ging ich durch meine Stellungen, um mit den Leuten zu sprechen und ihnen das Feierverbot zu begründen. Sie sind einsichtsvoll genug, die Sache mit Würde hinzunehmen.

Ebenfalls gegen Abend ging ringsum ein wüstes Geschieße los. Und Frieden den Menschen auf Erden.

Michailowski, den 26. Dezember 1942

Gestern war’s im Ganzen ruhig in unserem Abschnitt. Südlich, bei Kissloff griffen jedoch 30-50 Panzer an. Elf wurden abge­ schossen.

Lt. Neumeier verwundet, so wird mir Lt. Fedde genommen. Leider, leider. Nun habe ich bei zwei Feuerstellungen Offiziersknapp­heit. - Dafür höchste Alarmbereitschaft. Der Russe will offenbar angreifen. - Tut es aber nicht. - Dafür erscheinen gegen Mittag plötzlich 8 russische LKW vor unserem Dorf. Verpflegungsfahr­zeuge. Tolles Geschieße aus Rohren und Laufen. Ergebnis: Die Fahrzeuge gehören uns (der Batterie leider keine!), rd. 30 Ge­ fangene, 6 Tote, 3 gef. Frauen. - Aufregendes Nachspiel um Beute­wagenverteilung. Wir gehen leer aus. Herr Oberst haben so ent­schieden.

Michailowski, den 27. Dezember 1942

Draußen ist’s weiß von Eis. Erst hat’s geregnet, nun stark ge­froren. Man kann also schon die Tarnanzüge benützen.

Tag im Ganzen ruhig. Artilleriefeuer in Feuerstellung I, mit Glück passiert nichts. - Spät abends fährt der Russe heftig moto­ risiert herum.

Weihnachtsfeiern der Batterie in den einzelnen Bunkern.

Zug, N-Staffel und Fahrer feiern nett. Der Landser neigt nicht zum Feiern. Er will was zum Trinken haben, sonst nichts. Zum richtigen Feiern ist er meist nur zu bewegen durch die Autorität eines Vorgesetzten. Und zwar die unmittelbar wirkende Autorität. So soff die B-Stelle II und der B-Zug seinen Glühpunsch, und Sekt, und haute sich dann hin.

Der Fahrzeugverkehr drüben erscheint langsam verdächtig. (22.30) Am Morgen schießt die Artillerie mit Brocken ins Dorf, dass die Häuser wackeln. Tagsüber keine Neuigkeiten, es sei denn Gefangenenaussagen.

Uns gegenüber liegt das X. Gardeschützenkorps und eine neue kaukasische, kriegsstarke, aber kriegsunerfahrene Division. Verpflegung und Stimmung schlecht drüben. Das sagen sie aber immer. Die Gefangenen wurden in halbmeter-tiefen Löchern schlafend aufgefunden – ohne Decke.

Seit Dunkelheit rollt es drüben wieder unaufhörlich. Der Angriff ist nun täglich zu erwarten.

Unser Abschnitt beginnt links mit einer offenen Flanke, dann kommt ein Zug Kosaken, dann eine Feldgendarmerieabteilung von 60 Mann, dann eine Baukompanie von 60 und eine Feldersatzkompanie von etwa 65 Mann. Dahinter, unmittelbar, steht meine K & M-Batterie. So soll ein Abschnitt von 5 km gehalten werden. Prost.

Michailowski, den 29. Dezember 1942

Sie haben unseren Gefechtsstand entdeckt und pflastern heftig her, dass die Scheiben aus den Rahmen fliegen.

Um 18 Uhr schon singen die Russen drüben. Ein Zeichen von Alkohol und Angriffsabsicht. Wir bereiten alles vor.

Michailowski, den 30. Dezember 1942

Aufklarender Tag. Frühlingswetter, Eis- und Schneeschmelze. Früh ging ich in Weiß fort, musste im Gelände die Kombination umdrehen, um dann wieder in Grau zurückzukommen. Flugwetter. Und schon sind sie in Haufen da, die Ratas. Schwere Brocken gibt’s heute wieder ins Dorf. Man spricht von Stellungswechsel. Oh, die Läuse!

Michailowski, den 31. Dezember 1942

Wieder trüb. Der Russe stellt sich offensichtlich zum Angriff bereit. Wir werden etwas verstärkt und hoffen nun, dem Angriff gebührend begegnen zu können, d.h. auf Deutsch, ihn „zur Sau zu machen“.

So endet nun das Jahr, das mir persönlich mehr Unheil brachte als Glück. Aber trotz Deines Widerspruchs, Hannchen: Die Summe von Glück und Unglück in jedem Leben ist konstant. Man darf im Glück nicht übermütig werden und im Unheil nicht verzagen.

L: 44° Gr. 48’ Br: 44° Gr. 00’ 30’’ Michailowsk, 1. Januar 1943

So fängt das neue Jahr an: Aga Batyr, 1,5 km ostwärts von uns, wird mit Artillerie überfallen, dann greift der Russe an 3 Seiten an und wird von schwachen Kräften abgeschmiert. Gleichzeitig griff er in unserer schwächsten Flanke an und weiter im Süden. In der Flanke stehen plötzlich 11 Panzer T 34, 300 m vor meiner 2. B-Stelle. Lt. Linden fühlt sich sehr bedroht. Auf kurzes Geschieße mit den Werfern drehen sie, unbeschädigt zwar, aber doch ab. Stärkste Infanteriekräfte dringen durch unsere Linien und erscheinen mit Panzern in unserem Rücken. Dort werden sie durch unsere Panzer geworfen und gerupft. Wir, d.h. unser Abschnitt, macht an 300 Gefangene und hat selbst 2 Tote. Die Toten des Feindes scheinen zahlreich zu sein. Das ist im hohen Steppengras nicht zu erkennen. Im Süden griff Iwan am stärksten an, nimmt Kissiloff. Hptm. Co. muss mit seinen Verbänden unter erträglichem Verlust an Menschen und erheblichem an Gepäck und Ausrüstung türmen. Vorher schoss er selbst mit Panzerbüchse 3 Panzerspähwagen ab.

Unser Lt. Pedde entgeht mit Mühe und Glück einem bösen Geschick und wird leicht verwundet.

Wüster Betrieb auf dem Gefechtsstand, Artillerie aufs Dorf, Erwartung der russischen Panzer im Dorf, sie kamen aber nur ins Steinfeld. Mit Krad in den Stellungen. Es pfeift und heult, wie üblich. Sturz rechten Fuß verkackt.

Vorvorbereitungen für Stellungswechsel. Nachts noch Stellungsumbau. Aga Batyr wird geräumt. Michailowski liegt 900 m hinter der vordersten Linie.

Michailowski, den 2. Januar 1943

Nebel und wundervoller Raureif. Nacht war im Ganzen ruhig. – Im Nebel laufen versprengte russische Gruppen hinter unseren Linien herum, stehen plötzlich 50 m vor einem leichten Flakgeschütz oder 20 m vor unserem Kaffeefahrzeug, Panjewagen mit 1 Mann.

Heile Gefangene, meist Armenier, Usbeken, Tschetschenen, Osseten, Russiner, Aserbaidschaner, werden laufend abtransportiert, die Verwundeten werden verbunden und bleiben hier. Wenn wir räumen, lassen wir sie ihren Leuten. Auf jeden Fall ist bei ihnen ein namenloses Elend zu sehen. Aber wie sind sie zäh!

Im Allgemeinen ist der Tag ruhig. Etwas Artillerie, etwas Infanteriegeschoßgezwitscher. Gegen Abend stärkeres MG-Geplänkel zwischen Michailowski und Aga Batyr, welches um die Mittagszeit (längst geräumt) mit Hurrah und Geschieße „gestürmt“ wird.

22 Mann mit zwei Panzerbüchsen, 1 MG und 1 Granatwerfer von der Batterie stelle ich für infanteristische Abwehr.

Die Nacht bricht herein, es schießt mäßig, und wir harren mit Spannung des Morgens. Was passiert, wie kommen wir aus dieser höchst wackeligen Situation?

Wir gehören zur Nachhut, eine Funktion, die uns bisher noch nicht zufiel. Moralisch peinvoll. Den Leuten sage ich nicht viel, so empfinden sie es nicht so bitter. Allerdings, auch bei ihnen kommt’s noch, nur langsamer. Dann soll das Schwerste überwunden sein.

Die Maßnahmen der Führung sind manchmal unverständlich und rätselvoll.

L: 44 Gr. 25’’ Br: 44 Gr. 23’ Reinfeld, 4. Januar 1943

Gestern war so ein Tag. Teile der Truppen des Abschnitts sind vorige Nacht abgezogen, Aga Batyr geräumt worden. Vom frühen Morgen bis tief in die Dämmerung griff der Russe an. Alle Versuche, Michailowski zu nehmen, scheiterten vornehmlich, ausschließlich im Feuer unserer 5. Batterie.

Vormittag beobachtete ich mit einigen Offizieren hinter dem Mauerrest eines Hauses den Angriff. Es rauscht wie üblich. Instinktiv gehen wir wieder ins Schilf des ehemaligen Daches. Da hebt mich eine fremde Kraft hoch, dreht und staucht mich vornüber wieder hin. Einen Meter vor der Mauer hatte es eingeschlagen. Sie stürzte ein. Nach der anderen Seite.

Den ganzen Tag schoss es so ins Dorf, dass ich meine Fahrzeuge abzog. Ausfall kann ich mir keinen mehr leisten.

„Winterwetter“, das Stichwort zum Lösen vom Feind, kam gegen Mittag, während die Batterie in einen anderen Angriff mit gutem Erfolg hineinschoss. Russe blieb liegen, Panzer drehten ab.

Mit Beginn der Dämmerung lösten wir uns. Auf aufgeweichten, verschlammten Wegen tasteten wir uns durchs Dunkel über Poltavski, Mosdokchi, Privolag, Stepnoje, immer hinter der vorderen dünnen Sicherungslinie lang. Heute im Morgengrauen erst Stepnoje. Endlose Kolonnen auf der Rückzugstraße, schlechte Kenn­ zeichnung, Wege, die meist keine sind.

Nun ist’s 10 Uhr, und ich bin nur mit der halben Batterie da. Die andere Hälfte verfuhr sich in Stepnoje, ist endlich avisiert und kommt nicht daher. - So marschieren wir allein ab, um vom Tag noch etwas zu haben. Passieren kann nichts, denn Rata- Wetter ist heute durchaus keines…

Die Tragweite des Rückzuges kommt mir nur dumpf zu Bewusst­ sein. Ich bin zu müde und kann doch nicht schlafen. Sowchose Terski

Spritlager in Podgorni ist leer. So kommen wir nur die 4 km bis hierher. Im Dunkel nehmen wir Quartier. Erträgliche Sauber­ keit, freundliche Leute. Halbe Batterie fehlt noch immer.

L: W. 30° 3’, Br: 44° Sowchose Terski, den 5. Januar 1943

Mitten in der Nacht kommt Wm. Szebo endlich daher mit einem Teil der Batterie. Bei der 4. fehlt’s noch immer, die 5. fehlt ganz, der Stab von Regiment und Abteilung ist schon irgendwo hinten, in Budenowsk.

Kein Sprit, kein Sprit, was soll das werden? Langsam finden sich die Batterien zusammen. Von mir fehlen noch 8 Fahrzeuge.

L. 44°, Br. 44° Budenowsk, den 6. Januar 1943

Morgens noch immer kein Sprit. Die Existenz von drei Batterie­ n schwerer Werfer hängt von ihm ab. Und er kommt nicht.

Wir entschließen uns zum Letzten. Es sind dramatische Stunden. Das Ende einer Abteilung. Wir müssen uns entschließen, die Mehr­ zahl unserer kostbaren, unersetzlichen Fahrzeuge samt Geräten und Munition zu sprengen. Es ist alles befohlen und in Vorbe­ reitung. 8 Fahrzeuge kann ich mitnehmen. Wir teilen es so ein, dass am Ende doch noch eine volle Batterie zusammengestellt werden kann. - Es ist bitter und schwer, eine Batterie, mit der man ausgerückt ist als “junger” Leutnant, sprengen zu müssen. Abge­ sehen vom Material.

In letzter Stunde ist Sprit da, und wir rollen. Es hat ge­ schneit und gefroren. So kommen wir gut voran. Und erreichen bei Tageslicht Budenowsk.

Und am späten Abend kommen die letzten Fahrzeuge aus Worcutowo, wohin die verschlagen worden waren, hier an. Die Batterie ist wieder vollzählig, soweit sie es sein kann.

Man kann wieder freier atmen. Nur der Rückzug drückt auf’s Herz. Vor welchem Gegner haben wir geräumt!

Budenowsk, den 8. Januar 1943

Unser Schicksal dieser Tage ist, auf Sprit zu warten. Tun es schon wieder volle zwei Tage. Dennoch liegt über den Tagen die Wintersonne.

Den ganzen Tag kracht es in allen Ecken der Stadt. Sprengun­ gen. Also scheinen wir auch hier zu räumen. - Bevölkerung ist sehr freundlich und bedauert offenbar sehr, dass wir das Feld räumen.

Ich brauchte eine Woche Zeit, die Batterie wieder in Schuss zu bringen. Täte dringend not.

Wir bekommen keine Post und können auch keine absenden. So lange, 10 Tage, habe ich noch nie nicht nach Hause geschrieben. Was wirst Du, Kaninchen, für Sorgen haben. Ich denke aber viel an Dich. Vielleicht merkst Du auf diesem Wege, dass ich noch da bin und bei Dir.

L:45 Gr. 14’ Br: 44 Gr. 30’ Ssablja, den 9. Januar 1943

Morgengrauen Abmarsch nach Ming-Woronsowo. Straße an Soldato-Alexandrowskoje vorbei liegt unter Feuer. Russe hat die beherrschenden Höhen südlich des Kuma erreicht und sperrt die Straßen. Also kehrt, ab nach Ssablja. Hier lag die Batterie schon im Sommer unter wesentlich glücklicheren Umständen. - Rückmarschstraße total verschlammt, wenig Treibstoff. So sammelt sich die Batterie mit Mühe hier. Verpflegungswagen mit Marketenderwaren und Vorräten bleibt liegen und muss gesprengt werden, da die Russen heran sind. - Spritsorgen, kurzer Schlaf, denn früh will ich zum Regiment.

Ssablja, den 11. Januar 1943

Um 10 Uhr, also vor Morgengrauen allein nach Alexandrowskoje. Sprit haben sie keinen, sind aber froh, dass wir überhaupt da sind. Zurück zur Batterie. - Am Abend Gepäckverringerung. Fahrzeuge dürfen nicht mehr geschleppt werden. Also fliegen in die Luft: Zwei Zugmaschinen (11/3, 10/1), ein LKW, ein PKW, zwei K-Räder.

Einsatzbefehl nach Ssuchaja Padina zum 2. R. 123 - Nachts Erkundung und Vorstellung beim Regimentskommandeur, Major Fürst von V. Da kein Sprit, erfolgt Einsatz nicht.

Heute gegen Mittag mit letztem Kraftstoff nach Alexandrowskoje, wo endlich eine ruhige Nacht in Aussicht ist.

L: 42 Gr. 57’ Br: 44 Gr. 55’ Stamropolsk, den 12. Januar 1943

Ruhige Nacht fällt aus. 13 Uhr Chefbesprechung. Eine Batterie muss in den Einsatz. Wahl fällt auf uns. - Einsatzzweck entsprechende Umgliederung der Batterie und voraus nach Ssablja. Suche 50. I. D. ohne Erfolg. 2 Uhr lasse ich die Batterie nachholen und fange sie vor Ssablja ab, weil der Ort schon von Russen bedrückt wird. Dann biegen wir nach Westen aus, quer durch steile Steppe, talauf, talab, verfahren, ohne zu wissen wie, sind wir hier am Ziel.

Vorsprache bei 50. I. D., zugeteilt IR 121, unterstellt III/121, Hauptmann Borchert, SA-Führer. Gr. Oder. Stellung in zwei Zügen mit Richtung auf die beiden schwächsten Punkte des Abschnitts. Kalt und Schnee. Schlafe auf Beobachtungsstelle im offenen Erdloch. Werden uns schon irgendwie helfen. Andere können’s auch.

L: 42 Gr. 40’ Br: 44 Gr. 55’ Ssultanskoje, den 14. Januar 1943

Morgens lagen 2 cm Schnee auf unseren Decken. Das Zeug hält warm, so froren wir nicht. - Tag verläuft in eitel Sonne ruhig. - 15 Uhr Fortsetzung des Rückzugs. Beim Stellungswechsel drückt der Russe plötzlich in die Flanke. Pak der Batterie hält sie vom Leibe, so glückt die Lösung ohne Klage.

Ein Zug unter Leutnant Linden voraus zum Sperrverband, der den Rückzug des Bataillons sichern soll. Der Verband versagt. So muss ich mit der Batterie - entgegen allen waffentechnischen Regeln - den Abmarsch in überschlagendem Einsatz sichern. Schon bei Wessjoly schießt uns Iwan in die Flanke. Ein Werfer und die Pak abgeprotzt und im Verdachtsschießverfahren geschossen, dass das Zeug nur so flog. Erfolg: Iwan ist still und stört nicht wieder.

Zwei Tote und zwanzig Verwundete hatte die Infanterie bei diesem Zwischenfall doch.

Straßen gefährlich abschüssig und vereist. Bitter kalter Wind aus Ost.

Im Morgengrauen erreichten wir heute Ssultanskoje. Ich melde mich in Jankuli heim Rgts.Kdr., Oberst Ringler, der von unserem Wirken begeistert ist. Auftrag: Ostrand Ssultanskoje in Stellung, Hauptwirkung auf Brücke und Anmarschstraße, auf der allein der Russe herüberkommen kann. – Wir sind noch nicht in Stellung, als in den Bergen, dicht vor uns, schon das Geschieße beginnt. Der Russe hat entgegen den Erwartungen von der beherrschenden Höhe Besitz ergriffen und guckt uns nun quasi senkrecht in die Stellung, was morgen peinlich werden kann.

L: 42 Gr. 59’ Br : 44 Gr. 41’ Schafstall nördl. Novy Put. 15. Januar 1943

Während des Abendessens gestern kam Olt. Seidel mit Befehl zum Stellungswechsel. Also voraus, ab nach Jan Kuli, Meldg. beim Hptm. Commichau, der mir Waffenschwein wünscht, und mich wieder zu Oberst Ringler schickt. Dort geht’s hin und her, sodass nach meiner Erkundung hier, die Batterie erst 14.30 Uhr in Stellung geht. Leute müssen im zugigen Schafstall schlafen, es geht aber. – Spätabends noch telefonische Anschisse vom Kdr. (Co). Per Herr wir auch noch weltfremd und glaubt, wir saufen den Sprit. – Draußen schweres Schneetreiben. Arme Infanterie, arme Posten! Aber es muss sein.

Wegen unserer Sicherungstätigkeit am 13. Januar verlangt Divi­sion EK-Vorschläge. Ich reiche 2 Mann der Pak-Bedienung ein.

L: 42 Gr. 02’ Er: 44 Gr. 52’ Temnolesskaja, den 18. Januar 1942

Dicht nördlich von uns, im Bereich der 111. 2. L geht die russische Batterie vor. Wir schießen, 2 Schuss, Schussweite reicht nicht, aber sie weichen nach N über einen Bergrücken aus. Ich will einen Werfer offen auffahren lassen. Es ist aber so kalt, dass der Motor nicht schnell genug anspringt. So ist es zu spät.

Mittag Stellungswechsel. Ich voraus nach Jankuli. Eisiger Schneesturm, Verwehungen, glatte, schlechte Wege. Batterie kommt sehr spät nach und musste auf dem Wege eine 1 1/2 und einen beladenen Werfer liegen lassen. Wm. Franz sprengt sie später. Soll mit 3/121 meinen Weg machen. Wir marschieren los. Schnee­ sturm macht ein Finden des Weges unmöglich. Hptm. Borchert be­ fiehlt Umkehr. Zurück nach Sankuli. Im Ort alles verstopft, Kolonnen, Infanterie, Artillerie, Werferbatterien, Trosse, Trosse, alles kreuz und quer durcheinander. Alles sucht den richtigen Weg. Niemand findet ihn mit Sicherheit. Ich bin ans Bataillon ge­ bunden. Der Sturm treibt einen einfach weg, steht man frei draußen. Stockdunkel, Gefluche und Geschrei. Ich fahre hinter dem Bataillon her. Falscher Weg. Umkehr, nochmal los. Halt. Habe nur 2 Fahrzeuge hinter mir. Batterie abgerissen. Schicke Wm. Franz los zum Suchen. Mein Fahrer fällt mit erfrorenen Füßen aus. Er ist nicht der erste. Bataillon marschiert an. Weg gefällt mir nicht, fahre allein hinterher. Ersatzfahrer fällt ebenfalls aus. Fahre selbst und in eine Balge. Wagen sitzt fest. Gehe zu Fuß zurück zu den beiden zurückgelassenen Fahrzeugen. Nun sind auch die weg. Stundenlange Suche im Schneesturm erfolglos. Wir fallen erschöpft und durchgefroren und hungrig in ein schon volles Haus und warten den Morgen ab.

Im Morgengrauen findet sich die Batterie vor einer verstopf­ ten Brücke zusammen. Geschütze auf dem Glatteis abgestürzt, liegen im Grund, Brücke, die einzige, beschädigt. Verstopfung dauert 10 Stunden. Alles ist stur. 2 Fahrzeuge und Werfer fehlen mir noch, nirgendwo zu finden.

Unsere Zugmaschinen müssen noch allerlei Fahrzeuge, Geschütze, LKWs aus Verwehungen, Löchern, Gründen ziehen, dann fahren wir los. Sturm hat etwas nachgelassen, aber Karte und Natur stimmen ja hier nie überein. So fahren wir kreuz und quer auf den Höhen herum und finden schließlich doch Weschne-Bschalginski, ziehen in überfüllten Häusern unter und wärmen uns. Wollen bald weiter. Sprit knapp – plötzlich, ein rettender Engel, erscheint KV-Rm Rengier mit Sprit. – Er sucht auch die 5. Batterie. Ich sah sie vor 24 Stunden zuletzt in Jankuli. Nachforschungen bei allen Leuten erfolglos. – Wir tanken auf und rollen ab. Am Weg zur Meierei geht die Sprengerei wieder los. Mein Fahrzeug, ein Kfz 17,10/1 gehen hoch. Jammerschade. Geringste Motorenschäden, aber wir können bei diesen Wegen nicht schleppen. Weiter. Kolchose Stalina und dahinter ein Berg, endlos lange und vereist. Das Grab eines Teils der Artillerie. Die Pferde schaffen es nicht mehr. Wir sprengen unseren letzten PKW. Dann geht die Reise ungestört vonstatten. Rengier drängt auch unaufhörlich zur Eile. Er hat scheinbar die Hosen voll. Dazu schießt Iwan in der Gegend herum.

Im Morgengrauen erreichen wir heute T. Wieder ausgefroren und ausgehungert ziehen wir unter.

Ich melde dem schimpfenden Kommandeur eine traurige Bilanz: 6 Fahrzeuge da, 2 vermisst, alles andere gesprengt.

Ein trüber Tag, der das Ende der Batterie ahnen lässt. Auch das Ende der 5., die irgendwo ohne Sprit liegt.

L: 41 Gr. 34’ Br: 44 Gr. 53’ Nadsorny, 20. Januar 1943

In der Nacht in Temnolesskaja kam noch der abgängige Uffz. Prosch mit einer Maschine, Werfer und allen Leuten an. Eine beladene Maschine und ein Werfer ließen die Sauhunde ungesprengt stehen. Das riecht mit Recht nach Kriegsgericht. Munition und Gerät sind noch geheim. Vor der Untersuchung des Falles graut mir.

Gestern Meldung bei Kdr. in Polsky. Eröffnung: Ende der Batterie als Batterie. 2 Fahrzeuge an Panzerjäger, 3 als z.b.V.-Zug zu Kdr., Feldküche und I-Wagen als Gepäckwagen bleiben. 2 Offz., 7 Uffz. und 40 Mann kommen wir zum Stab Grothe als Wegebaukommando für die Rückzugstraßen der Division. – Meldung bei Ostlt. Grothe – am selben Tag noch nach Nadsorny, 35 km. 6 Mann übergebe ich dem Arzt mit Erfrierungen und derlei, dann mit dem Kaufen ab. 35 km sind an sich nicht viel, sehr viel aber, wenn man am selben Tag erst von den Fahrzeugen abgesessen ist.

Hier gute Quartiere, fester Schlaf. Meldung bei Grothe, Zuteilung zu Stab Major Finger. Ohne Tritt Marsch nach Nikolajewskaja.

Nikolajewskaja.

Kurzer Marsch. Meldung, Ruhe. – 16 Uhr zu Major befohlen. Doch noch Abmarsch.

L: 41 Gr. 07’ Br: 45 Gr. 06’ Novo-Kubanskoje, 21. Januar 1943.

Ein schwerer Schlauch des Nachts über die Berge auf fraglichen Wegen, mondhell, der Wind aus Ost. Panjewagen schafft’s nicht, bleibt stehen. Mitternacht Pause und Sammeln. 3 Uhr Ankunft in Kossjakimskaja. Todmüde nach 25 km Trampeln. Schlaf, Schlaf, sonst nichts. – 8 Uhr weiter. – Kurze, kühle Meldung bei Kdr. und Olt. Seidel. – Über Protschnokopskaja – Kuban hierher. Da war ich im Sommer schon mal und besorgte Schnaps. – Nur gut, dass wir eine Kolonne schnappen konnten, die uns 25 km des 45 km langen Weges abnahm. – Brunner und Schoknecht gingen verloren.

L: 40 Gr. 42’ Br: 45 Gr. 22’ Gulkewitschi, den 22. Januar 1943.

In Novo-Kubanskoje nutzten wir endlich mal die Konjunktur und kauften in der Armeemarketenderei Wein und Schnaps. Ehe es gesprengt wird. Ebenso konnten wir unsere Leute neu einkleiden und mit Wäsche versehen. Altzeug wurde verbrannt. Nettes Quartier bei netten Frauen. Alles sauber und ordentlich. Dauernd wird gewischt und gefegt.

Abends bis spät bei Major Finger in Maikopski. - Wir sollen nur marschieren, ohne Arbeitseinsatz. Rücksichtnahme auf unseren Marschzustand. Na schön. - Zur Lage: Brückenkopfbildung vor der Taman-Halbinsel. Was dann? Sehen wir die Krim wieder?

23. Januar 1943

Ein Tag Ruhe. - Vernehmung von Frosch und Sandvoß wegen Werfer ungesprengt. Frosch benimmt sich sicher, Sandvoß weich. Ich bedauere, ihn zum Uffz. gemacht zu haben.

Abend mit den Unteroffizieren beim Wein. Gespräche bleiben im Alltäglichen stecken.

L: 40°14’ N, 45°30’ O Lecolinskaja, 25. Januar 1943

Befehl nach Lecolinskaja. Batterie 4 Uhr Abmarsch voraus. Um 7 Uhr in Besprechung höre ich, dass L. weit rechts abliegt. Also machen wir einen Umweg von etwa 30 km.

Der Tag beginnt mit Tauwetter und endet mit Regen und Wind. Grundlose Wege, klebriger Boden, steter Seitenwind. Fahrzeug und Mann kämpfen sich mühsam weiter. Ich brauche mit dem I-Wagen für 18 km 6 Stunden. Spät am Abend hängen wir endgültig im Schlamm. Verdreckt bis obenhin verbringen wir, 15 Mann, die Nacht in einer Bude. Letzte Vorräte werden zum Abendbrot zusammen­gekramt. - Heute früh mit Wm. Pohl voraus zu Fuß nach L., Hilfe zu holen. Alles glückt. Das Essen schmeckt. Langsam trifft alles ein, was auf der Strecke hängen blieb. Gottlob friert es. Tifliskaja.

25 km Marsch nach Süden. Harter Stolperboden. Kalter Wind aus Ost. Quartiereinweisung funktioniert nicht. Ziehen provisorisch in den nächsten Häusern unter. Suchkommandos los. - Lt. Linden und ich kommen bei einem Hauptmann unter und werden freundlichst bewirtet, was uns gut tut. - Suchkommandos haben nach 4 Stunden Erfolg. 20 Mann in einem Haus normaler Größe.

L: 59°54’ N, 45°28’ O Novoblissugskaja, 26. Januar 1943

Früh in Tifliskaja ist plötzlich Stbswm. Kehrmann da. Mit ihm ein Teil unseres Trosses und Marketenderwaren. Wunderbar, höchste Zeit. Zigaretten in Fülle. Das Wichtigste. - Marsch, Fahrt und Trampen nach hier. Diesmal geht’s schlecht. Die Hälfte der Leute nur da. Nettes Quartier.

Nowo Blissugskaja, 27. Januar 1943

Ruhetag. In der Nacht kommen die Nachzügler heran. Nur Uffz. Schmidt fehlt, mit ihm 4 Mann. Haben sich wohl verfahren. - Fanjettross trudelt auch ein, bringt Schoknecht mit. Außer Schmude fehlen noch Brunner und Franz als Versprengte. Sind auch nicht die Schlauesten.

L: 59°26’ N, 45°26’ O Kosenowskaja, 28. Januar 1943

Batterie voraus. Spritsorgen halten mich auf. Plötzlich ist der Kommandeur da, samt Stab. Zurückhaltende Unterhaltung.

Böse Nachrichten. In Stalingrad steht die 6. Armee mit 200.000 Mann vor dem Ende. Wehrmachtsbericht meldet im Ton von Nekro­logen davon.

Was geschieht mit uns? 111. I.D. ist nach N gegen Rostow ab­gedreht. Wir, 50. I.D. zur 17. Armee, offenbar zur Taman-Halbinsel verurteilt. Rgt. kümmert sich nicht um uns und haut nach R. ab.

L:59 Gr. 10’ Br: 45 Gr. 33’ Djadkowskaja, 29. Januar 1943

Wohin nun? Das uns gegebene Ziel ist erreicht. Ich finde keine Stelle hier, die uns weitere Richtlinien gibt. Oh, dieser Rückzug!

Die Truppenmoral hat sehr gelitten. Die Kameradschaft auf der Straße ist geringst. Bei meinem Haufen geht’s noch. Aber draußen sieht man trübe Bilder. Die Straßen sind gesäumt von toten Pferden, ausgebrannten Fahrzeugen aller Art. Nun versteht man die Bilder von unseren Vormarschstraßen in Frankreich und Russland!

Später Abend. Ich weiß noch nicht, wohin ich morgen soll.

L:38 Gr. 56’ Br: 45 Gr. 37’ Timaschewskaja, 30. Januar 1943

Hier scheint es Aufenthalt zu geben. Die Gegend einschließlich Krasnodar soll angeblich (vorerst?) gehalten werden. Ich sah einen Marschbefehl, nach dem sich ein Mann irgendwohin begeben und von dort auf der Eisstraße nach Taganrog und sich dort beim Auffangstab des AOK 17 melden soll. Das erscheint mir ja interessant.

Gerade vor einem Monat konnte ich das letzte Mal Post nach Hause schicken. Damals war auch der letzte Postempfang. Dieser unselige Rückzug nimmt mich so in Anspruch, dass ich diese Verbindungslosigkeit mit meinen Lieben kaum empfinde, so schmerzlich es in sonstigen Zeiten immer war. Nur das Bedürfnis, Nachricht nach Hause zu geben, um die Sorge dort zu lindern, ist stark.

Timaschewskaja, 31. Januar 1943

Tag in Ruhe. Reparaturen und Instandsetzungen an Waffen, Gerät, Wagen und Klamotten.

Hptm. Commichau zu Besuch und sehr leutselig. Wird auch gut bewirtet.

Bei Major P. Befehl zur Übernahme der Ortskdt. in Redwedowskaja, Sicherung, Ausbau und Erfassung aller Güter.

Abend bei Kdr. im Quartier. Schlichte Feier. EK I. Feier mit Slimowitz. Das Zeug ist selbst den Russen zu scharf. Ich sollte blau werden. Sache übernahm Kdr., wohl ohne es zu wollen.

L:39 Gr. 04’ Br: 45 Gr. 59’ Nowo Korunskaja, 2. Februar 1943

Konnte gestern endlich ein paar konfuse Zeilen nach Hause richten. Musste sehr schnell gehen; hoffentlich kommt’s wenigstens an. Die Sorge um Zuhause zehrt doch, zumal es jetzt in den infanteristischen Einsatz geht.

In Madmedonskaja nur eine Nacht. Ohne Tätigkeit. Kdt. sowieso besetzt, alles andere im Gange. Also überflüssig.

Nun warte ich beim Rgt. Fürst v. U. auf meinen Haufen, der diese Nacht noch in Stellung soll. Böse Geschichte: Russe schon heran. Gefechtslärm. Wir schwächst bewaffnet. Wenn das man gut geht. Dem Rgt. habe ich über den inf. Kampf völlig klaren Wein eingeschenkt.

Es ist saukalt. Leute beenden heute ihren 45. km.

L:39 Gr. 10’ Br: 45 Gr. 56’ Proletarsky, 3. Februar 1943

Nach Mitternacht Stellung bezogen. Auf 2 km 3 Stützpunkte mit je 10 Mann. Insgesamt 2 MG und keine Handgranaten. Wenn sie da kommen!

Kalter, klarer Tag. Ausbau der Stellungen. Gegen Abend kommt Bataillon Hptm. Bärenfänger (Ritterkreuz) und kassiert uns vorerst. Beste Lösung.

In Timaschewskaja reger Flugbetrieb. Soviel im ganzen Kau­kasus noch nicht gesehen. Neu: 5motorige, 2rümpfige Flugzeuge mit 1-2 Seglern noch im Schlepp.

Im Dorf gegenüber ist der Russe eingedrungen. So entsteht langsam die Front. Bei uns ist’s noch ruhig. Wenn’s nicht so kalt wäre, diente der Fluss, an dem entlang die HKL läuft, als Hindernis, mindestens für Panzer. So aber wird das Eis immer stärker und der Sumpf immer fester.

Der Abend ist ruhig und sternenklar, wie es nur der Winter bringen kann.

L: 39 Gr. 10’ Br: 45 Gr. 36’ Proletarskij, 4. Februar 1943

Ein Tag, wie ihn Herbert Böhme im Bamberger Reiter zum Ver­gleich zieht: “Wolkenlos malend im Licht” – soweit ich mich erinnere. Ist schon 4 Jahre her, seit ich mich mit solchem be­fassen konnte. Bis ich wieder Zeit zu solchen Dingen habe, gehen wohl nochmal Jahre hin, sofern das Schicksal überhaupt aus­reichend hold ist.

Proletarskij, 9. Februar 1943

Tage voll Sonnenschein und Kälte, Tauwetter und Schneesturm, voll Kopfweh, Reißen und Fieber, kurz, Grippe, sind seitdem ver­gangen. Nur gut, dass Ruhe war, so konnte ich mich schonen. Die Ruhe ist vorbei, seit früh attackiert Iwan, die Grippe ist noch voll im Gange. – 2 Dinge fallen mir lästig: Kopfweh und das Telefon.

Iwan wurde abgeschmiert, die Flur im Gegenstoß bereinigt. – Stellung erweist sich als gut.

Timaschewskaja, 11. Februar 1943

Gestern Abend lösten wir uns still und klammheimlich von Iwan und rollten, zum wievielten Male doch, hierher. Nacht sehr kalt, Weg daher gut.

Die Werfer unter Lt. Linden in Stellung, Rest Batterie taktische Reserve des Bataillons. Tag im Nichtstun. Ich schone mich noch mit meiner Grippe, die nicht besser werden will.

Gegen Abend sollen wir uns lösen.

L: 58 Gr. 23’ Br: 45 Gr. 34’ Nowo Nikolajewskaja, 12. Februar 1943

Rollten ohne Störung ab, gestern Abend. Auf dem Wege musste noch eine II/2 in die Luft wegen Antriebswellenbruchs. Sammel­ rast in Popowitschewskaja, dann auf Verdacht weiter hierher. Gut, dass die Sümpfe gefroren sind. Sonst steckten wir jetzt drinnen.

Ort noch voll von Truppen. Als wüssten sie nicht, dass heute Abend schon hier vorderste Linie ist… Und ob! Iwan ist avisiert. Alarmbereitschaft.

13. Februar 1943

Iwan greift an. Quartierverlegung. Bald nachher gießt sich die Stalin-Orgel über allem aus. Alarmbereitschaft sämtlicher Stufen.

14. Februar 1943

Nachts kommt er am Ostrand ins Dorf, wird abgeriegelt und wieder rausgeschmissen. – Heftige Schießereien. Einmal mehr im Osten, dann mehr im Westen, dann in beiden Richtungen. So geht’s hin und her. Wir liegen in Reserve.

Fragwürdige Situation hier. Wir sollen längere Zeit hier halten. Wird schwierig, aber muss schon gehen… Ob wir aus diesem Brückenkopf überhaupt herauskommen, ist die Frage. Antwort gibt Schicksal. -

Ich sehe manchmal sehr dunkel für uns und habe Sehnsucht, wieder einmal die Ruhe des eigenen Heims genießen zu können. Nur die paar Urlaubswochen. Bei Frau und Kindern. - Aber, finde ich zu Hause Frieden?

Abends kommt die Nachricht, dass Gefr. Schoknecht beim Beziehen einer Horchpostenstellung durch Halsschuss gefallen ist. Er wurde aus einer Gruppe toter Russen von einem Verwundeten mit MP abgeschossen. - Uffz. Bode verwundet.

Ganzer Tag voll Alarmbereitschaft. Russe versucht’s an allen Anschnitten. Dann und wann bricht er ein und wird wieder geworfen. Gerne sichert er des Nachts in die Dörfer.

15. Februar 1943

Russe bei linkem Nachbar durch, im Vorstoß auf Rgts.-Gefechtsstände. Gegenstöße an zwei Seiten, Abschirmung von zwei anderen, so sitzt er im Sack und türmt. Erfolg noch nicht klar. - Uffz. Wollen verwundet.

Tauwetter, höchste Alarmbereitschaft und Marketenderwaren. Großes Rätselraten: Welche Division wird die letzte im Brückenkopf? Den Letzten beißen die Hunde. Böse Tage stehen uns hier noch bevor.

16. Februar 1943

3 Uhr höchste Alarmbereitschaft, bei rechtem Nachbar ist der Russe durch? - Sache ist fraglich. 4.30 Uhr bekomme ich Auftrag, Et. Beck und möglichst Gef. Std. Teschner zu erreichen. D.h., gegen den fraglichen Raum vorzustoßen, feststellen, welche Teile noch rechts, wo der Russe durch, Häuser absuchen und Iwan möglichst hinausschmeißen. - Beck bald gefunden, Lage klar, Russe sehr stark im Dorf weiter ostwärts, dauernder, strömender Zuzug. Unterstellung unter Beck, in Stellung gehen am rechtesten Flügel, man kann den Kopf nicht hochheben und schon blinkt es. Sehr übel. Sache schmeißt Lt. Linden bis zum frühen Nachmittag. Panzer und Infanterie greifen ein, wir hinterher „kämmen“ alles durch. Bei Dunkelheit Ende. Tag wird teuer. Unser prachtvoller Wachtmeister Schöne fiel. Ich kann es nicht fassen. Weiter 4 Verwundete. Der Tag war heiß. Bin im Haus, vor dem das Schicksal an mir vorüberging.

17. Februar 1943

Am Spätabend Sicherung. Noch kurze Hauerei mit versprengten Russen, Beziehen der Stellungen und dann eine ruhige Nacht.

Iwan zieht feste weiter in das noch besetzte Dorf. Wir liegen einander z.Zt. auf 200 m gegenüber. Lt. Linden beobachtet, Scharfschütze etwa 800 m drüben. Brustdurchschuss 1 cm überm Herz. Sieht schlecht aus. - Arzt macht Hoffnung. - Sonst verläuft der Tag ruhig. - Eine Gruppe kann ich herausziehen, eine bleibt. Hoffentlich kommt sie bald und glatt.

18. Februar 1943

Stalinorgel in Tätigkeit. Seit einiger Zeit schießt sie mit wesentlich größeren Kalibern als bisher und wird unangenehm. Sonst ist der Tag ruhig. Nur drüben, wo wir 2 Tage jetzt waren, ist wieder Hauerei. Wüstes Geschieße aus allen Rohren, auch hinter uns.

Wir stehen an den Gräbern von Wm. Grone und Gefr. Schoknecht in stiller Andacht und nehmen Abschied. Abends lösen wir uns vom Gegner.

L:58 Gr.18’ Br: 45 Gr.28’ Starodsherelijewskaja, 19. Februar 1943

Gestern Abend sprengten wir den I-Wagen, unser vorletztes Fahrzeug. Nun geht’s nur noch zu Fuß. Die 15 km hierher sind ein Schlauch ohnegleichen. Zäher Dreck und Modder. Sowas gibt’s in Deutschland kaum. Nimmt mich selbst sehr her, kommen aber leidlich gut hin.

Am Mittag ist Iwan schon da. Selbst mit Panzern. Ins Dorf kommt er nicht.

Wir liegen in Reserve und wissen gar nicht, wie gut wir’s haben. Es regnet, schneit, taut und friert im Tag dreimal. Währenddem liegt die Infanterie draußen. Was die doch zu leisten hat!

Iwan kommt öfter und geht auch wieder. Wir merken’s nur am Geschieße der Artillerie.

21. Februar 1943

Es regnet und schneit, das richtige Wetter zum Marschieren in dieser Sumpfgegend. Heute Abend soll’s losgehen.

Heute vor einem Jahr rückten wir in Uelzen aus. Es war ein Staat.

Man sagt, wir hätten Aussicht, nicht als Letzte nach der Krim übergesetzt zu werden. Glaub’s erst, wenn wir da sind.

22. Februar 1943

Wir sind noch da. Nachts kam der Russe ins Dorf. 200 Mann. “Zur Sau” gemacht, gingen kaum 50 Mann unverletzt wieder fort. Nicht freiwillig. Wir haben keinen Anteil, sind letzte Reserve.

25. Februar 1943

Iwan ist auffallend ruhig. Daher Doppelkopf im Kreise Hptm. Bärenfänger.

Wel.Grijada, 25. Februar 1943

Abends Lösen vom Feind. Schlamm und Modder ohnegleichen. Bis zu den Waden im Dreck. (Ich habe Schnürschuhe!) Feldküche kommt nicht durch. Soll nun durch eine kleine Zugmaschine der Pak mitgenommen werden. Zwei Stunden später brennt sie. Schwerer Abschied vom letzten Fahrzeug. Nun sind unsere vier Panjefahrzeuge unsere ultima ratio.

Für 12 km Luftlinie, 20 km Marsch, brauchen wir von 19 Uhr bis 5 Uhr. Gottlob friert es im Lauf der Nacht.

Unterkunft in einer ausgeplünderten Kolchose. Kein Tisch, kein Stuhl, nichts. Dennoch schwerer Schlaf.

Eine Gruppe (Sandtrock) macht Gefechtsvorposten. Sehr exponiert.

L:38 Gr.o5’ Br: 45 Gr.26’ Wel.Grijada, 26. Februar 1943

Gefechtsvorposten kommen heil zurück. Von rückwärts angegriffen, von vorne beschossen, durch den Sumpf und die eigenen Minenfelder.

Unser Doktor, San.-Feldwebel Petersen, hat Geburtstag.

Wir bauen wieder Bunker und Splittergräben. Sollen die Linie 14 Tage halten. Russe liegt schon vor den Linien. Und das Bataillon hat einen Abschnitt von 6 km.

27. Februar 1943

Schanzarbeiten für neue Linie an einem Frühlingstag, warm und blauer Himmel. Die arbeitsfreien Leute saßen mit blankem Oberkörper am Kanal und lausten sich. Iwan schießt mit Ratsch-Bumm nach dem Gefechtsstand und greift auch ein bisschen an.

28. Februar 1943

Nach langem wieder Nachricht vom Regiment. Sie wollen uns vier KVK II andrehen. Sollen uns lieber herausziehen lassen zur Neuaufforstung. Dann könnten wir wenigstens der Infanterie helfen. 4. Tag hier. Verpflegung wird dünn. Das Land bietet auch nichts mehr.

L: 38 Gr. 04’ Br: 45 Gr. 27’ Punkt: 1.5 / 1. März 1943

Mein Kaukasus ist Gefechtsvorposten, 2,5 km vor der Hauptkampflinie, links angelehnt an die Protoka, rechter Flügel schwebt. Anmarsch schlecht. Dann regnet es in Strömen, Wege werden grundlos. Panje-Fahrzeuge müssen von 5 und mehr Pferden gezogen werden. Befehl: Halten, nur bei starkem Feinddruck kämpfend ausweichen.

L: 38 Gr. 04’ Br: 45 Gr. 26’ Poltawskije, 2. März 1943

Durchwachte Nacht herum. Iwan kam nicht. 7 Uhr Ablösung. Leute bis auf die Haut nass – lernen nun langsam das Dasein des Infanteristen zu Fuß kennen. Ich auch.

Stellung im Bereich der Kompanie Zohra.

3. März 1943

Als gestern die Gefechtsvorposten, scharf angegriffen, plötzlich zurückkamen, rechneten wir mit allerlei. Was kam, war eine schöne, ruhige Nacht.

Mit meinem Volk war ich zu lange wieder zu gut. Nun ist’s wieder aus. Heute drei Bestrafungen. Noch viel zu milde, gehörten eigentlich vors Kriegsgericht. Wachvergehen. Da aber keine Schäden eintraten, erledigte ich es diesmal noch selbst.

Man werfe einige Handgranaten in die Protoka. Die dann weiter stromab an der Wasseroberfläche schwimmenden Fischleichen hole man heraus, sofern es die Steilufer erlauben. Besagte Dinger koche oder brate man, je nach Geschmack und Art. – Bei uns war’s ein zentnerschwerer Wels, der gebraten vorzüglich schmeckte. – Iwan war merkwürdigerweise wieder ruhig. – Latrine: Division soll in 8 Tagen herausgezogen werden. Die Kunde hör ich wohl, allein …

5. März 1943

Es ist beunruhigend, wie ruhig der Russe bis jetzt hier war. Entweder kann er nicht, oder er bereitet etwas Großes vor. Auf Letzteres sind wir kaum eingerichtet.

Das Bedürfnis an Dich, Hannchen, zu schreiben, war im ganzen Krieg noch nicht so groß wie jetzt.

Die Wehrmachtsberichte werden wieder positiv und bestätigen meine Theorie, dass die Rückzüge an der ganzen Front nicht in dem Maße erzwungen wurden, in dem sie uns erscheinen.

Das Wetter ist märchenhaft. Der Dreck auch. Ebenso die Zahl der Läuse. – Gutes Buch gelesen. Schmitzke, “Schwedischer Winter”, sehr fein.

Schreckliche Nacht, ein neuer Jahrgang Läuse wurde gegen uns eingezogen und griff offenbar sofort an.

Im Morgengrauen kam auch der Russe und griff vor meinem Abschnitt an. Wir legten ihm ein Gewehr- und MG-Feuer aufs Dach, dass er aus den Kesseln des Vorgeländes nicht herauskam und den Kopf schön im Dreck behielt. – An der Lage änderte sich bis in die Nacht nichts.

Gefreiter Meinecke reparierte in der Unterkunft sein MG. Er schoss es an, draußen, entlud es drinnen, passte nicht auf, ein Schuss ging los, durch die Tür und traf den draußen stehenden Posten, Kan. Hellmann, in den Hals. Tot. Im Gefecht waren wir verlustlos geblieben.

Gegen Abend ging ein Pak-Volltreffer in den Gefechtsstand. Präzise genau an meinem Bett ein schönes Loch in die Mauer. Ich selbst war gerade in die Stellung gegangen. Sonst saß ich immer dort auf dem Bett. Soldatenschwein.

8. Februar 1943

In der Nacht tastete sich Iwan am Damm vor. Im Handgranaten- und Gewehrfeuer ließ er das bleiben. Er hatte Verluste. Diese erhöhten sich im Laufe des Vormittags erheblich. Wir hatten gottlob keine. Meine Leute hielten sich blendend.

Gefechtsstandwechsel zur Artillerie-B-Stelle. Olt. Scheibe. Erfurt, Penne in Jena, Lt. Gelinek, Architekt Berlin. Gespräche um die Baukunst in den letzten 10 Jahren. Er ist dagegen. Ich bin übrigens auch längst skeptisch geworden und bete nicht mehr an. Der Krieg?

L: 37° 57’ Gr. 45° 27’ Br. Petrowskaja, 9. März 1943

18 Uhr gestern lösen. Klaglos. Im Schlauchboot über die Protoke. Glückte glatt. Aber dann eine Wanderung durch den Sumpf. Bis zu den Waden im Wasser, dann im Dreck. An jedem Stiefel ein Zentner zähfesten Schlammes, der sich auch nicht abschütteln lässt. 8 km, 4 Stunden. Dann stundenlang Quartiereinweisung hier gesucht.

Quartier nicht schlecht, Leute hundemüde und hungrig. Verpflegungsfahrzeug noch nicht da. Gottlob ausreichend Feldküchenverpflegung.

Scheiden aus der Kompanie zehn und unterstehen Hptm. Bärenfänger unmittelbar.

Mir scheint, unser Troß und Abteilung sind schon auf der Krim. Verhandlung um unsere Entlassung.

10. März 1943

Ruhe in Vorfrühlingssonne. Instandsetzung von Mann und Gerät. Essen sehr knapp. Es gibt aber noch genügend Kartoffeln und Backobst.

11. März 1943

Verpflegungsfahrzeuge endlich da. Wundervolles Wetter.

13. März 1943

Meine Gedanken sind heute zu Hause, in besonderer Intensität. Ein Tag heute auch, wie damals vor 5 Jahren, da ich meines Lebens entscheidendsten Schritt tat.

Noch immer in Ruhe. Nachts wird geschlafen, bei Tage gegessen. 3 Kälber mussten schon dran glauben. Zwei Kinder, Garderobenständer zwar, warten draußen.

Unsere Herauslösung aus dem Bataillon zeichnet sich ab und damit der Weg zur Krim. Hauptmann Bärenfänger verehrte mir sein Bild.

Anastasiewskaja, 15. März 1943

Aus dem Verband des Gr. Rgt. 123 entlassen. Herzlicher Abschied von den Herren des Btls. Es scheint, wir haben keinen ganz schlechten Eindruck gemacht. Mit Gesang auf den Weg. Gegen 30 km russische Straße, trocken. Dorf gesteckt voll. Mit Mühe Unterkunft durch Zwischenquetschen.

L: 57° 54’ Gr. 45° 13’ Br. Anastasiewskaja, 16. März 1943

Endlose Laufereien. III. Abt. liegt in Gegend herum. Alles klappt: Passierschein nach der Krim, Verpflegung, Pferdebesorgung, Putter, nur eines nicht, die Verbindung zu Hptm. Lechner, der uns eigentlich auffangen soll.

Wetter windig, Himmel bewölkt, oh bleibe trocken!

L: 57° 34’ Gr. 45° 13’ Br. Kurtschanskaja, 17. März 1943

Günstiger Ostwind verhindert Regen, bringt Sonne und treibt uns auf dem Marsch westwärts.- Auf dem Wege sehen wir die Spuren unserer Abteilung, Reste des Tankwagens und eines Ladewagens. Nachts Bomben aufs Dorf. Drei vor das Haus. Wir leben nicht schlecht. Wir sind nun in der Übersetzmühle.

L: 57 Gr. 23’ Br: 45 Gr. 16’ Temrjuk, 18. März 1943

Sonne und Ostwind. Zügiger Marsch auf alten und frischen Blasen. Vor der Ortskommandantur stehen Zivilisten Schlange, die mit uns nach der Krim wollen.

L: 37 Gr. 18’ Br: 45 Gr. 19’ Golubizkaja

Schöne Quartiere im Bereich eines Brückenbaubataillons. 3 Mann finden die schon zu viel in Räumen, in die wir ohne Schwierigkeiten 10 Mann bringen würden. In zwei Tagen in die tiefste Etappe geraten.

Unsere Wirtsleute bewirten uns mit gebratenem Fisch. Die Frau kochte einst in einem Hotel in Leningrad. Sie kocht vorzüglich, und wir werden mit zusätzlichen eigenen Plinsen direkt satt.

Ich glaube nun, wir wollen den Brückenkopf halten.

L: 36 Gr. 57’ Br: 45 Gr. 22’ Fontalowskaja, 19. März 1943

Über Peresyp hierher. Mit dem Doktor vorausgetrampt, fand ich bei den einzelnen Ablaufstellen für den Übersetzverkehr neue Spuren meiner Abteilung. Sie ist dicht vor uns. Wir laden uns bei einem Hauptmann der 1. Gebirgsjäger zum Mittagessen ein. Etwas später gibt’s eine Flasche Sekt, süß wie noch nie, nach dieser Durstzeit. Ein Ritterkreuzträger, der dabeisitzt, frischer, frecher Kerl aus Mittenwald, erzählt tolle Weibergeschichten aus dem Kaukasus.

Das Dorf hat 100 Häuser und beherbergt 2000 motorisierte Fahrzeuge, die auf den Abruf nach der Krim warten. Wir werden beneidet. Wir sollen schon am heutigen Abend zur Übersetzstelle.

15:15 Uhr trifft Batterie nach rund 30 km Marsch ein. Ruhe in einem Pferdestall.

L: 36 Gr. 32’ Br: 45 Gr. 22’ Kolonka/Krim, 20. März 1943

Heute vor einem Jahr rückte die Batterie in Simferopol ein. So schließt sich der Kreis eines Jahres.

Gestern Abend 21 Uhr Abmarsch, blendender, durch Pervitin erzeugter Stimmung. Saparoshskaja - 2 Stabsbatterien und eine Werferbatterie vor uns abgerückt. Batareika, das Ende der Über­setzkolonne wird erreicht. Wir überholen zu Fuß die 7., Stb IV, Stb. Rgt. 1, die alle noch notdürftig motorisiert sind. 18 km weit entlang den wartenden motorisierten Kolonnen nach Ilitsch und die Landzunge Kossa Tschuschka (12 km) lang. Bomben auf Ilitsch und die Landzunge. Schöner Anblick, dieses Feuersprühen, aber ge­fährlich. Liegen oft flach und haben Glück. Um das Morgengrauen erreichen wir die Landestege. Damit haben die Leute in 21 Stunden 60 km zurückgelegt. Wind stark und schneidend kalt. Endlich kommt das Geschwader der Fähren. Wir schiffen uns ein, glatt, wundervolle Fahrt über die Straße von Kertsch, tiefgrünes Wasser und Treibeis. 6 Uhr betreten wir wieder die Krim bei Unikale. Kurze Rast, Unterkunft und wohlverdiente Ruhe in Kolonka. Nun aber ins Körbchen. Draußen lacht die Sonne.

Überm Wasser drüben sehen wir die Landzunge, den emsigen Verkehr der Übersetzfähren, weiter hinten Wasser, dann das leicht­ hügelige Land der Taman-Halbinsel. Und dahinter, weit dahinter, kämpft noch das Bataillon Bärenfänger neben vielen anderen. Dort liegen auch die Gräber dreier Batteriekameraden. Unwillkürlich gehen die Gedanken dahinüber.

Nach Taman wird z.Zt. eine SS-Division übergesetzt, sagen sie. Nach Kossa Tschuschka wird von Unikale eine Drahtseilbahn ge­baut. Also wird der Brückenkopf doch gehalten werden.

Bei neuem Vormarsch wird’s drüben nicht mehr so fett werden. Denn das Land ist ausgefegt von allem, was essbar ist. Die letzten Vorräte mussten aus den Häusern geholt werden, von den Dachböden hinter den Heiligenbildern hervor, aus Gruben und Löchern und Mieten ausgegraben, alles, Vieh, Kartoffeln, Mais, Bett, Backobst, alles. Denn holten wir es nicht, holten es die Russen und stärkten sich für neue Aktionen.

Das Volk tut mir leid, das all dies ertragen muss. Und die Sympathien für die Deutschen werden dadurch auch nicht gestiegen sein. Aber, wer weiß den rechten Weg?

Auf unserer Krim wird’s nun grundlegend anders. Diese Räubersitten hören auf, denn wir sind so gut wie in Deutschland.