Anna in Kana

Michael Schmidt

Kapitel 11

Anna betrat die Synagoge im Dorf Kana, wo Zacharias normalerweise seine Opfer bereitete. Sie kniete nieder und legte zuerst die Hände, dann ihre Stirn auf den Boden. Als sie sich wieder aufrichtete, stand Zacharias vor ihr und lächelte sie freudig an. Anna: „Zach! Wie schön, dich zu sehen!“ Sie umarmten sich. Er sah sie interessiert an. Anna: „Ich bin hier, um dich etwas zu fragen.“ Zacharias nickte und führte sie auf eine Bank an der Seite des Tempelraums.

„Es geht um Sophia. Es geht ihr nicht gut, nachdem sie die Steinigung gesehen hat.“ Zacharias deutete mit dem Finger auf Anna. „Mir? Mir geht es gut.“ Er schaute sie fragend an. Sie schloss die Augen und fühlte in sich nach: „Nein, es ist alles gut. Ich bin ein wenig durcheinander, aber nichts im Vergleich zu Sophia.“ Er schaute sie leicht grimmig an und deutete an, dass sie ihre Hand auf ihr Herz legen sollte. Sie schloss wieder die Augen und sagte nach einiger Zeit: „Ich fühle mich schuldig, dass ich nicht besser auf Sophia aufgepasst habe. Ich wusste, dass sie mir nachlaufen würde, aber ich habe nicht genug darauf geachtet. Ich habe es dann sogar vergessen. Sie hätte die Steinigung wirklich nicht sehen sollen.“

Zacharias schüttelte den Kopf und deutete auf ein Sonnenbild auf dem Altar. „Du meinst, Gott hat das so gewollt? Du meinst, das gehört zu ihrem Schicksal?“ Er nickte einige Male. „Aber sie ist verstört. Sie isst nicht mehr richtig, liegt den ganzen Tag im Bett, füttert ihre Tiere nicht mehr.“ Er schloss die Augen. Nach einiger Zeit öffnete er sie und versuchte, die Erde oder die Gemeinschaft der Menschen zu symbolisieren, indem er seine Arme kreisrund ausbreitete. Und dann dieses Zeichen mit einem Arm durchstrich. Aber Anna verstand nicht. Er wiederholte es noch zweimal, ohne Erfolg, und dachte dann nach. Plötzlich stand er auf und wies Anna mit der Hand, zu warten. Dann lief er aus dem Tempel hinaus.

Nach langen Minuten kam er wieder und hatte einen Mann etwa in seinem Alter an der Hand. Er zeigte auf Anna und dann auf den Mann. „Josef“, sagte dieser und streckte Anna seine Hand entgegen. „Josef, der Zimmermann?“, Anna strahlte, „wie schön, dich einmal zu treffen, Josef! Meine Töchter lieben das Schaukelpferd, das du für sie gemacht hast, Sophia und …“ Josef unterbrach: „Maria. Zacharias hat mir viel von euch erzählt. Wegen euch kommt der weise Simeon immer aus Jerusalem hier herauf, oder nicht?“ Anna nickte.

Josef setzte sich zu ihr auf die Bank und lächelte sie warm an. Anna musste ein wenig lachen, wegen der angenehmen Atmosphäre, die von ihm ausging und zu ihr herüber wehte. Er fragte: „Warum hat mich Zach geholt? Was kann ich helfen?“ Anna: „Ich weiß nicht. Sophia hat eine Steinigung gesehen, von einer ihrer Freundinnen, und jetzt ist sie zu Hause und liegt auf dem Bett und will nicht richtig ins Leben zurück ––– sie hat aufgehört, ihre Tiere zu füttern. Sie hatte sich in Jungenkleidern unter die Zuschauer gemischt, dann in die erste Reihe gestellt und kurz bevor der erste Stein flog, wollte sie sich vor Lidia werfen. Ich habe sie gerade noch abfangen können.“ Josef legte eine Hand auf sein Herz und schloss die Augen. Nach einer langen Weile fragte er Anna: „Hat sie geschrien, so laut sie konnte?“. „Puhhh, und wie! Ich höre den ersten Schrei jetzt noch. Und dann hat sie den ganzen Weg nach Hause immer wieder geschrien.“ „Gut!“, sagte Josef. „Hat sie etwas gesprochen auf dem Weg?“ Anna dachte nach: „Ja, sie fragte: Warum Lidia? Das kann nicht sein.“ Josef: „Wie geht es Maria?“ „Sie hat nichts davon gesehen. Es geht ihr gut. Sie füttert die Tiere und versucht, Sophia Gutes zu tun, wo sie kann.“ Josef dachte kurz nach und sagte dann: „Dann ist alles gut, denke ich. Kannst du noch ein paar Tage warten und beobachten, was passiert?“ „Nein. Das will ich nicht. Ich habe schon so lange gewartet.“

Josef dachte nach. „Ich kann auch kommen und mit ihr reden.“ „Würdest du das tun?“ Josef nickte: „Gerne. Es wäre mir eine Ehre. Das Mädchen, wegen dem Simeon aus Jerusalem kommt.“ Anna: „Ich danke dir. Wann kannst du kommen?“ Josef schaute sie an: „Jetzt?“ Anna lachte und umarmte ihn.

Mehr gibt es noch nicht ... morgen dann.
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