Tatarinowka, 21. Dezember 1943
In Berditschew noch Soldatenheim-Besuch. Niemand Bekanntes mehr da. Ist recht trübe geworden da. Besuch bei Hauptmann Schmedtper, Stab. Kdr. Nbl.Tr. 1: Regiment im Einsatz, eigener Angriff wechselvoll und langsam. Kleine Irrfahrt, Besuch Olt. Seidel, Kol. II, dann am Spätabend beim Troß der Batterie. Diese hatte in der Zwischenzeit wieder erhebliche Ausfälle. Post! Viele Briefe von Hanna, weit überholt, aber schön, weil von ihrer Hand. Ich bin wieder sehr zu Hause.
Briefe von Kameraden aus der Frankreichzeit. Hauptmann Schneider (R.K.) u.a. gefallen. Eigener Brief an meinen alten, lieben Peter Wienand zurück: “Gefallen für Großdeutschland.” Das geht mir nahe. Ich kenne ihn noch als Gefreiten und Geschützführer in der Eifel, als Unteroffizier mit mir zusammen im Batterietrupp in Frankreich, als Wachtmeister war er beim OKH-Befehlskommando mein “Lehrer”. Als Oberwachtmeister fiel er.
Tatarinowka, 22. Dezember 1943
Schreiben, Backen, Unterschriften. Ich suche bei der in Ruhe liegenden 9. und ihrem Führer, Bt. Fedde, beim Stabszahlmeister Plöger. Abends zünftiger Doppelkopf mit Plöger, Fedde, Lt. Volz. Hf. Melini 150 km Bahnfahrt, und wir treffen in der “Sowchose Gemüse” den Kommandeur. - Meldung beim Regiment beim Oberstleutnant: “Wie war der Urlaub, was gibt’s Neues, Vergeltung, Stimmung?” und dann “Indessen ist Ihre Versetzung zur Führerreserve gekommen, ich habe protestiert.” Wie ich zu letzterer Ehre komme, weiß ich nicht. War doch gar nicht so gut angeschrieben. Ob der Protest nützt? Zwei Seelen ringen, ach, in meiner Brust: Batterie und ein kleiner Heimataufenthalt, der mir trotz Urlaub nach zwei Jahren Rußland durchaus zusagen würde. Sage ich nun, ich ziehe das eine vor, wird’s das andere, und umgekehrt. - Hauptmann Rohrbach freut sich sichtlich, was mir wieder ans Herz rührt. Ich verehre ihn. - Nun soll ich den Gefechtstroß führen, da ich Olt. Seidel, meinen Vertreter, die Batterie vor Weihnachten nicht abnehmen will.
Dolijè Polla, 24. Dezember 1943
Endlich Zeit zum Schnaufen. Mit Pech und Hindernissen schafften wir in der Nacht den Weg nach Dessjating, 6 km, in der Zeit zwischen 22 Uhr und 2:30 Uhr, einschließlich Quartiermache. Es war eine Katastrophe, und wir schimpften redlich. Es lag gottlob schöner Schnee, der die Nacht hell machte. - Heute soll ich mit verschiedenen Kolonnen ein Regiments-Munitionslager verlegen, weiter frontwärts. Um 24 Uhr muß es beendet sein. Jetzt ist es 12:30 Uhr, ich denke, es um 16 Uhr geschafft zu haben. - 22:30 Uhr: Es wurde geschafft. Dann zu weihnachtlichem Zusammensein beim Kommandeur, mit Dr. Friede, Olt. Weyl und Lt. Kubitsch. Herrliche Musik, Kerzen auf dem Tisch, Heiligentransparent (Motiv Bethlehem) vor Kerzen, Likör, Gebäck, Wein und Sekt. Aber keine Stimmung. Alles denkt an zu Hause. - Nachtfahrt zurück mit dem Doktor nach hier. - 22 Uhr wird nochmal geschossen.
Tschernjachoff, 25. Dezember 1943
Nach herrlichem Schlaf fällt auf, daß das Kaff Dolije Polje leer ist, lange Kolonnen nach rückwärts streben. Nach 9 Uhr machen wir uns marschfertig und rollen nach Warten im Abteilungsverband nach Dessjating. Aller Schnee ist weg. Tauwetter. Als Quartiermacher voraus. Enormer Verkehr, auf 80 km Strecke eine ununterbrochene Fahrzeugkolonne. Räuberische Verkehrssitten. Bei Einbruch der Dunkelheit am Ziel. Schnell quartiermache. Tsch. ist stark zerschossen und sehr voll. Quartiere schlecht, alles wird schimpfen. - Russe ist ostwärts Schitomir nach Süden durchgebrochen. BAH und 1. P.D. werden hingeworfen. Wir sind BAH unterstellt.
Im Regimentsbefehl steht, daß ich am 15. Dezember zum Batteriechef ernannt worden bin. - Daß das ein Leutnant werden kann, wußte ich gar nicht.
Tschernjachoff, 26. Dezember 1943
Ich bin der Meldekopf Rantz. D.h., der Auffangfritze für die mit bisher 12 Stunden Verspätung durchs rollende Abteilungen. Unbegreifliches Durcheinander.
Über Nacht hat die Temperatur angezogen, der Dreck wird schon starr, und ganz leichter Schnee ist gefallen. – Iwan steht 40 km ostwärts von hier.
16 Uhr. Mit 24 Stunden Verspätung kommen die Abteilungen nun langsam durch. – Um 8.40 Uhr meldete sich Lt. Rauheiser als Schließender der II. Abteilung. Die Abteilung selbst kam 14 Uhr.
Ich bin nun nicht nur Meldekopf, sondern auch Rast- und Gaststätte für die durchreisenden Offiziere des Regiments. Alte Erinnerungen werden aufgefrischt an alte ruhmvolle Kämpfe, als man noch die Brust im Gefechte lüftete.
Tatarinowka, 27. Dezember 1943
Meldekopf Rants habe ich abgewickelt und fahre im Morgengrauen Richtung Troß. Am Nordrand von Skitomir werden wir angehalten und warten 5 Stunden. Treffen mit Lt. Döpke und Wachtmeister Wenerdieck meiner Batterie. Was tun? Skat. – In der Stadt selbst alles voll Fahrzeuge. Endlose Kolonnen bis zu vieren in allen Haupt- und Nebenstraßen. Engpass – Brücke. Wieder stundenlanges Warten, Bummel durch die sehr stark zerschossene und ausgebrannte Stadt. Herrlich die polnische Kirche. – Endlich kommt heraus, dass es noch eine Brücke gibt. Nun aber los mit meinem Krawallfahrer Liebermann aus Altenburg. Bei Abenddämmerung beim Troß: Besprechungen über Stellungswechsel, Glückwünsche bei Oblt. Fedde und einen Abend bei Grog und schönen Frauen.
Tscherwonoje, 28. Dezember 1943
Mit einem eleganten Mercedes auf Suche nach Abteilung. Große Umwege. Hier finde ich sie. Der Mercedes plagte uns genug. Er braucht viel Sprit, verliert Öl, der Kühler leckt und musste rd. 15 Mal nachgefüllt werden, dazu eine Reifenpanne.
Abends die Batterie wieder übernommen, oh, wie sieht sie aus! Hatte viel Fahrzeugpech.
Es geht gleich richtig los. Das Nest ist halb Dienststelle. 2-mal musste ich schon schießen mit völlig ungangbaren Schwenkungen von 70 Grad. – Märchenhafter Anblick bei Schneenacht.
Poloweskoje, 29. Dezember 1943
Herrlicher Schlaf mit kleinen Störungen. Wir schießen viel nach allen Richtungen. Iwan antwortet mit Pak und Granatwerfern. Haut schön um die Feuerstellung herum. – Gefechtslärm aus Norden und Nordwesten, Süden und Südwesten. Böse! – 8 macht Stellungswechsel am Westausgang Tscherwonoje. Nachmittag wechseln wir auch 400 m nach rückwärts und haben gleich wieder Schießaufträge. – Wir sind bereits von drei Seiten umstellt. Drüben sollen unverschämte Mengen an Divisionen und Panzerkorps stehen. Neue Verbände, die hier die ersten Verluste hatten. Die aber sollen erheblich sein. – Kurzfristiger Befehl zum Stellungswechsel. Ich muss vorher noch drei Ziele bekämpfen. Während wir auf der Straße sammeln, erreicht der Feind den Westausgang des Ortes, und seine Kugeln pfeifen lästerlich um die Ohren. Wir rollen aber ohne Verluste unseren Weg hierher und sind wiedermal gerade so entkommen. Die 8. verlor eine 11/2 und einen beladenen Werfer. – Meine eigene Maschine ist bei der Rückkehr von der Reparatur den Russen in die Finger gefahren. Fahrer gottlob unverletzt.
30. Dezember 1943
Wir stehen jetzt sozusagen am Ostrand von Berditschew seligen Angedenkens. Wer hätte das im Frühjahr gedacht! Damals war das am besten behütetes und geborgenes Deutschland. Und in den nächsten Tagen geben wir es auf. Sturmbannführer Knittel, i.A.H., sagt dazu sehr tröstliche Worte, und ein General meint, in 14 Tagen griffen wir schon wieder an. Ob er selbst daran glaubt?
Tag ruhig mit Erkundung und Vorbereitung ausgefüllt. Feuerstellung mit zwei Grundrichtungen. Am Spätabend eine volle Salve aus der Wechselstellung auf ein Dorf des Russen. 8. schießt daneben auf ein anderes. Scheußlicher Klang, großartiges Bild. - Iwan schießt zeitweise ins Dorf. Gefechtslärm in Nord und Süd. Ausfälle keine. Ein Mann (Mog) Rippenbruch, beim Aufprotzen zwischen Werfer und Maschine geraten. Nicht schlimm, Glück gehabt.
Kasatin ist in russischer Hand und damit wohl auch ein guter Teil unserer Post. - Soeben wird erhöhte Alarmbereitschaft befohlen. Mit Angriff wird die Nacht noch gerechnet. Soeben wird Schießerei im Süden auch stärker.
So kommt der letzte Tag. Nur der des Jahres?
31. Dezember 1943
Hellere Tag, Fliegerwetter. Prompt sind russische Aufklärer da. - Fliegender Einsatz. Beide Batterien eine Salve auf Skurkinsy. Iwan antwortet schnell, aber nicht stark. - Neuerdings streut er mit Granatwerfern den Ort ab. - Das Jahr dauert noch 10 Stunden, nachts Stellungswechsel. Ins neue Jahr werden wir also rollen.
Ossykowa, 1. Januar 1944
Das Lösen geht glatt und ungestört. Wir rollen im Abteilungsverband, zum ersten Mal verfährt sich der Kommandeur. So müssen wir auf enger, glatter Straße kehrt machen. Während dieser Arbeit bricht das neue Jahr an. Unbesungen und unbeschossen. Es ist sehr kalt geworden. Wir gehen in Stellung und dann zu Bett. 4 Stunden tiefer Schlaf. Erkundung. Iwan ist schnell gefolgt und schießt bald. Wir auch nicht schlecht. - Bei mir fällt der Funker Böschen aus durch Granatsplitter. War ein blutjunger, netter Kerl. Iwan greift an, wir schießen hinein und in seine Dörfer, drei Panzer werden abgeschossen. - Wir sind noch immer bei der Leibstandarte die einzige schwere Waffe im Abschnitt.
Je teurer mir das Leben wird durch meine und meiner Lieben Liebe, umso düsterer sehe ich meines Geschickes Zukunft.
Ossykowa, 2. Januar 1944
Bis Mittag mäßiger Rabbatz. Weniger kalt, Schneetreiben, bisschen Schießen. - Iwan greift stellenweise an. - Jetzt haben wir endlich auch ein bisschen Artillerie.
Das ist nun so: Vorgestern gaben uns die Häuser von Poloweskoje Schutz und Wärme, die Leute ihre Gastfreundschaft. Gestern schossen wir ins selbe Dorf, in dieselben Häuser. Morgen vielleicht ist’s hier ebenso. Und welche Angst haben die Frauen hier allein schon bei unseren Abschüssen. Kette Frauen übrigens. Ausgeprägt ostisch, doch feingesichtig und sympathisch.
Es ist Abend, und wir warten auf den Lösebefehl. Es kann noch 6–8 Stunden dauern. Die Leute haben keine Ahnung von der Lage. Aber ich bin voll höchster Spannung. Der Russe ist uns unendlich überlegen. Und wenn er die Absicht errät und im gegebenen Augenblick angreift, ist die Schweinerei fertig. Wir sind im Stellungswechsel wehrlos und ziemlich schwerfällig.
Endlich war wiedermal der Spieß da. Und brachte Zigaretten, dieser herrliche Mann! Aber auch sonst ist er in Ordnung.
In den nächsten Tagen sollen wir wieder herausgezogen werden, wenn … ja, wenn die Brötchengeber es erlauben und wir unsererseits uns aus den Kalamitäten herausziehen können.
Skragliwka, 3. Januar 1944
Um 20 Uhr wurde gelöst. Wie gewöhnlich mussten wir schießen. Gespannte Stunde hinter dem Wald, da wir uns selbst sichern mussten. Vorne lagen nur ein paar Gruppen der SS. Kan. Rgt. Süd hatte längst ganz abgebaut. Die 8., die noch am Nachmittag Stellungswechsel gemacht hatte, geriet auf dem Marsch in einen Fliegerangriff. Olt. Tiedemann verwundet und noch drei. Ein 10/1 ausgebrannt. Wir hatten sie erst beneidet.
Am Morgen hier übliche Erkundung. Wider Erwarten war Iwan am Mittag schon heran, sodass am Nachmittag schon geschossen wird. Tauwetter und Regen. Berditschew ist noch in unserer Hand.
Skragliwka, 4. Januar 1944
Nach wundervollem Schlaf beginnt ein dramatischer Tag. Frühmorgens wird mir gemeldet, von B. her kämen Hunderte von Zivilisten auf breiter Front über Feld geflohen. Durchs Glas erkenne ich, dass es Landser sind. Verdammt, noch 1 km von uns. Und schon fängt das Geschieße an. Wir antworten. Staffelweiser Stellungswechsel. Aus alter Stellung bis zuletzt geschossen, kaum in neuer angelangt, schon Aufträge da. Drei Werfer in Stellung, jeder schießt in anderer Richtung. Da kann man Meisterprüfung in Planarbeit ablegen.
Viel Schießaufträge, wenig Munition, also Kleckereien. Am Abend – eben wieder ein sauberer Granatwerfer-Überfall – bricht der Russe links durch, jenseits des Waldes, der vor uns liegt. Tagsüber schießt er mit schweren Koffern, die uns im Störverfahren auch nachts ärgern. Ein Funker beim B. wird verwundet. Lage ungeklärt. L.A.H. soll anderswohin kommen. Wir wollen mit. Aber es wird wohl nichts werden. Hoffnunglose Stellung hier, jedoch wir sollen bleiben. Wenn das nur gut geht. Ich sehe schwarz.
Osadonka, 5. Januar 1944
Vor Morgen schneller Stellungswechsel-Befehl. Wir stehen ¾ Stunden auf der Rollbahn, die Kugeln pfeifen um die Ohren, der nahe Munitionslagerwall brennt, allenthalben Einschläge, und wir, wir warten auf den Kommandeur, der wiedermal die Ruhe hat. Endlich kommt er daher. Wir rollen ins nächste Dorf. Bald Einschläge, und der Russe ist auch schon wieder da. Stellung am Nordwestrand, zwei Werfer. Kommen nicht zum Schuss.
Nette Leute, freundlich und gastfrei. Dick eingemachte Weichselkirschen, Kartoffeln, Eier, Sauergurken, gutes Brot. Wieder schnell Stellungswechsel. Auf der Fahrt pfeifen wieder Geschosse um die Köpfe. Der Lage nach dürfte das nichts sein. Na ja, Infanteristen schossen auf einen Hasen, der auf uns zulief.
Osadowka ist gesteckt voll. Wir quengeln uns dazwischen und wollen gut schlafen unter der Hut der Division.
Pilinki, 6. Januar 1944
2:30 Uhr aus dem Stroh geholt, Verbindungsaufnahme nach Rgt. 2 der L.A.H. Nachtirrfahrt. Endlich finde ich Stbf. Kuhlmann, der erfreut ist. Bei der SS haben wir überhaupt einen Stein im Brett. Schon bei Tageslicht zieht die Abteilung in die eingesehenen Stellungen. Jetzt ist es 13:30 Uhr. Es knallt allerorten, nur um uns blieb es bis jetzt ruhig. Der Russe steht im Westen, Norden und Osten. Nur ein Feldweg ist nach Süden einigermaßen frei.
Sherebki, 7. Januar 1944
Dies bestritt der Kommandeur gestern, als ich beim Befehl zum Stellungswechsel fragte, ob der Weg über Demtschin frei sei. „Ja“, sagte er und meinte, es würde ein Friedensmarsch. Schon beim Abrollen aus Pilinki Granatwerfer auf die Straße. Ging gut. Demtschin ruhig, auf dem Weg nach Süden vor uns plötzlich Granatwerferbeschuss und Pakfeuer auf Rollbahn und links schon angreifende Russen. Also Vollgas und geduckt durch. Als ich in Osadowka wieder die Batterie sammle: Lt. Blankenhorn gefallen, zwei Mann verwundet. Panzerbüchsentreffer schräg in linke Windschutzscheibe, Beschoss trifft Lt. Blankenhorn in den Kopf. Furchtbare Wirkung.
Blankenhorn habe ich etwas abzubitten. Wir spannten uns anfangs, kamen dann aber sehr gut überein, und ich muss und darf sagen, er war ein vorbildlicher, tapferer, schneidiger und fähiger Offizier. Ein schwerer Verlust für die Batterie, der mir persönlich sehr nahe geht. Ich kann dieses Schicksal noch nicht fassen, und meine Gedanken kommen immer wieder darauf zurück.
Kachtmarsch über Harzynowka, Raigorodok (ein nachts malerisch anmutender Ort), Betrokowny, Ssmela nach Sherebki. Es glückte wieder mal gerade noch, Russe drückte schon nach Osadowka. - Gleich in Stellung, Sicherungen und VL raus. - Langsam wird wieder eine Front. Wäre der Russe nachts angetreten, oh weh! Er hätte die ganze Division abfangen können.
Bis Mittag ist es ruhig. Ein russischer Flieger à terre. Eigene Artillerie schießt schon. Tja, und gestern Nachmittag erscheint der Kommandeur (in Pilipki) auf meinem Gefechtsstand und macht mir klar, dass ich Oberleutnant geworden bin.
Sherebki, 8. Januar 1944
Gestern Abend noch ein Doppelkopf bei Abteilung. Kaum zum Schlafen gelegt, Alarm. Russe greift Dorf an, steht schon 500 m davor. 300, 200, ist eingedrungen. Zu nahe, können nicht mehr schießen. Aber er schießt wie wild mit seinen Panzern und MG. Fahrzeuge und Werfer Stellungswechsel nach der anderen Dorfseite. Bedienungen 7. und 8. Infanteristische Sicherung wieder mal. Es pfeift uns nur so um die Ohren. Wir schießen auch, können aber trotz Mondhelle nichts sehen. Vom Schießen der 8. hören wir nichts mehr, so setze ich mich 150 m ab. Rasender Panzerbeschuss, MG, MP. Die halb rechts hinter uns stehende Wespenbatterie scheint auch weg zu sein. Nochmal 100 m zurück. Dicht vor uns russische Leuchtkugeln. So führe ich die Batterie über den uns von der Abteilung trennenden See zurück. Das geht gut. Drüben Leute von der 8. und in Gegend Abteilungsgefechtsstand anscheinend russische Leuchtkugeln. Vom Kommandeur keine Spur. Also Spähtrupp vor, ich sichere ihn mit meinem Burschen nach links, parallel vorgehend. Schließlich treffen wir auch den Hauptmann mit einigen SS-Art.-Offizieren. Bau einer Sicherungslinie. Lt. Frey mit einem starken Spähtrupp wieder hinüber über den See, von rückwärts umfassend, Auftrag, Stand der Russen und des Gegenstoßes einiger SS-Grenadiere feststellen. Dauert mir zu lange, gehe mit meinem Burschen im Schutz eines Dammes direkt hinüber. Da kommen sie zurück. Mindestens 5 Panzer im Dorf, und die schießen! Nach jedem Aufblitzen in den Schnee gelegt. Es sprüht und spritzt nur so. Mir fehlen noch Leute, so will ich deren Rückzug drüben abwarten, gegebenenfalls sichern. Kommt aber keiner. Nur einzelne SS-Männer, teils verwundet. Eben will ich ins Dorf springen, Geräte holen, die liegengeblieben waren, da kommt ein T 34 um die Ecke gebogen, hält 100 m vor uns und schießt wie der Deibel. 100 m zurück am Damm. Er folgt, hält, schießt wieder. Schließlich gibt der Weg am Damm keine Deckung mehr, also Laufschritt übers Eis ohne Deckung, 400 m zu den einigen Schutz bietenden Häusern. Dank den weißen Überanzügen kommen wir, offenbar unbemerkt, jedenfalls heil drüben an. Bange Minuten. Koch, langes Hin- und Hergeschiebe der Panzer, eigenes Sichern, Spähtrupps, Beobachtungen und heftiges Feuer. Darüber wird es Tag. Es beginnen Gegenaktionen. Wird auch Zeit, denn wir sehen in großem Bogen in unserem Rücken schon russische Panzer. Auf einmal rollen wie eine Schlachtflotte in Kiellinie 20 eigene Panzer zum Gegenstoß. Grandios. So wird die Affäre nach langen, wackligen Stunden einigermaßen bereinigt. Dem Russen kostet das 27 T-34 und 5 Sturmgeschütze. Jetzt ist es Abend, und wir sichern wieder. Wir sind heute wackliger als gestern. Und wie ich Iwan nun kenne, kommt er wieder. Und wir markieren Infanteristen in memoriam Uljaniki. Die 7. hat doch Pech in dieser Hinsicht. Und abgelöst werden wir auch nicht. Wir warten seit einer Woche darauf, und es passiert nichts. Morgen soll die 9. nun vorkommen. Bin überzeugt, es kommt wieder etwas dazwischen. Eben schießt Iwan wieder wie toll. Wäre ich doch nicht so ein abgründiger Pessimist. Hatte heute wieder die Bilder der Meinen vor. Da blutet das Herz.
Ssmela, 9. Januar 1944
Der Tag beginnt ruhig, nach einigermaßen durchschlafener Nacht. Erkundungsauftrag im Nordwestteil von Sherebki. Eben will ich auf dem Wege den Ostteil befahren, als ein Stalin-Orgelkonzert einsetzt, wie noch nicht erlebt. Halt, und in Deckung. Das Dorf scheint unterzugehen. In diesem Hexenkessel fällt Uffz. Pürböter von der 8., vor zwei Jahren war er mein Bursche, ein prächtiger Kerl, furchtloser, tüchtiger VB. Iwan ist heute überhaupt schießlustig. Man ist seines Lebens kaum noch sicher. Um die Mittagszeit Alarm. Nieder mal ein paar Panzer im Dorf. Aufregung, legt sich bald. Langsam gewöhnt man sich daran. Russen kommen in Massen über die Höhe. Panzergegenstoß macht Dorf wieder frei. Wir spielen wieder mal Infanteristen. Abends Sicherung des Dorfes, 21 Uhr Abösen und Rückzug nach Smela. Batterie in drei Häusern, engst und heißest.
Latyczow, 10. Januar 1944
Bis 2 Uhr beim Hauptmann wegen Auffrischung. Kurzschlaf und Marschvorbereitungen. Im Morgengrauen Abmarsch in Smela, Ulanow, Chmjelnik, Batyczow. Mittagspause, Sammeln der Batterie. Der Kommandeur soll zum Lehrgang nach Celle. Das ist übel, in der derzeitigen Lage so einen Mann zu verlieren. Zu gönnen ist ihm jedoch wieder ein Heimataufenthalt.
Die Abteilung Rohrbach hat allüberall besten Ruf und ist stets begehrt und gerne gesehen. Allein sein Verdienst.
Kotkowce, 11. Januar 1944
Gestern am frühen Nachmittag Weitermarsch. Durch Glück verfahre ich mich und finde so den besseren Weg. Es taute weiter und regnete dazu. Die Rollbahn zeigt einen Verkehr wie selten. Hin und her, Verstopfungen, schließlich kommen wir spät in der Nacht zum Ziel. Ausgehungert, wie wir sind, lassen wir uns vom Koch noch ein Gulasch mit Bohnensalat machen, über der Bötlampe, und dann noch einen Grog, der sich dann bis 4 Uhr ausdehnt.
Den Tag bisschen Ruhe und Papierkrieg. Der Kommandeur hat das EK I bekommen. Das feiern wir zusammen mit dem Regimentskommandeur bei einem frugalen Essen meiner Küche. Kalbshirn, Kalbsleber, Kalbsschnitzel, garnierter Kartoffelsalat, Sekt. Nur keinen Neid. Alle des Lobes voll.
12. Januar 1944
Heute wurde endlich Lt. Blankenhorn auf dem Heldenfriedhof Proskurow beigesetzt. - In einem Abteilungsappell hier nahm der Kommandeur ehrend von ihm Abschied.
Kriegsverdienstkreuze in die Batterie. Kalter, klarer Tag voll Papierkrieg und Regierungsmaßnahmen.
Ein stiller Abend steht hoffentlich bevor. Briefe schreiben an viele Liebe und weniger Liebe. Wie ist man
doch an die Konvention gebunden, an diese Zuchteinrichtung.
13. Januar 1944
Abends doch noch einen Doppelkopf mit Blöger, Friede und Bertsch. Letzterer so blau, dass er nicht zu Ende spielen konnte.
Früh überreichte der Kommandeur das EK I an Uffz. Müller, freut mich sehr, und an Ogfr. Neubert das EK II. Außerdem kam es noch für Ogfr. Ehrenberg, einen tapferen Kerl, der schwer verwundet im Lazarett liegt.
14. Januar 1944
Diese Tage sind wie ein Wunder. Hätte ich die Sorge um die Bat terie nicht, ich wüsste nichts vom Krieg. Man lebt seinen Tag, er ledigt Papierkram, macht Besuche, lädt ein zu Rotwein und Doppel kopf, beschwingte, feine Musik bis Mitternacht. - Morgen schon kann ein Befehl an die Zeit gemahnen und alles zerreißen. Dafür sind wir ja auch da.
Der Doktor ist Stabsarzt geworden. Als solcher gibt er mir gleich die erste Pieckfieberspritze. - Das nennt man so Auffri schung: Ich muss vier Zugmaschinen mit Mannschaften und 1 Offizier der Rgts.-Mun.-Kol. zur Verfügung stellen.
Fern hört man auch hier schon den Gefechtslärm. Da wird unseres Bleibens nicht mehr lange sein.
16. Januar 1944
Unteroffiziersabend. Erst Kälte und Steifheit, dann Schweinige leien, schließlich Angetrunkenheit und Streit. Da mache ich kurz Schluss. Sie sind betroffen und ziehen mit langen Gesichtern ab.
Sonntag ist. Ein kalter, klarer Wintertag.
17. Januar 1944
Der Stabsarzt, neu befördert, hat Geburtstag. Kleine Gratulations cour. Abends Doppelkopf, das Spiel der Nebeltruppe, mit ihm, Oblt. Frindt, Lt. Volz bei mir.
Ich bin in Disziplinarsachen zum Regimentskommandeur befohlen, offenbar um wieder einen Anschiss zu beziehen.
Bialyrekaw, 18. Januar 1944
Frühmorgens Abfahrt in meinem letzten Pkw. Die Kupplung wird mit einem Schnürchen herausgezogen, Spritzufuhr aus Ersatzka nister mittels Schlauch. Regiment lange gesucht in Ulanow, Mon zowka, Salnica, gefunden weit rückwärts in Chmielnik.
Ich habe mich lächerlich gemacht, war inkonsequent, habe zu milde bestraft, während andere anständig eingetunkt werden. Major Gommichau hat schon gesagt, im Einsatz wäre ich als Führer tadel los, jedoch kein Disziplinarvorgesetzter. Jetzt wieder so eine Schweinerei. Wenn das Kriegsgericht nach genauer Prüfung der Fälle 10-14 Tage geschärften Arrest für angemessen hält, kann ich nicht mit 5 Tagen bestrafen. Ich habe keine Ahnung, wie man die Disziplinarbefugnis handhabt. Wenn das nicht besser wird, bleibe ich nicht Batterie-Chef. - Dies und einiges andere sagte mir der Rgts.-Kdr. in Variationen und ohne solche mindestens sechsmal. - Einwände gelten nicht. Ein Gespräch über die Dinge kann man mit ihm nicht führen. Dazu hat er zu viel Komplexe und ist er selbst zu wenig innerlich überlegen. Hauptmann Rohrbach ist da ein anderer Kerl.
Viel Soldaten ziehen auf den Straßen, eine neue Division aus Kroatien kommend. Leibstandarte wird abgelöst.
Abends bei Hauptmann Hermann, der jetzt die Abteilung führt. Gänsebraten, Tabakrauch und der unvermeidliche Doppelkopf. Lt. Döpke übernimmt den Festrausch.
19. Januar 1944
Bei Hauptmann Epping “meinen Ball” besprochen. Er hat wesentlich mehr Verständnis als sein hoher Chef.
Im Uffz.-Korps reißt schon wieder die Sauerei ein. Da wird etwas geschehen müssen.
Meine Batterie wird immer mehr ausgeschlachtet. Die vorn eingesetzten Batterien sollen voll aufgefüllt sein. Das geht nur auf Kosten der rückwärts befindlichen, das sind zur Zeit wir.
Besuche bei den Kranken. Es geht nur langsam vorwärts. - Beginn der Ausbildungskurse. Große Schwierigkeiten durch Personalmangel.
21. Januar 1944
Temperaturen wieder um Null. - Ausbildung. - Weckerbauer bekam 21 Tage. Zudem läuft Degradierungsantrag. Er tut mir leid. Er hat Frau und Kind. Aber er ist selbst schuld. Er mit Hilfe des Schnapses.
Preußker, der Spieß, ist wieder da. Gottlob. Meurisch ist ein glänzender Truppenwachtmeister, aber eben kein Spieß. Ist überhaupt so eine Sache mit den Unteroffizieren. Fast alle waren einst gemeinsam Gefreite und Obergefreite; heute sind sie nun Unteroffiziere und Wachtmeister, aber das alte “Du” und die alte Vertrautheit blieben. Und ist nicht herauszukriegen.
22. Januar 1944
War wieder “vorne”. Die Batterien liegen noch in Ruhe. Und warten. Das Regiment gehört nun zur Werferbrigade, die den stolzen Namen “1” führt. - Ganz vorne schien es ruhig zu sein. - “Cointreau im Kreise Ranks”, der bester Laune war und aus seiner Leutnantszeit erzählte. - Ich bin jetzt ein berühmter Mann im Regiment. In jeder Besprechung herangezogenes Beispiel in Disziplinarsachen. -
In der Gegend hier gibt’s viel Hasen. Die Wachtmeister haben so 20 geschossen, was mal wieder Abwechslung in den Speiseplan bringt.
“Juan in Amerika” von Linklater beendet. Köstlich. Nun lese ich den “Hungerpastor”. Und mache die Entdeckung, dass ich beim Beginn des Lesens Widerstreben empfinde. Ich wehre mich, unbewusst, gegen Dinge, die hart, dramatisch oder traurig erscheinen. Offenbar liegt es daran, dass man genügend in Wirklichkeit erlebt.
23. Januar 1944
Ausbildungspläne, Strafbucharbeiten, Vernehmung, ja, das ist mein Sonntagsvergnügen.
Abends bei herrlicher Musik einen schweren Doppelkopf über 6 Stunden. Ich habe anscheinend wieder Pech in der Liebe, denn ich gewann wie selten.
24. Januar 1944
Komischer Winter noch immer, wieder Tauwetter, trübe, bedeckter Himmel. - Ich fange langsam an, wieder zu packen. - Die Batterien vorne sind wieder im Einsatz. Meine ist in einer elenden Lage: 30 Mann abkommandiert, 10 in Urlaub, 20 im Lazarett, 12 hier krank.
Dennoch läuft die Ausbildung an. Etwas müde noch. Das geeignete Ausbildungspersonal z.T. krank. Waffenrevision fiel bestens aus, was mich denn auch freut. Im Rundfunk höre ich den erfreulichen Namen Marnitz, der die Gruppe Nordmark übernahm. – Und der prachtvolle Oberst von Obernitz fiel als Oberst der Luftwaffe. Die Erscheinung dieses Mannes hat mir stets imponiert: lang, hager, energisches Gesicht, schmaler Kopf.
25. Januar 1944
Kalter, klarer Tag. Papierkrieg. Meunsch wurde Oberwachtmeister, Michaelis Wachtmeister. Abends kleine Feier mit Hasen, Glühwein und Weinbrand. Der Abend verlief schon besser als der erste der Unteroffiziere.
26. Januar 1944
Endlich wieder mal Post. Aber nur alte, und von Hanna nichts dabei. Mein geistlicher Onkel lässt wieder auf seine Weise von sich hören, schickt mir ein Bild von Cäsar und ein Gedicht von Reinhold Schneider:
Allein den Betern wird es noch gelingen, das Schwert auf unsern Häuptern aufzuhalten und diese Welt den richtenden Gewalten durch ein geheiligtes Leben abzuringen, denn Täter werden nie den Himmel zwingen. Was sie vereinen, wird sich wieder spalten, was sie erneuern, über Nacht veralten, und was sie stiften, Not und Unheil bringen. Jetzt ist die Zeit, dass sich das Heil verbirgt und Menschenhochmut auf dem Markte feiern, indes im Dom die Beter sich verhüllen, bis Gott aus ihren Opfern Segen wirkt und aus den Tiefen, die kein Aug verschleiert, die trocknen Brunnen sich mit Beben füllen.
Gleich im Affekt antworte ich ihm sehr deutlich. Rote Panzer lassen sich nur durch Täter aufhalten, nie aber durch Beter.
27. Januar 1944
Ein verrückter Tag. Es taut, ich bin müde, der Rundfunk will nicht, wie ich will, höre plötzlich eine angenehme, deutsche Stimme, die behauptet, die Polen von Katyn wären Opfer der deutschen Landräuber. Drehe gleich weiter, finde nur Klaviergeklimper, starkes Fading, die Patiencen gehen nicht auf, das Lesen fesselt mich nicht, und Doppelkopf kommt auch keiner zustande. Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut.
Kotkowce, 28. Januar 1944
Unterricht vor den Fernsprechern über das Feuerkommando und vor den Unterführern über die Disziplinarstrafordnung. Rank würde lachen. Sonst steht Sonne über der milden Luft. „Hungerpastor“ durch, doch recht fein. Nun sitze ich über der Flucht des großen Pferdes von Sven Hedin. Abends traditioneller Doppelkopf mit Plöger, Seidel und Kubitzky. Anschließend Lesen und Musik bis Mitternacht.
Kotkowce, 16 km nördlich Proskurow, 29. Januar 1944
Aprilwetter: Sonne, kalter Wind, Schneematsch, Wolken, Regen und Graupel. Studium der neuen Kriegsstückenachweisung. Wenn sie in Kraft tritt, und wir bekommen die entsprechenden Fahrzeuge, kann es ganz nett werden, aber durch Sperrstellen nicht ohne Schwierigkeiten. Lesen der Flucht des großen Pferdes schreitet tüchtig voran. Zur Freizeitgestaltung hat die Batterie einen Haufen von Spielen. Ein großer Teil ist Kitsch, Krampf, typische Erzeugnisse der Kriegskonjunktur. Ein Stäbchenspiel ist dabei, es nennt sich Mikado und ist ein nettes altes Spiel Kärntner Holzknechte. Ich spielte, d. h., lernte es vor 15 Jahren auf der Hinterbuchholzerhütte bei Villach.
30. Januar 1944
Zum 11. Jahrestag spricht der Führer sehr ernst und ohne Prophezeiungen. Zeit und Lage entsprechend. Seine Zuversicht äußert sich stark.
Tauwetter und Regen. - “Flucht des Großen Pferdes” durch, als Sonntagslektüre Paul Ernst: “Schatz im Morgenbrotstal”.
31. Januar 1944
Besprechung bei Epping. Böse Andeutungen. Das mal eine unliebe Reihe von Arbeit. Die Amerikaner scheinen die Engländer zum Gaskrieg überredet zu haben.
Das OKW gibt seit langem eine Soldatenbücherei heraus. Sehr fein ausgewähltes Schrifttum von Paul Ernst, Bons, Wilhelm Schäfer und viele andere. Zurzeit bin ich über Schäfer, zwei rheinischen Erzählungen. Sie sprechen viel von Liebe, in feiner Weise, die mich an Dich, mein Hannchen, erinnert.
1. Februar 1944
Endlich wieder Post. Zwei Luftbriefe von Hanna und Zigaretten von Muttern. Mehr brauche ich gar nicht. Keine Missverständnisse, bitte.
Tagsüber Studium in einem Stoß nachgelieferter Heeresverordnungsblätter. Sie erstrecken sich über ein halbes Jahr. Ich glaube, die Druckerei war in Klumpen geschmissen.
Die Lehrgänge haben die Halbzeit überschritten. Ich plane nun die Fortsetzung und den Bau neuer.
Mit der Zeit wird die “Personalpolitik” immer schwieriger. Die Batterie ist bald ausgeschöpft und kann nicht mehr viel Unteroffiziere hervorbringen. Als Offiziersanwärter konnte ich gar keinen nennen. Müller – kaltblütiger, schneidiger Hund, aber ich möchte ihn nicht als Offizier in der Batterie haben. Also kann ich ihn auch nicht anderen anbieten. Nolle so ähnlich. Außerdem brauche ich beide. – Vielleicht bin ich zum nächsten Lehrgang milder gesonnen – oder der Kommandeur befiehlt. – Eine Schweinerei zwar, aber nicht zu ändern: In der Batterie sind seit Belgorod drei Offiziere gefallen. Offiziersersatz stellen sie aber keinen.
2. Februar 1944
Ich lese in alten Zeitungen den Prozess von Verona nach. Bei meinem ausgeprägten Erinnerungsvermögen rührt mich der Tod Cianos doch stark an, wenn ich ihn auch nicht bemitleiden kann. Ich erinnere mich zu deutlich all der Bilder in Wochenschau und Zeitungen, als er Botschafter in Berlin war, das Temperament, der Glanz, die Frische – auch der Lack und die Angabe. Ebenso guten, noch besseren Eindruck machte Alfieri, der nun auch flüchtig und zum Tode verurteilt ist.
In den letzten 24 Stunden las ich “Die Verbrecher” von Bernhard Voigt, Schicksal und Kampf der Buren vor 100 Jahren. Aufrührend, die unvorstellbare Grausamkeit, mit der ihren friedlichen Bandnahmeversuchen von Engländern und Wilden begegnet wurde. Ich male mir den sich aufdrängenden Vergleich aus, wenn die Roten nach Deutschland kämen.
Seit den Jahren meiner jugendlichsten Verliebtheit schrieb ich keinen so langen Brief wie heute an den Vikar, als zweite Stellungnahme zum Worte “Beter und Täter”. Ich versichere ihm auch, dass er sich keine Mühe um meine Kinder im Falle meines Todes geben soll. Deren “heidnische Erziehung sei nach menschlichem Ermessen gewährleistet.
3. Februar 1944
Plöger lädt mich zu einer “feinen, zarten, jungen, fetten Gans” ein. Ich komme und wir genießen eine Gans, fett wie noch nie, und alt und zäh wie selten. Den Rest des Abends verplaudern wir bei einem Gläschen Sekt.
Abends lese ich noch ein Buch fertig, von einem Finnen “Irjo der Läufer”. Es ist wie fast alle Bücher der Wehrmachtsreihe sehr gut. Psychologisch sind sie gut ausgewählt. Die Helden sind aufrechte, vornehme Gestalten, die überall auftretenden Frauen sind, wie sie sein sollen. Und das Verhältnis ist keineswegs prüde, sehr menschlich und wahr, aber grundsätzlich anständig. Dabei fehlt nie das gewisse “Etwas”.
Nach dem Kriege kaufe ich mir Bücher, vornehmlich von unbekannten Autoren.
4. Februar 1944
Wiedermal 5 Anträge auf das KVK II abgelehnt. So ein Blödsinn. Da sitzt man da und erfindet “Verdienste”. Die Leute haben es zweifellos verdient durch ihren unermüdlichen Einsatz, aber was soll ich bei einem Feldkoch für besondere Verdienste schildern?
Heute habe ich Gäste zu Hasenbraten und Doppelkopf: Plöger, Wagner, Ebrecht.
5. Februar 1944
Habe eine Dienstplanverschärfung eingesetzt. In den Kursen haben sie mir zu wenig bisher gelernt.
Weyl kommt vom Urlaub zurück. Wider Erwarten kommt er pessimistischer zurück, als er fuhr.
Beim Rechnungsführer hat ein junges Frauchen ein Kind. Es schreit den ganzen Tag. Das soll es aber nicht. So gibt ihm Mütterchen Rübenschnaps in der Flasche. Da schläft es den ganzen Tag, und es ist Ruhe. Kürzlich wurde es gebadet. Einfachheitshalber wird es samt Klamotten ins Wasser gesteckt, mit Kopftuch, Hemd, Kleidchen usw. Es hat nämlich Geschwüre am ganzen Körper, und da desinfiziert die Kleidung offenbar.
6. Februar 1944
Der Winter ist wieder da mit heftigem Schneetreiben und mäßiger Kälte.
Nachmittag “Bunter Abend” bei der I. Abteilung. Ganz nett, aber kalt und zu lang.
Abends Lektüre: Alfons von Czibulka, “Der Münzturm”, in der Hauptrolle Andreas Schlüter.
7. Februar 1944
Winter hält an. Es schneit weiter und weht. Auch die Temperatur sinkt.
Von den Batterien vorne hörten wir schon eine Woche nichts. Das Korps an der Dnjepr-Schleife ist eingeschlossen. Der Ring soll aufgebrochen werden. Sieben angeschlagene Divisionen und die 1. Werferbrigade sollen es machen. Offenbar läuft der Angriff, und ich bin in Sorge um meine Leute, die zur 8. und 9. abkommandiert sind.
8. Februar 1944
Mit Plöger nach Proskurow. Besuch im Lazarett bei Priede, den wir gleich mitnehmen, bei “Nebko” Schmedtper, der sehr überlegen tut, Post, Soldatenheim, IV a der Heeresgruppe, und Mädchen gibt’s da in Gestalt der Stabshelferinnen. Da ist Polen offen. Bei Heeresstreife kann ich erwirken, dass eine Meldung gegen einen Mann zurückgenommen wird. Abends der traditionelle Doppelkopf.
9. Februar 1944
Abmarschvorbereitungen. Trosse werden feindwärts verlegt, 140 km ostwärts, in die Gegend von Winniza. Dennoch finden wir uns abends bei Plöger zusammen zur Arbeit (mit Giebler, Dr. Weumann). Nachts gibt’s noch Post. Ganze Menge.
Woronowiza, 11. Februar 1944
10 Uhr marschierten wir ab. Mit der Spitze der Abteilung war ich schon um 13 Uhr auf der 9 km entfernten Rollbahn. Jeder LKW muss einzeln durch die verschiedenen weichen Stellen geschleppt werden. Deren gibt es viele. Die Nacht über hatte es gefroren. Als wir rollen durften, war es gerade weich geworden. 16 Uhr “schon” war das Gros auf der Rollbahn. So marschierte ich los und komme soeben an. Gute Fahrt, gute Straße, mondhell, nicht kalt. Quartier schlecht. 22 Uhr: Wieder ein wundervoller Wintertag mit strahlender Sonne. Mein Quartier ist ganz nett. Die Russen waren vor drei Wochen auf drei Tage schon hier gewesen. Daher gibt’s kein Vieh, und die Kampfspuren sind z. T. offensichtlich frisch. - Am Nachmittag mit Jähner und Plöger in dessen Plutokratenwagen in der Umgebung zur Anbahnung von Lebensmittelorganisation. Nette Leute, hatten gute Äpfel. Langsam sammelt sich die Batterie wieder. Nur die J-Staffel fehlt noch.
Abends mit Fiesler und Friede löbl. Tun.
12. Februar 1944
Allerorten Dreck ohnegleichen. - Was hier sein kann und muss von der Batterie, ist nun ca. Abends Gäste: Plöger, Fiesler, Friede. Schöner Hase.
Geringe Flugtätigkeit, ob die auch der Dreck hemmt? Der Befreiungsstoß für das eingeschlossene Korps jedenfalls leidet sehr darunter.
Ersatzteilkümmernisse jeder Art und Wagentyp.
14. Februar 1944
Gestern böser schriftlicher Anschiss durch Rank. Wegen äußerst nachlässiger Auffassung von der Ausbildung bei den Trossen. Ich antworte ihm, noch im Affekt, in einem persönlichen Schreiben. Es ist klar, ich bin bei ihm eben dran. Da ist nicht viel zu machen. Aber obiger Vorwurf mir, der ich im Gegenteil eine sehr hohe Auffassung von der Ausbildung habe!
Unser Lt. Volz ist am 4. November gefallen. Sein Bruder fiel zwei Tage vorher als Olt. im selben Raum.
Nun soll ich noch meine alte 9. i.V. von Fedde übernehmen, der auf Lehrgang geht. Lust habe ich keine, gerade die 9., die ich schon zweimal hatte, nochmal zu übernehmen. Außerdem wollte ich hier einen sorgfältigen Batterie-Kurzlehrgang starten. Wie dem auch sei, in ein paar Tagen geht’s wieder los.
Mit Volz verlieren wir wieder unseren jüngsten, aber einen der besten Offiziere, einen unerschrockenen VB und lieben Kameraden. Plöger, der zynische Hund, fügt hinzu: Und einen guten Doppelkopf spieler.
15. Februar 1944
Schneesturm, eisig, glaubt man - der Boden ist beinahe weich wie vorher. - Politische Tagesfragen. Die Leute haben Interesse. - Fedde zurück. Übermorgen fahre ich vor, die 9. zu übernehmen. Ausgerechnet jetzt habe ich die Grippe in den Knochen. Fieber mes sen will ich erst gar nicht, sonst habe ich es wirklich.
Die Leute, bei denen ich wohne, sind sehr nett. Auch sauber. Wovon sie leben, weiß man in Russland selten genau. Der Pan ist ein stiller, freundlicher, devoter Herr. Die Mutter waltet entsprechend still ihrer Pflicht, drei Töchter, zwei verheiratet. Männer verschol len, drei nette Kinder, eines davon entzückend, mit flachsblondem Seidenhaar. Die dritte, nett und ostisch-hübsch, sitzt gerne in meinem Bau, der Musik zu lauschen.
Woronowiza, 16. Februar 1944
Nun hab ich die Grippe. - Abmarschvorbereitungen, “letztwillige” Verfügungen, Musik.
17. Februar 1944
In kleinem Konvoi von 4 Zugmaschinen auf Achse. Schlechte, gottlob gefrorene Straßen, Stockungen, Stauungen, Schneetreiben. Bis Gaissin geht’s ganz gut, dahinter sind die Straßen unpassier bar, und man fährt über Feld, sehr vorsichtig, denn das Gelände ist heimtückisch, zugewehte Löcher und Risse. Bäche werden auf der Straße überwunden. Dazu wurden Zu- und Abfahrten ausgeschaufelt. Einmal verpassen wir sie und bleiben im Graben im Schnee stecken. Die Ketten laufen leicht und leer. Paar Russen herangerufen und geschaufelt. Bei einem Fahrversuch schieben wir alle. Der Fahrer haut unmotiviert den Rückwärtsgang hinein, die Ketten fassen, hin ten stürpert alles durcheinander, einige fallen, ich schreie “Halt!” wie wahnsinnig, der Fahrer versteht “Gas” und gibt es. Furchtba res Bild, zwei Russen unter den Ketten. Vor! Der eine, ein Junge, springt entsetzt auf und läuft davon, ihm waren die Beine nur in den Schnee gedrückt worden. Der andere, ein Mann, muckst sich nicht, lebt aber. Wir bringen ihn zurück in ein Dorf, von dort mit Banje schlitten nach Gaissin. Mir ist das furchtbar. -
Wir schlafen im Ort leidlich gut.
Dmitrowskoje, 18. Februar 1944
Brühlos, furchtbare Verwehungen, mühsames Vorwärtsstampfen, in Kublitno Jause. Partisanengegend. Bei den Banden, die in deutschen Uniformen auftreten und perfekt deutsch sprechen, sind offensicht lich auch Deutsche dabei. Sie kommen nachts, überfallen Landser oder La-Führer im Quartier, nehmen, was sie brauchen, Uniformen, Waf fen, Ausweise, Erkennungsmarken, Essen, Sprit, auch Fahrzeuge, manchmal das Leben, manchmal auch nicht - und gehen wieder. Ein Oberleut nant soll ihr Anführer sein. Tolle Sachen leisten sie sich, frech und geschickt. - Weiter über Teplik nach Uman. Dreimal im Schnee steckengeblieben, ausgeschaufelt und rausgerückt und weiter. Fahrzeuge angeschleppt, rausgezogen, aber alle Wünsche kann man nicht erfüllen, wenn man ein Ziel hat. Der Schneesturm tobt den ganzen Tag, man sieht oft nur ein paar Meter. In Uman kurzer Aufent halt beim Meldekopf und zur Abteilung. Wieder verwehte Straßen, Grabensprünge und am Dorfrand im Schnee fest. - Meldung beim Kom mandeur, d. h. Hauptmann Hermann, und abends den Eröffnungsdoppel kopf, Hermann, Friede, Döpke. - Von der 9. ist noch nichts da.
19. Februar 1944
Das Regiment ist ziemlich zur Sau, fahrzeugmäßig. Nur zwei Kampf gruppen sind noch im Einsatz. Verhandlungen über die Auffrischung laufen. Voraussichtlich wird ein Reparaturaufenthalt hier daraus.
20. Februar 1944
Kalt, und leichter Schnee fällt. Es ist Sonntag und unendlich langweilig. Ich hatte mit Einsatz gerechnet und nichts zu lesen mitgenommen. So geht’s Vormittag mit der Kartenarbeit los, setzt sich nachmittags fort in veränderter Zusammensetzung. Und am Abend noch ein Skat mit zwei Stabsgefreiten meiner 7. - So wird man zum Spieler aus Lesestoffmangel und solchem an der nötigen beweglichen An sprache.
Hermann schläft, wenn er da ist, den ganzen Tag. Aber man spricht gut mit ihm. Er ist intelligent, geistig beweglich, nicht ganz wie Rohrbach, und auch verstehend.
Die ersten Teile der Batterie trudeln ein.
21. Februar 1944
Wir wohnen alle durcheinander mit den Russen. Ich bei einem Ehepaar mit zwei Kindern. Der Große sieht ganz gut aus, 3 Jahre, der Kleine unsympathisch, 6 Monate. Der Alte ist groß und kräftig, 32 Jahre, sie ist 23, sympathisch, sehr schöne, dunkle, manchmal glühende Augen. Einiges hängt an ihr herab, ziemlich tief. Wie sie das sexuelle Problem lösen werden, bin ich neugierig. Andernorts hörte ich wiederholt, dass sich die Gatten nicht durch die Anwesenheit deutscher Soldaten stören lassen. Für sie ist alles offenbar noch sehr natürlich.
Aus einem Entlausungsversuch in Uman wird nur ein herrliches Wannenbad.
Der Ausbruch der 8. Division aus dem Kessel ist dramatisch. Die Russen veranstalten Hasenjagen. Unsere Leute mussten alles drüben lassen. Auch die Verwundeten konnten sie nicht mitnehmen. Vom General bis zum Mann kommt alles zu Fuß. Sie mussten auch durch einen Fluss, 2 m tief, 5–10 m breit. Der Nersschlag forderte auch da viele Opfer. – Furchtbare Einzelschicksale. Fast alle kommen müde und deprimiert, z. T. stumpf an. Es ist schrecklich.
24. Februar 1944
Rasend geht die Zeit hin. Es ist eigentlich nicht viel zu tun. Und dennoch. – Heute begann ich mit der Ausbildung. Langsam kleckern die Fahrzeuge heran. 6 Zugmaschinen habe ich schon in die Werkstatt geschafft. – Es ist noch immer sehr kalt, und dann und wann schneit es auch.
28. Februar 1944
Nun haben sich endlich alle Fahrzeuge der 9. Batterie herangeschleppt. Wo die ganzen kommandierten Fahrzeuge meiner eigenen Batterie stecken, weiß ich noch immer nicht. Nur langsam entwirrt sich der Wirrwarr. Zu tun gibt’s genug, dafür sorgen, wie üblich, die höheren Dienststellen. Es ist zum Lachen, was sie für Meldungen wollen. Oft können wir nicht anders, als sie aus den Fingern zu saugen. „Melden Sie innerhalb einer Stunde den Bedarf an Ersatzteilen!“ Dies zu einer Zeit, da 30 % der Maschinen da sind, die anderen auf einer Strecke um 50 km verteilt schleichen oder kaputt stehen. Die Meldung wird natürlich gemacht.
Gestern war Grothe hier und machte großen Wind. Ein Geleiter, den ich bisher nicht kannte, machte sehr guten Eindruck auf mich.
Tauwetter. Mit meinem Quartiervolk habe ich Streit, war zu gut zu ihnen. Jetzt sind sie für mich nur da, wenn die Kinder schreien, oder er Sonnenblumenkerne in der Gegend herumspuckt oder sie einen Schmaus haben will.
29. Februar 1944
Es ist gut, dass so ein Tag nur alle vier Jahre vorkommt. Früh Offiziersbesprechung bei Grothe, Anschisse, Vorwürfe, Verdächtigungen an die allgemeine Adresse. Anschließend machen wir das Volk in der Werkstatt flott. Dann eröffnet mir der Hauptmann, dass ich mit der Batterie ausziehen muss, in einen anderen Ortsteil mit fabelhaften Quartieren. Ich sehe sie mir an, schlecht wie knapp hinter der HKL. Auf der Straße meterhoch und mehr Schnee, schmale Spur nur ausgeschaufelt, dreckige, stinkige Häuser. Nase voll. Komme zurück, bekomme gemeldet, an meinem Fahrzeug auch noch Achsschenkelbruch. Beim Hauptmann erkläre ich dann, zu hoffen, dass mich Rank bald absägt, denn ich bringe für meine Batterie nur Unglück, Sprengung, infanteristischen Einsatz (der an sich kein Unglück ist, aber unbeliebt), schlechte Quartiere. Aus dem Doppelkopf wird auch nichts. Die Abteilung bekommt 7 Volkswagen, je Batterie nur einen. Es ist ein Spott.
Tauwetter, daß Gott erbarm. Wenn da die Russen kommen! Am Rande von Uman wird geschanzte, der Flugplatz geräumt. Früh, während der Fahrt nach U., standen an bestimmter Stelle statt 6 nur noch 4 Flakgeschütze. Bei der Rückfahrt vormittags nur noch 4.
4. März 1944
Den dritten Tag im neuen Quartierraum. Läßt sich doch ganz gut an. Mein Stall ist sogar ganz ordentlich geworden. Wohne mit Heinz zusammen. Fahrer und Bursche haben ihr eigenes Zimmer. Die Alten, Pan und Kasipika, sind rührend nett und fleißig. Nur Iwan will uns weit im Westen, um Tarnopol oder Lemberg „den A… abkneifen“, wie man so schön sagt. Das ist weniger schön.
Das Tauwetter hält an, ich befürchte Regen. Die Batterie ist ein verlotterter Haufen, und die Uffze sind auch nicht toll. Da lobe ich mir meine 7. Und die wird ausgeschlachtet, und es besteht Gefahr, daß sie überhaupt platzt.
Gestern abend Gäste: Hermann, Döpke, zum Doppelkopf noch der reichlich schlecht spielende Heinz.
Uman, 8. März 1944
Um 16 Uhr schmorte der Hammelbraten bestens, da: Anruf, sofort zum Kommandeur, der Russe steht knapp vor Uman. Also Stellungswechsel mit Sack und Pack und keine Fahrzeuge da. Zähester Modder, tiefe Spuren, selbst die 3t-Zugmaschinen haben Schwierigkeiten. Bis 5 Uhr früh erst habe ich alles heraus. Es ging alles glatt, aber dennoch, auf die Nerven ging es doch.
Mein alter Pan und die Kasitschka verabschiedeten sich herzlich und mit Dank. Wofür? Wohl für die gute Behandlung. Sie scheinen schlechte Truppenteile im Quartier gehabt zu haben. Meine ehemalige Kasitschka liebt mich offenbar. Sie beantwortet meinen Abschiedsgruß mit blanken Augen.
Heute, bis jetzt, ganz ruhig. In einiger Entfernung rummst es allerdings schon ganz ordentlich.
Der Rückzug hier ging sehr rasch vonstatten und kostete schwere Verluste an Material. Nun ist’s die Frage, kommt Iwan in der Nacht schon oder erst am Morgen.
Ich wohne bei Mutter und Tochter Lola. Letztere diente 2 Jahre am Fliegerhorst und spricht ausgezeichnet Deutsch. Sie ist 17 Jahre alt und hat einen auffallend voluminösen Balkon. Entzückend ist, wenn sie Landserfachausdrücke in preußischer und österreichischer Mundart mit eigenem Akzent gebraucht. Sie singt nur deutsche Lieder und wehrt die Nachstellungen meiner Mitbewohner geschickt ab. Sie verlangte von mir eine Definition des Begriffs „Backfisch“, offenbar ist sie mal so bezeichnet worden. – Verflucht, ihr Balkon ist unangenehm, man weiß gar nicht, wo man hinsehen soll.
Abends muß ich noch umziehen. Hermann hat mein Quartier zum Gefechtsstand erkoren. Döpke drückt das dusselig aus, ich schnappe hörbar ein, es gibt Ärger.
Uman, 9. März 1944, 9 Uhr
Nach Norden ist es ruhig, aus Osten, Südosten und Nordwesten wachsender Gefechtslärm. Frey macht Spähtrupp und wird 500 m von unserer Stellung angeschossen. Unmittelbar aber greifen sie uns nicht an. Seit gestern Abend ununterbrochen Detonationen. Schwere Artillerie. Der Flugplatz wird gesprengt, Sprit- und Bombenvorräte, lahme Vögel, Anlagen und Werke in der Stadt. Schwere Rauchwolken, von den Bränden herrührend, stehen im ganzen Umkreis.
11 Uhr. Iwan will uns offenbar umgehen. Ich bezog Stellung 1000 m weiter rückwärts. Da geht das E-Werk hoch, 22 m hinter uns, es knallt lästerlich und wiederholt.
Die Straßen sind verstopft, Fahrzeuge brennen allerorten, die Zivilisten plündern.
Das Stauwehr nahe der großen Hauptbrücke wird gesprengt. In der Brücke ist eine alte Sprengladung, von der niemand weiß. Sie spricht an, und die Brücke geht auch hoch. Damit ist das Schicksal der schwersten Waffen und Panzer nördlich Uman besiegelt.
Teplik, 10. März 1944
Um die Mittagszeit verziehen wir uns querbeet über kleine, schmale Behelfsbrücken nach Süden. Der V-Wagen der 8. stürzt ab und muss gesprengt werden. Ebenso gehen in der Stadt hoch von mir eine 11/2 und der I-Wagen. Ein Jammer!
Wir sammeln am Bahnhof. Die Gleisanlagen werden ohne Warnung gesprengt. Die Stücke sirren uns um die Ohren.
Der General gab uns einen Vorfahrtschein. Die Gefechtsteile dürfen überall überholen und haben Vorfahrt. Der Stab voraus, ich mit der 9. hinterher. Die 8. bleibt schon in der Kolonne stecken. Räderfahrzeuge wie Küche, V-, T-Wagen führt Brey geschlossen nach.
In einem Graben bleibt eine 11/2 stecken. Einer 10/1 reißt die Kette. Eine 11/5 kommt zu Hilfe. Ihr springt auch die Kette ab. Furchtbarer Dreck. Kostet uns zwei Stunden. Ein Panzer beschießt die Rollbahn. Die Schlange der Fahrzeuge ist rd. 25 km lang.
Wir fahren die Nacht durch. Um Mitternacht springt mir die Kette ab. 5 Fahrzeuge kommen zusammen und treffen geschlossen in Teplik ein, nach vorherigem Sammeln in einem kleinen Dorf. Aufenthalt. Kdr.-Maschine hat Laufradbruch. Weyl kommt an und die J-Staffel. Weyl bleibt und will weitersammeln. Wir wollen gegen Gainin.
Gainin, 22 Uhr.
Böse Nachrichten. Der Russe hat abseits der Hauptstraße unseren Rückzug überholt und westlich Teplik abgezwickt. Bangendorf und Weyl kommen gerade noch heraus. Auch Seidel, querbeet. Alles andere dürfte verloren sein. D.h. die ganze 8., die halbe 9. samt Küche usw. Dass sich wenigstens die Leute durchschlagen werden, ist zu erwarten.
Unsere Materialverluste sind unerhört. Tausende Fahrzeuge aller Art, Zugmaschinen, KW, Panzer, Sturmgeschütze, Geschütze wurden gesprengt. Noch größer ist der moralische Verlust. Die Truppenteile sind zersprengt, führerlos, demoralisiert. Will man welche einfangen, um Widerstand zu organisieren, muss man sie mit der Waffe zwingen. Zwingt man die eine Hälfte, läuft die andere indessen davon. Facit: Eine führerlose Truppe ist gefährlicher als der Feind.
Schpikoff, den 11. März 1944
Primitiver, störungsreicher Schlaf in Gainin. 1 Uhr setzten wir alles in Bewegung, dort blieben nur Hermann, Döpke, Kubitzky und ich. Wir zogen zu Fuß um 8 Uhr über den Bug, wo uns weiter hinten zwei Fahrzeuge erwarteten. Dann rollten wir glatt und flott auf Rollbahn und querbeet nach Nemiroff und kamen schließlich abends hier an. 4 Fahrzeuge, reichlich wenig für eine einst stolze Abteilung.
12. März 1944
Wir machen Quartiere für die ganze Brigade. Nachrichten sind unschön. Der Russe war schon in Tarnopol. Hoffentlich hat er dort unseren Ablageplatz zum Sprengen veranlasst, damit wir den Schamott los sind. - Auf der Karte besehen wird klar, dass der Russe auf ganz breiter Front die Südflanke der Heeresgruppe Süd angreift und den ganzen Haufen schnappen will. - Wir Optimisten träumten von einer Linie am Bug. Damit dürfte es aber auch nicht viel werden. Nun rechnen wir mit Dnjestr und Karpathen.
Unsere Fluchtrichtung fortgesetzt, komme ich an den Ausgangsort meines Lebens. Schließt sich da der Kreis?
13. März 1944
Jetzt haben wir uns zwei Tage um die Quartiere für die Brigade geschunden. Hermann hat sich redlichst bemüht. Ergebnis: Anschiss von Grothe, wie selten bisher. Folgerung: Besäufnis am Vormittag. - Nachmittag Umzug, d. h. Verlegung der Quartiere um 4 km nach Süden, um über den Bach zu sein. Sie sind entsprechend schlecht.
Zwei Maschinen werden ausgeschlachtet, um die anderen in Gang zu halten. Es sieht trostlos aus.
Am Abend noch bei Schmedtper, nennt sich Eitelkeit der Brigade. Eitler Bursche, Charaktermangel. Faul und intelligent.
Vor 6 Jahren. Reges Gedenken.
Mogilew, 15. März 1944
Wir sollten noch einen Tag in Schpikoff bleiben. Jedoch die Wege- und Lageerkundung Schramms veranlasste Grothe, schon mittags marschieren zu lassen.
Meine Quartierwirtin, eine mollige, appetitliche Person, beschimpfte ihren Gatten unter Tränen heftig als „Nazi“, weil er mit ihr stiften ging.
Schärfste Fahrzeug-Instandsetzung. Um 13 Uhr rollen wir doch alle los. Gute Pflasterstraße, heftiger, andauernder Regen, verstopfte Straßen, nass bis auf die Haut. Um 22 Uhr hat die Spitze die 80 km hinter sich und fährt in M. ein. Unterkunft in Schule auf blankem Boden, dennoch guter Schlaf bei Heizung durch zwei Lötlampen, ungesund aber warm.
M. hat guten Namen, ist aber ein armes Städtchen unter rumänischer Verwaltung mit 8000 Juden im Ghetto. Diese Juden zeigen sich hier als armseliges, zerlumptes Völkchen, viele jedoch zeigen Haltung und Würde in ihrer Not.
Die Häuser sind gerammelt voll. Wir ziehen bei Juden ins Quartier. Der Alte hatte zwei Sägewerke in Rumänien und war Bankdirektor. Sieht gut aus, man hält ihn ebensowenig für einen Juden wie seine Tochter, die in Wien zur Schule ging und uns zuvorkommend behilflich ist. - Ein mittelalterlicher Jude im Haus ist aus Czernowitz und behauptet, unter meinem Vater gearbeitet zu haben. - Alle sind zu klug, uns eine Feindschaft zu zeigen. Wir geben uns wie eben Soldaten und behandeln sie gut, was sie dankbar und offensichtlich unterwürfig quittieren. 22 Uhr. Wenn meine jüdischen Gastgeber meine Profession kennten. Mich interessiert’s. Ich sitze eine Stunde drüben unter einem Schwarm alter und junger Juden. Es ist alles so typisch. Der Herr Stein aus Czernowitz studierte österr. Recht, sehr intelligent, sieht gut aus, aber jüdisch, sicheres Auftreten, arbeitet am Abriss von Häusern. Ein Jüngel ist Dolmetscher im Lazarett. Wallende, dunkel-schwarze Mähne, einen Riesenzinken im Gesicht, lebhaft, interessiert. Seine Geliebte – verdammt, ist hübsch. Gazellenschlank und wohlgeformt. - Nirgends etwas vom Judenfett und von Plattfüßen, aber alle mit den markantesten Rassemerkmalen im Gesicht, Nase, Augen, Mund. - Verzeihung, schließlich habe ich schon 10 Jahre keinen Juden aus der Nähe gesehen.
Mogilew, 16. März 1944
Morgens Bummel mit Heinz am Dnjestr, Ghetto, in der Stadt. Kalter Wind, trüber Himmel. - Kriegslazarett 4/610 liegt hier in Ruhe. In ihm lag ich vor zwei Jahren in Simferopol. Gegen Mittag Umzug mit Sack und Pack nach dem Ostteil der Stadt. Bamberg von Brigade macht Quartier. Saumäßig, sieht ihm ähnlich, diesem Knaben, rd. 20 Jahre alt, Gesicht 14-jährig, Geist entspricht Kind von 10 Jahren. Nach stundenlangem Gelaufe haben wir unser Volk unter. - Ja, beim Abschied aus dem alten Quartier geben uns unsere Juden laufend Segenswünsche mit. “Herr Oberleutnant, kommen Sie gut durch den Krieg!” Wenn so viele Tantenherzen, dann die meiner lieben “den Himmel stürmen” und dann noch Juden mir diesen Segen wünschen, wie soll das werden?
17. März 1944
Um 2 Uhr gibt’s in Mogilew Alarm, der Russe ist vor der Tür. Da wir ein Trümmerhaufen sind und in keinster Weise einsatzbereit, heißt es Reißaus nehmen. Also packen und mit der Kolonne einreihen in die Schlange, die bei der Brücke ansteht. Es geht doch wider alles Erwarten glatt, und wir rollen auf rumänischem Boden in Bessarabien. Nach 80 km Marsch ziehen wir hier unter. Döpke, Kubitzky und ich finden bei einem Rumänen ein Quartier wie Gott in Frankreich. Frisch bezogene Betten, Steppdecken, sauber, sauber. - Ehe wir richtig da sind, steht schon Likör auf dem Tisch. Nach kaum 20 Minuten sind 6 Stück hinter der Binde. Dann gibt’s Weißbrot mit Speck, wundermild und zart, serviert in kleinen Happen mit je einem Zahnstocher eingespießt. Dazu Wein, goldgelb, herrliche Güte. 12 Flaschen pitchen wir mit anderen Gästen leer und feiern so Kubitzkys 32. Geburtstag. - Der Hausherr, ein lustiger 39-Jähriger, will uns blau machen. Er kapituliert aber lange vor uns. Seine Frau, ein entzückendes Wesen mit 8-jährigem Töchterchen Sylvia. Über den gestenreichen, heiteren Gesprächen steht der Schatten der Ereignisse: Mittags schoß der Russe bereits nach Mogilew. Für die Bewohner ostwärts des Pruth liegt Räumungsbefehl vor.
Sulita, 18. März 1944
Nach langer Zeit wieder einmal ausgezogen in einem Bett geschlafen. Kaum auf den Beinen, ist der Hausherr schon mit einem Likör da. Dann kommt die gute Gattin mit Wein, dann mit Hühnerschnitzel und Weißbrot. Dann rollen wir ab, nicht ohne Antineuralgica zu uns genommen zu haben.
100 km Fahrt an dem Pruth, aus dem mich einst, sofern die Angaben meiner Mutter stimmen, der Storch gefischt hat. An diesem stromauf. Quartiere sind hier schon viel schlechter, die Leute unfreundlich. In den Läden gibt es alles zu kaufen, aber nicht für uns. Lei haben wir keine, und deutsches Geld wird nicht angenommen. Das tut uns leid, denn hier gibt’s Zigaretten, und wir haben keine. - Schwarzbrot ist hier überhaupt nicht bewirtschaftet, Weißbrot kaum, gibt’s nach unseren Begriffen reichlich.
Hodin, 19. März 1944
45 km Marsch in Schneetreiben. Um die Mittagszeit da. Leute in Schule, Uffze. und Offze. privat, ich sehr vornehm, aber ungemütlich. Zimmer im Großmutterstil, reich verzierte Eichenmöbel, Stühle mit Lederbezug, winkelige und fächerige Kredenz, das schönste von allem die elektrische Beleuchtung.
Abends Doppelkopf mit Kubitzky, Döpke, Würfel in Seidels Behausung, in einer modernen kubischen, geschmacklosen Villa. Ankündigung schwerer Anschisse.
20. März 1944
Den ganzen Vormittag Aufsicht beim technischen Dienst. - Gestern Abend wurde zu viel Schnaps ausgegeben. Erfolg: Totaltrunkenheit, teils heute noch, im Übrigen ein Toter an Alkoholvergiftung bei der Küche. Anschisse bei Rank an gesamte Adresse. Unvornehme Vorwürfe und Verdächtigungen. Vorkommandos der Trosse ab. Langsam sollen wir doch wieder zusammenkommen. Ein neuer Offizier für die 9., Gaß, netter junger Kerl, nur spricht er mir zu viel.