
An einem Morgen einige Wochen später sah man vom Hof aus schwarze Rauchwolken am Himmel über Nazareth. Das war das Zeichen, dass alle Bewohner zusammenkommen sollten und hören, was ein römischer Ausrufer zu sagen hatte. Sophia vertrat sich außerhalb des Tempelhäuschens ein wenig die Füße. Es war sehr kalt, der Winter stand vor der Tür, und ihre Schritte waren schwerer geworden. Ihr Bauch schien ihr riesengroß zu sein. Manchmal bewegte sich das Kind spürbar und jedes Mal, wenn es das tat, liefen ihr Freudeschauer den Rücken hinunter. In diesen Augenblicken fühlte sie sich leicht und frei, als ob ihr Herz sich weitete und es fühlte sich so an, wie wenn es nach allen Seiten aus ihrem Körper hinausragte. Sie wunderte sich dann, wie das möglich war. Josef und Klophas standen auf dem Hof und schauten zum Rauch hin. Klophas: „Das ist kein Hof, der brennt, das ist das Ausruferfeuer.“ Er sah zu Josef herüber, der besorgt zu Boden schaute. Josef: „Ja, lass uns gehen, wir beide. Sie wollen auch dich sehen.“ Beide verabschiedeten sich von Sophia und ermahnten sie, nicht zu weit vom Häuschen wegzugehen. Sie versicherte ihnen, das nicht zu tun, es wäre sowieso zu kalt, um lange draußen zu bleiben.
Im Dorf fanden sie eine große Menschenmenge auf dem Platz, auf dem Lidia Anfang des Jahres gesteinigt worden war. In der Mitte stand ein kleines Podest, das aber noch leer war. Daneben konnte man Tische sehen und viele Tontafeln, in die die Namen und die bezahlten Steuern geritzt werden sollten. Dahinter standen eine Reihe römische Soldaten. Alle mit identischer Rüstung, alle mit dem gleichen Speer vor sich und der gleichen, unbeweglichen Miene im Gesicht. Josef schaute auf sie, blieb stehen und fasste sich an den Bauch. Klophas klopfte ihm auf den Rücken. Jetzt musst du stark sein.
In dem Augenblick erschien hinter ihnen der Priester mit einer dunklen Miene, aber gut gelaunt. Der Priester baute sich vor ihnen auf: „Na, kommt ihr auch, euch zählen zu lassen?“ Josef: „Wir hören erst einmal, was sie sagen.“ Priester: „Da kann ich euch helfen. Ich war in Jerusalem und habe das schon zweimal gehört: Jeder muss sich zählen lassen, mit seinem vollen Namen und Steuern bezahlen nach seinem Stand. Aber er kann das nur dort machen, wo er herstammt. Und wenn man sich dem entzieht, dann droht das da.“ Er deutete ans Ende des Platzes, wo zwei etwa drei Meter hohe Holzkreuze standen. Josef und Klophas hatten die Kreuze vorher nicht gesehen. Beide durchfuhr ein Schreck. Sie hatten von den Kreuzen gehört, an denen Verbrecher zu Tode gekreuzigt wurden. Aber noch keine gesehen. In Rom wurden ausländische Verbrecher daran angebunden oder genagelt und bis zu ihrem Tod zur Schau gestellt. Römer selbst wurden nicht an Kreuze geschlagen, egal was sie getan hatten.
Josef schaute den Priester an. In diesem Augenblick lief Anna mit Maria vorbei. Sie schauten kurz herüber, nickten freundlich und gingen weiter, ohne in besonderer Weise zu reagieren. Der Priester schaute Josef fragend in die Augen. Der ließ nichts anmerken.
Ein kleiner Mann in einer bunten, wertvoll scheinenden Uniform bestieg das Podest. Auf das Zeichen eines Soldaten fing ein Soldat laut zu trommeln an. Alles wurde still. Der Mann rief: „Juden! Ihr seid heute hier zusammengekommen, um eure Verbundenheit mit Rom zu besiegeln. Ihr seid Teil des großen römischen Reichs, des großartigsten und mächtigsten Reichs, das jemals existiert hat. Rom hat sich um euch gekümmert, euch einen guten Herrscher gegeben, nachdem ihr vorher minderwertige hattet, hat Straßen gebaut, Wasserführungen und viele große Gebäude. Euer Leben ist reicher geworden, ihr findet Waren aus vielen Ländern auf euren Märkten, viele von euch waren schon in der Hauptstadt des Reiches. Sogar ein Mann aus dieser Stadt. Nun ist es Zeit für euch … erstens … einen neuen Schritt zu gehen und … zweitens … etwas zurückzugeben. Der neue Schritt ist, dass ihr euch vor Rom mit eurem Namen als Teil des römischen Reiches bekennt.“ Er machte eine Pause und schaute über die Menge. „Und das Zurückgeben ist die Steuer, die nicht mehr jede Stadt oder jede Familie zu entrichten hat, sondern jeder einzelne Mann. In Rom ist jeder Bürger eine Person. Jeder Mann ab zwanzig Jahren soll ab heute eine jährliche Steuer an Rom entrichten. Wieviel erfahrt ihr von den Schreibern. Ihr habt einen Mond Zeit, um das Geld aufzubringen. Nur dann kann euer Name auf eine der Tafeln kommen, die dann in Jerusalem registriert werden. Wenn euer Name dort nicht draufsteht und der Mond ist vorbei, dann wird Rom keine Geduld mit euch haben. Ein so großes Reich kann nicht mit Geduld regiert werden. Wenn ein Mond vorbei ist und euer Name nicht auf so einer Tafel steht, dann erwartet euch das hier.“ Er drehte sich theatralisch um und deutete mit beiden Armen auf die Holzkreuze. Ein Raunen ging durch die Menge. „Es dauert ein bis drei Tage, bis ihr daran sterbt. Wir stellen so viele Holzkreuze auf, wie benötigt werden. Zu trinken bekommt ihr in dieser Zeit nichts als Essig, kein Wasser.“ Er machte wieder eine Pause und betrachtete die Menge rund um ihn.
Dann fuhr er fort: „Noch eines: Wir haben in Jerusalem alte Familienlisten gesammelt. Mit denen werden wir die Namen auf den Tafeln abgleichen. Wer dort fehlt, wird per Kopfgeld gesucht werden. Abenteurer werden nach diesen Männern suchen, Nachbarn, die im Streit liegen, werden denunzieren, Priester werden uns helfen.“ Die Menge wurde unruhiger. Der Mann schaute sich wieder im ganzen Rund um. Dann fuhr er fort: „Und noch eines! Ihr könnt euren Namen nur dort eintragen, wo eure Familie herstammt. Jeder Eintrag an anderer Stelle ist ungültig und wird gestrichen. Auch wenn ihr euer Geld bezahlt habt. Das ist alles!“ Der Mann schaute noch einmal in die Runde, verließ dann das Podest und lief auf einen römischen Streitwagen zu, der von zwei Pferden gezogen wurde. Ein Soldat bestieg ihn zusammen mit ihm und sie fuhren davon.
Anna kam von hinten auf Josef und Klophas zu. Sie schien sehr aufgeregt zu sein. Anna: „Ich habe gerade zufällig gehört, wie ein Schäferjunge zum Priester gekommen ist und gesagt hatte, dass er Sophia auf dem Hof gesehen hat, und dass sie hochschwanger ist. Er will sie ganz sicher erkannt haben. Der Priester ist sofort aufgesprungen, hat einigen Leuten in der Menge Bescheid gesagt und ist dann weggelaufen!!“ Josef: „Um Gottes Willen! NEIN!“ Er schaute um sich. Klophas: „Wir müssen dorthin. Wir müssen sie wegbringen.“ Maria kam hinter Anna hervor: „Wir müssen sie warnen. Sie muss wissen!“ Josef rief: „LOS! Wir gehen zusammen. Jetzt ist alles gleich. Jetzt ist es sowieso klar.“ Er machte einen Schritt und trat mit dem linken Fuß in ein Loch im Boden und knickte um. Er schrie laut auf. Anna bückte sich zu seinem Fuß. Anna: „Oh, nein.“ Sie hielt seinen Fuß und Josef setzte sich hin, stand aber gleich wieder auf. Josef: „Es geht schon. Wir müssen los. Wir dürfen nicht zu spät sein.“ Anna stützte Josef und er humpelte so gut er konnte, aber nach einigen Schritten war klar, dass er zu langsam war.
Josef sagte mit kräftiger Stimme: „Klophas!“ Klophas stellte sich vor ihn: „Ja!“ Josef: „Du bist jetzt ein Mann! Du hast die Aufgabe, mit allem Geschick und aller Kraft, Sophia vor dem Priester in Sicherheit zu bringen! Ich habe keine weitere Anweisung. Du musst rausfinden, wie du das machst. Du hast meine volle Unterstützung. Hast du verstanden?“ Klophas: „Klar und deutlich! Und Maria ist jetzt eine Frau und hilft mir dabei!“ Anna hob ihren Zeigefinger. Klophas schob ihn sanft weg und schaute Anna in die Augen: „Ich bin ein Mann und ich sage das jetzt, weil ich Maria für meine Aufgabe brauche!“
Maria lachte ihn an und beide rannten davon. Josef und Anna schüttelten ihre Köpfe. Anna: „Wir müssen trotzdem los und versuchen, so bald wie möglich auf dem Hof zu sein.“ Kurz bevor sie aus der Stadt heraus waren, sahen Klophas und Maria die Gruppe um den Priester, etwa zehn bis zwölf Männer auf der Straße stehen. Klophas zog Maria in eine Seitenstraße: „Los hier. Wir müssen über die Wiesen. Ich kenne ein paar Abkürzungen.“ Sie rannten so schnell sie konnten, über Felder und Hügel bis sie auf den Weg kamen, auf dem die Gruppe wohl bald vorbeikommen würde.
Klophas deutete zu Maria, dass er nicht auf dem Weg gehen wollte, sondern durch den Olivenhain und das Gehölz hinter dem Hof. Er wollte von hinten zum Hof kommen und fand den Weg auch beim ersten Versuch. Plötzlich, kurz vor dem Hof, erschrak er, blieb stehen und hielt Maria an. Klophas: „Oh, Gott! Da ist jemand auf dem Hofplatz. Ich kann es nicht genau sehen ––– es sind Soldaten! ––– zwei, sie suchen ––– was machen wir?“ Er kniff seine Augen zu und öffnete sie nach einigen Augenblicken und sagte: „Ich weiß! Du gehst langsam und direkt hinter das Tempelhäuschen und versuchst Sophia zu warnen. Wenn du mit ihr fliehen kannst, gehe zur Höhle. Ich hole euch dann dort ab.“
Maria: „Was machst du?“ Klophas: „Ich lenke die Soldaten ab.“ Maria: „Ohhhh.“ Klophas: „Keine Angst, Maria, ich kann das. So etwas kann ich gut.“ Er strich sie am Arm: „Bis gleich.“ Dann ging er Richtung der Rückseite der Schreinerei. Maria schlich sich langsam näher an das Tempelhäuschen heran. Klophas ging rechts an der Schreinerei vorbei und auf den Hofplatz, wo sich einer der beiden Soldaten umschaute. Am Rand des Platzes standen zwei weiße, große Pferde. Der andere Soldat kam gerade aus dem Wohnhaus heraus. Klophas schaute erstaunt, ein wenig theatralisch, auf die Soldaten. Dann rief er mit lauter Stimme: „Was macht ihr hier? Das ist nicht euer Hof!“
Die beiden Soldaten drehten sich zu ihm hin und Klophas ging auf den einen zu und baute sich vor ihm auf. Sie waren beide sehr groß, mit einer kraftvollen Statur und hatten eine schönere, schwerere Rüstung als die beiden anderen, die er vor einigen Wochen hier getroffen hatte. Ihre Schwerter waren an den Griffen verziert. Er war irritiert und auf eine seltsame Weise angezogen von der Eleganz, mit der beide vor ihm standen. Aber er versuchte sich das nicht anmerken zu lassen. Klophas mit leichter Unsicherheit: „Was wol… wollt ihr? Das hier ist die Schreinerei von Josef. Er ist auf dem Weg hierher.“ Der Soldat vor ihm atmete erleichtert aus: „Das ist die Schreinerei von Josef! Die haben wir gesucht.“ Er musterte Klophas. „Und dann musst du Klophas sein, hmm?“ „Mutiger Junge“, sagte der andere Soldat hinter ihm.
Der Soldat nickte. „Ja. So wie wir gehört haben.“ Klophas: „Woher kennt ihr meinen Namen? Warum seid ihr hier?“ Soldat: „Wir suchen Sophia!“ Klophas erschrak. Er konnte es nicht verbergen. Der Soldat beschwichtigte: „Wir wollen ihr nichts Böses. Ganz im Gegenteil. Ich bin ihr …“ Der andere Soldat rief laut: „Da unten, da kommt eine Gruppe! Mit Priester vorne dran.“ Soldat: „Dann sind wir ja gerade rechtzeitig.“ Klophas schaute sie verwirrt an, dann zu der Gruppe, die mit Stöcken bewaffnet den Aufweg hinaufkam. Er fragte die Soldaten: „Wer seid ihr?“ Soldat: „Das erfährst du gleich! Jetzt müssen wir erst einmal das hier regeln.“ Beide Soldaten liefen mit großen Schritten auf den Aufweg zu und stellten sich der Gruppe in den Weg.
Der Priester kam auf die beiden zu: „Seid gegrüßt, Soldaten! Bitte macht den Weg frei, wir müssen hier unsere Pflicht als Juden und ich als Priester erfüllen. Und ihr mischt euch da nicht ein. Es besteht keine Gefahr für Römer. Das ist eine interne jüdische Angelegenheit.“ Beide Soldaten verschränkten ihre Arme und schauten den Priester an. Priester: „Ihr wollt hier kein Unrecht begehen, das zwölf Männer gesehen haben? Lasst uns durch! Es ist eine ernste Lage.“
Der Soldat, der mit Klophas gesprochen hatte, schaute den Priester intensiv an: „Ihr wollt Sophia?“ Priester: „Wir wollen Sophia!“ Soldat: „Die könnt ihr nicht haben! Verschwindet von hier.“ Beide Soldaten lösten ihre Arme. Der Priester lief rot an: „Wir sind zwölf Mann! Und wir holen sie uns, wenn nötig, wir müssen das, nach unseren Gesetzen!“ Die Gruppe bewegte sich, einige hielten ihre Stöcke höher. Der Mann neben dem Priester griff seinen und wollte ihn nach oben heben, da fuhr das Schwert des anderen Soldaten wie ein Blitz an seinem Ohr vorbei und der Soldat drückte es gegen seinen Kopf. Soldat: „Lass uns alle besonnen sein! Ich würde auch alleine mit zwölf von euch klarkommen. Ihr habt alle noch nicht mit wirklichen römischen Soldaten gekämpft. Sonst hättest du das jetzt nicht gesagt.“ Der andere Soldat zog sein Schwert nach oben und schnitt eine Locke der Haare des Mannes ab. Dann steckte er sein Schwert wieder weg.
Der Priester war vor Schreck gelähmt. Nach einigen Augenblicken fragte er mit zitternder Stimme: „Warum schützt du Sophia?“ Soldat: „Du erkennst mich nicht?“ Er nahm seinen Helm ab. Der Priester ging in die Knie: „Oh, nein, oh, nein! Verzeihe mir!“ Soldat: „Und jetzt verschwindet, so schnell ihr könnt. Und wenn einer von euch meine Tochter auch nur schief anschaut, dann werde ich ihn töten! Und das gilt für den Rest eures Lebens.“ Der Priester und die Gruppe wandten sich um und liefen vom Hof weg.
Klophas stand mit offenem Mund da: „Tochter.“ Er schluckte: „Du bist … Joachim?“ Der Soldat lachte: „Ja, das bin ich! Und das hier ist Leonidas, mein Freund aus Rom.“ Beide streckten Klophas die Hand entgegen und er nahm sie nacheinander, noch ein wenig schüchtern, aber mächtig stolz. Leonidas zog ihn nahe zu sich, drückte seine Stirn an Klophas’ und sagte: „Starker Auftritt eben, mit zwei römischen Soldaten, die du nicht kanntest.“ Joachim: „Und jetzt sag, wo sie ist. Wir haben sie nicht gefunden.“ Klophas: „Sie sind inzwischen sicherlich in der Höhle, wo wir uns treffen wollten. Kommt …“
In dem Augenblick kamen Maria und Sophia aus der Tür des Tempelhäuschens. Maria sprang ihrem Vater entgegen und fiel ihm um den Hals. Der nahm sie hoch und drehte sich mit ihr. Dann setzte er sie ab und nahm Sophia in den Arm. Sie strahlte. Joachim: „Meine Sophia! Das bist du! Schon immer gewesen. Du bringst die ganze Welt durcheinander. Das hast du schon getan, als du noch gar nicht auf der Welt warst. Ich bin so froh bei euch zu sein. Ich bin erst vor zwei Wochen aus Rom zurückgekehrt. Simeon hat mir erzählt, wie es steht, und dann habe ich ein paar Tage frei genommen, um hier nach dem Rechten zu sehen. Wo ist eure Mutter?“ Klophas: „Sie wird bald kommen.“
Mit Schmerzen ging Josef Schritt um Schritt, Anna stützte ihn, und zuletzt bogen sie in das Tal ein. Sie schauten hoch zum Hof und sahen auf dem Weg eine aufgeregte Gruppe vom Hof weglaufen. Josef fiel auf die Knie: „Oh, nein! Sie waren schon da und sie gehen wieder weg. Sie haben Sophia.“ Anna beugte sich zu ihm hinunter und umarmte ihn. Nach einer Weile zog sie ihn hoch: „Komm, vielleicht können wir noch etwas tun.“ Sie gingen langsam weiter, der Gruppe entgegen. Anna: „Ich sehe Sophia nicht. Und sie sind ziemlich schnell unterwegs, so schnell kann sie gar nicht gehen.“ Josef schaute auf. Er richtete sich auf, erkannte den Priester, der mit schnellen Schritten auf sie zukam. Josef setzte an, etwas zu sagen, aber der Priester beachtete ihn nicht und lief wortlos vorbei. Wie die übrige Gruppe auch. Anna und Josef schauten ihnen nach und wunderten sich.
Auf dem Hofplatz fiel Anna Joachim um den Hals. Sie lachte ihn an, packte ihn an den Schultern und versuchte mit ihm im Kreis zu tanzen. Joachim: „Ich werde jetzt ein Schild anbringen an deinem Haus in Nazareth, dass der Priester und keiner seiner Leute sich nähern dürfen. Mit römischem Siegel!“ Maria schmiegte sich von hinten an ihn an: „Jaa! Bitte mach das!“ Joachim: „Da ist man gerade einmal eine Weile weg und schon macht ihr solche Dinge!“ Anna: „Fünf Jahre, gerade mal so.“ Sie schüttelte den Kopf. Joachim: „Immerhin kann ich jetzt dafür sorgen, dass ihr sicher seid. Es hat sich viel verändert in den fünf Jahren.“ Anna: „Ich sehe, dass du jetzt mit Pferden reist. Und ein wenig mehr Gold an dir sehe ich auch.“ Joachim: „Es ist viel passiert. Wir werden Zeit finden, dann erzähle ich euch alles.“ Joachim wurde nachdenklich.
„Ich kann allerdings nicht für die Sicherheit von allen von uns sorgen.“ Er schaute Josef an. „Gegen Herodes bin ich machtlos. Er ist ein Freund von Kaiser Augustus. Und er kümmert sich nicht mehr darum, ob ich als römischer Soldat eine jüdische Familie habe, das geht inzwischen gut. Aber er schaut auf die möglichen Thronfolger, Josef, und er weiß, dass du hier bist. Das habe ich in Jerusalem erfahren. Du musst nach Betlehem gehen! Sonst wird es sehr schwierig.“ Josef nickte. Sophia: „Ich gehe mit ihm!“ Anna: „NEIN! Du bekommst demnächst dein Kind. Du kannst jetzt nicht mitten im Winter nach Betlehem gehen! Ich erlaube es nicht.“ Joachim: „Ich erlaube es. Sie hat recht. Auch wenn das verrückt aussieht. Aber es ist die einzige Chance. Sie kann nicht in Nazareth bleiben, auch wenn der Priester ihr nichts tut. Es ist bekannt in Jerusalem, dass hier eine 14-jährige Sophia versteckt wird, die ein Kind erwartet. Da steht die ganze jüdische Kultur im Weg, die das nicht zulässt. Ich kann sie auch nicht mitnehmen. Die Römer greifen nicht in die jüdische Kultur ein. Wenn wir uns selbst umbringen wollen, dann lassen sie das zu. Am besten sie ist mit Josef unterwegs, in der Fremde, wo sie niemand kennt, da sieht es so aus wie eine Ehe. Und jetzt gerade sind viele Fremde unterwegs.“
Anna schaute ihn entsetzt an: „Du willst, dass deine Tochter alleine …“ Sophia unterbrach: „Mutter! Es ist mein Weg. Ich weiß das. Es sieht unmöglich aus, aber es ist mein Weg. Ich muss mit Josef nach Betlehem.“ Joachim hielt Josef ein Ledersäckchen mit römischen Münzen entgegen: „Simeon hat mir erzählt, dass du immer alles Geld ausgibst, das du einnimmst, du legst nichts zurück. Das wirst du vielleicht jetzt brauchen können.“ Josef nahm es: „Danke! Wir nehmen noch den Esel und den Ochsen mit. Ich muss ja auch meine Steuern bezahlen.“ Joachim schlug Josef auf die Schulter: „Ich habe ein gutes Gefühl, aber ihr müsst morgen vor Sonnenaufgang von hier weg sein. Es gibt einen Prüfer, der sich um die Thronfolger kümmert, der ist unterwegs. Und vielleicht morgen schon hier. Wenn er dich hier sieht, dann kann es kompliziert werden. Er könnte dich mitnehmen.“ Josef und Sophia schauten sich an und nickten.
Klophas: „Ich habe noch eine Idee! Was wäre, wenn Sophia und Maria ihre Namen tauschen würden? Ihr Römer könntet das doch offiziell machen. Wenn dann jemand nach der 14-jährigen Sophia fragt, die ein Kind erwartet, zeigen wir ihm Maria und sagen, es ist Sophia. Dann ist Sophia eine 12-Jährige, die kein Kind erwartet. Und wenn Sophia unterwegs gefragt wird, dann heißt sie Maria und keiner stellt weitere Fragen.“ Leonidas: „Der Junge ist großartig.“ Er zeigte auf ihn und schaute Joachim an. „Den musst du mit nach Jerusalem nehmen. Mit einer römischen Ausbildung wird er viel erreichen können.“ Joachim dachte kurz nach und legte dann Klophas die Hand auf die Schulter: „Na? Bereit für ein Abenteuer? Hier hast du einen leeren Hof. In Jerusalem zeige ich dir, wie du deinen eigenen Weg findest. Näher beim König, näher beim Galgen, näher an der Freiheit. Und, wie ist deine Antwort?“ Klophas lächelte ihn ungläubig an und nickte dann deutlich: „Ja! Zumindest einmal für vier Jahre.“ Joachim: „Gut!“ Er schaute in die Runde. „Dann sind wir durch. Wir sind schon im Zeitverzug. Lass uns aufbrechen, Leonidas. Ich nehme Klophas mit aufs Pferd.“ Leonidas: „Nein, ich! Ich will ihn.“ Klophas grinste breit. Joachim umarmte Anna und Maria gemeinsam: „In ein paar Wochen bekommt ihr mein Siegel über euer Tür, dann wird euch niemand etwas tun. Und ich schaue wie es wird in Jerusalem, vielleicht kann ich euch zu mir holen.“
Er ging zu Sophia: „Dir muss ich nichts sagen. Du findest deinen Weg. Das hast du immer getan. Wir werden uns bald wiedersehen.“ Er schaute Josef lange an: „Ein König für meine Sophia, das passt.“ Er lachte. Josef legte ihm eine Hand auf die Schulter: „Danke dir für alles!“
Leonidas deutete Klophas an, zu ihm zu kommen. Auf dem Pferd nahm er die Zügel um Klophas herum und sagte: „Ich werde dir Rom zeigen! Du wirst staunen …“ Sie ritten davon. Anna ging auf Josef zu und legte ihren Arm um ihn: „Wir bleiben bis morgen früh hier. Hast du eine Salbe für deinen Fuß?“ Josef nickte: „Eine sehr gute. Es wird gehen.“